Kapitel 36 | slit open

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ZOES POV

Das Geräusch von Regen, welcher gegen die Scheiben prasselt, durchflutet den Raum. Einen kurzen Moment hat er eine beruhigende Wirkung auf mich, genauso wie die Dunkelheit, die mich umgibt.

Plötzlich leuchtet etwas auf, viel zu grell, und blendet mich so sehr, dass meine Augen brennen und ich sie zusammenkneife und die Hände schützend davor halte. 

Nach einigen Sekunden gewöhnen meine Augen sich mehr und mehr an das Licht und ich öffne sie vorsichtig wieder. Weitere Lichter blitzen auf und blenden mich. Sie scheinen sich zu bewegen, hin und her. Dahinter kann ich vage weitere, dunklere Umrisse wahrnehmen. Der Regen wird immer lauter und unregelmäßiger.

Ein weiteres, noch helleres Licht als die anderen leuchtet auf, diesmal allerdings nicht direkt auf mich gerichtet, sondern anstelle dessen auf eine Bewegung vor mir. Eine rote Silhouette, die sich mir nähert. Mein Kopf schwirrt und meine Augen brennen, doch als ich dieses Mal die Hände schützend davor halten will schaffe ich es nicht, als würde etwas sie zurückhalten.

Langsam gleitet mein Blick meinen Arm hinunter, welcher von mir weggestreckt ist. An dessen Ende schlingt sich ein Riemen um meinen Handknöchel wie eine Schlange, die sich immer enger um ihr Opfer ringt, bis sie es erwürgt. Ich will laut aufstöhnen vor Schmerz, doch nichts kommt heraus.

Mein Körper will wegrennen, doch die Schlangen an meinen Beinen schlingen sich ebenfalls immer enger um meine Fußknöchel. Vor Schmerz winde ich mich, doch das nehmen die Schlangen nur zum Anlass noch fester zuzuschnüren, bis sie mir das Blut abklemmen. Sie zischen leise, dann immer lauter, als würden sie den Regen überschallen wollen.

Wieder versuche ich zu schreien, doch kein einziger Laut verlässt meine Kehle. Stattdessen fühlt es sich an als hätten sie mir die Stimmbänder durchschnitten. Nicht mal Tränen verlassen meine Augenwinkel. Ich fühle mich in meinem eigenen Körper gefangen,  unfähig die Außenwelt zu erreichen, nach Hilfe zu rufen.

Um mich beginnen sich die verschwommenen Umrisse zu drehen, langsam, und der Regen wird wieder lauter.

Nur dass es sich bei dem Geräusch, welches ich für ruhigen Regen gehalten habe, um den Applaus der Zuschauer handelt, welche nun laut jubeln, als die Silhouette wieder ins Scheinwerferlicht tritt, wenige Meter von mir entfernt. Im Licht erkenne ich die Umrisse des scharfen Gegenstandes, welchen sie in der Hand hält. Eine weitere Person tritt ins Licht. Für einen kurzen Moment erkenne ich sein Gesicht und die Menge wird lauter. Sie klatschen im Rhythmus, rufen immer wieder das gleiche Wort.

„LOBSTERBOY! LOBSTERBOY! LOBSTERBOY!"

An den Seiten hängen schlaff seine Arme hinab, welche in hummerartigen Scheren enden. Vorwurfsvoll blicken mich die blauen Augen an. Mit einer gezielten Bewegung setzt das Messer an seinem Hals an und schlitzt ihn auf, und ich will ihm helfen, doch kann nicht, und das Blut fließt aus ihrem heraus, und ich will schreien, doch kann nicht, und er scheint für einen Augenblick alles mitzukriegen und öffnet schmerzverzerrt den Mund, bis sämtliches Leben aus den blauen Augen verschwindet, und ich will die Augen verschließen vor alledem, doch kann nicht, und er sackt nach vorne in seine eigene Blutlache zusammen.

Um mich beginnt sich alles immer schneller zu drehen, der Applaus wird lauter, und das Messer fliegt in meine Richtung, und die Umrisse verschwimmen je schneller ich mich drehe zu ineinanderfließenden, hektischen Lichtern.

...

ZAYNS POV

Halluziniere ich?

Ich muss halluzinieren.

„Zoe?"

Sie reagiert nicht. Ein weiterer Blitz lässt mich ihre Silhouette deutlicher erkennen, ein weiteres Mal durchdringt ein Würgen den Regen, wird aber schnell von einem weiteren Donnern überschallt, der viel zu schnell auf den Blitz folgt, was nichts Gutes heißen kann.

captured | ✓Where stories live. Discover now