Kapitel 27 | meltdown

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Nach einer weiteren geschätzten Stunde, in der mich mein Kopf noch immer keine Ruhe finden lässt, wälze ich mich schließlich auf die andere Seite, wo ich geradewegs in zwei dunkle Augen sehe, die mich schon länger bereits zu beobachten scheinen.

Weder Zayn noch ich sagen etwas, während wir uns eine Weile regungslos in die Augen schauen. Ein kleiner Teil des Mondlichts fällt auf sein Gesicht und hebt einige seiner wohlgeformten Konturen hervor, während andere in Schatten fallen und einige Mondstrahlen seine Augen noch mehr zum Funkeln bringen. Nach einer Weile presst er kurz die Lippen zusammen und wendet den Blick ab, bevor er endgültig die Augen schließt.

Einige Minuten ruht mein Blick noch auf den langen Wimpern, welche seinen Augen rahmen, huschen hin und wieder zu dem Rest seines Körpers, wie beispielsweise die dunklen Tätowierungen, die seine linke Schulter zieren und in den Rest seines nackten Oberköpers verlaufen, bevor die Decke seinen Körper bedeckt.

Irgendwann finde auch ich in den Schlaf, begleitet von dem ruhigen Rhythmus Zayns Atems.

...

Meine Fingerkuppen fahren sacht über das Brandloch im Holze des Tisches, während im Hintergrund die Geräusche des Fernsehers laufen. Es handelt sich um irgendeine Talkshow, mit der ich eigentlich gar nichts anfangen kann, aber nach kurzem Durchzappen der ersten Fernsehsender schien nichts Besseres zu laufen und um alle Kanäle durchzusuchen fehlt mir Kraft wie auch Motivation.

Zayn hat vor gut einer Viertelstunde den Wohnwagen verlassen, nicht ohne mir vorher mitzuteilen, dass er zu Viktor muss. Es fühlt sich komisch an den Clown beim Namen zu nennen, aber es fühlt sich noch dämlicher an auf Dauer ihn nur den Clown zu nennen.

Obwohl Zayn die Tür meines Wissens nicht abgeschlossen hat, bin ich zu schwach, um einen weiteren Fluchtversuch zu starten. Mental und körperlich. Entweder er weiß das, oder er vertraut mir einfach. Ich tippe auf ersteres.

Nachdem ich mich mit Sicherheit gut zehn Minuten mit den Brandlöchern des stark mitgenommen Tisches befasst habe, lasse ich mich in die Lehne fallen, verschränke die Arme vor der Brust und blicke zurück zum Fernseher. Mittlerweile läuft eine Sitcom und das Fernsehpublikum, von dem jeder weiß, dass es nur aufgenommene Reaktionen von Zuschauern sind, lacht bei jeder noch so unlustigen Stelle.

Bevor ich wieder zurück in Gedanken fallen kann, rücke ich zum äußersten Rand der Bank und stütze mich mit wackeligen Armen hoch. Es benötigt einiges an Kraft, um mich endlich erfolgreich hochzudrücken. Kurz schwanke ich und zische leise auf, als die Wunde an meinem Fuß vor Druck wieder schmerzt, doch klammere mich schnell an einem Griff fest. Mit schmerzverzerrten Gesichtszügen humpele ich einige Schritte durch den Wohnwagen und sehe mich nach der nächsten Beschäftigung um, die mich ablenken kann.

Einen kurzen Moment fliegt mein Blick über die zahlreichen Motive an den Wänden, bevor eines der Regale, die an der Decke befestigt sind, meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es steht ein Stück weit offen und ich kann die Ecke eines bemalten Blattes herausragen erkennen.

Mühevoll mache ich mich mit schleppenden Schritten auf den Weg zum Regal und versuche an der Wand darunter Halt zu finden, gleichzeitig stelle ich mich mit zittrigen Beinen auf Zehenspitzen um nach Öffnen der Regaltüre nach den Blättern darin zu greifen. Dabei handelt es sich um mehr Blätter als gedacht und als ich die obersten hinausziehen will, fliegen mir weitere um die Ohren. Fluchtartig trete ich einen Schritt zurück und halte mir die Hände vors Gesicht, während Blätter und sogar einige Stifte auf mich herabfallen.

Als scheinbar sämtlicher Inhalt des Regalfachs sich über mir ergossen hat, wage ich einen vorsichtigen Blick auf den Boden.

Um mich herum liegen kreuz und quer teils weiße, teils bemalte Blätter, einige Blöcke und ein ausgekipptes Federmäppchen, welches jedoch nur wenige Stifte beinhaltet hat. Vorsichtig bücke ich mich und sammle zunächst die wenigen Stifte auf, bei denen es sich um Bleistifte, Kugelschreiber und einen Permanentmarker handelt, nur wenige kurze Buntstifte lassen sich zwischen den Blättern finden.

captured | ✓Where stories live. Discover now