Kapitel 21 | family

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Polizeisirenen.

Es handelt sich bei dem Geräusch unverwechselbar um die Sirenen von Polizeiwagen. Und sie scheinen nicht weit weg zu sein, sonst würden wir sie nicht selbst von hier aus hören können.

Sofort treffen sich Zayns und mein Blick und ich kann die Überraschung in seinen Augen ablesen. Bevor ich etwas sagen kann springt Zayn auf und sprintet zur Türe seines Wohnwagens. Sekunden später reagiere auch ich und folge ihm hastig, während er die Türe aufreißt und von Panik ergriffen nach draußen blickt. Immer wieder dreht er den Kopf nach links, rechts, geradeaus, sieht sich von panisch um. Gleichzeitig stelle ich mich hinter ihm auf die Zehenspitzen, versuche an ihm vorbeizusehen, doch er hält mich mit dem Arm zurück.

Plötzlich dreht er sich in einer hektischen Bewegung um und bevor ich realisiere was geschieht befinde ich mich gegen die Wand gepresst wieder, Zayns Arme links und rechts von mir aufgestellt, seinen Atem auf meiner Haut. Er blickt zu mir hinunter und presst zugleich seinen Körper dicht gegen meinen, dass es mir fast den Atem verschlägt. Mit so viel plötzlicher Nähe hätte ich nicht als seine nächste Handlung gerechnet, und angesichts der Situation ist es sogar mehr Nähe, als mir lieb ist.

Die dunklen Augen fixieren mich auf unangenehme Weise, sein warmer, etwas beschleunigter Atem streift meine Wange. Ich muss mich darauf konzentrieren das Atmen nicht zu vergessen.

„Warte hier, nur kurz“, flüstert er und schenkt mir einen flehenden Blick, der mich normalerweise vermutlich weich lassen werden würde. Doch nicht in diesem Fall.

Ich will gerade den Kopf schütteln, als in Sekundenschnelle sein Gesicht sich meinem nähert und ehe ich begreife was passiert legt er seine Lippen auf meine. Mein Verstand ist völlig überrumpelt von den Geschehnissen der letzten Sekunden, seine Lippen küssen mich drängend, doch gleichzeitlich zärtlicher, als ich es erwartet hätte, und schalten damit meinen Verstand endgültig aus. Unwillkürlich erwidere ich den Kuss und er legt seine warmen Hände an meine Wangen, vertieft den Kuss, und alles, woran ich denken kann, sind diese Lippen auf meinen, und sein glühend warmer Körper, der dicht an meinen gepresst ist.  

Zögernd entfernt er sich nach einigen Sekunden wieder von mir und beißt sich auf die Unterlippe, schließt kurz die Augen, beide Hände noch immer auf meinen Wagen liegend.

„Bitte, warte hier kurz auf mich“, wispert er wieder und sieht mich flehend an. Mein Kopf ist viel zu vernebelt, als dass mein Verstand einen vernünftigen Gedanken fassen könnte, und ich nicke geistlos als Antwort. Ehe ich mich versehe legt er seine Lippen ein weiteres Mal auf meine, dieses Mal jedoch deutlich sanfter als zuvor. Es ist nur eine flüchtige Berührung, die jedoch meine Gänsehaut noch weiter verstärkt, und dann lässt er mich los und schließt die Türe des Wohnwagens hinter sich.

Wie betäubt stehe ich noch einige Sekunden an derselben Stelle, rühre mich keinen Zentimeter vom Fleck, erst nach einigen Sekunden hebe ich langsam meine Hand und berühre mit der Fingerspitze meine Lippen, die noch immer nach ihm schmecken.

Die Polizei ist hier, der Lautstärke der Sirenen zu urteilen womöglich sogar direkt vorm Jahrmarktseingang. Was wiederum bedeutet, dass die Polizisten auf dem Jahrmarktsplatz sich aufhalten, was sie dann dienstlich tun.

Sie sind wegen mir hier.

Sie müssen endlich genügend Hinweise beisammen haben, die sie zu diesem Jahrmarkt führen. Zum Clown. Zu mir.

Oh mein Gott. Sie sind hier, um mich zu retten. Das müssen sie einfach. Sie werden mich hier rausholen und mich nach Hause bringen, sie werden den Clown hinter Gittern stecken. Und Zayn.

Zayn. Ich spüre ein Stechen in der Brust bei dem Gedanken, dass sie auch ihn festnehmen werden. Sie werden ihn als Komplizen sehen, ganz unabhängig davon, was er alles für mich getan hat. Auch wenn ich für ihn aussagen würde bin ich mir sicher, dass sie ihn dennoch in Haft stecken werden. Bei dem Gedanken spüre ich, wie mir schlecht wird und meine Lippen zu beben beginnen, doch ich presse sie schnell aufeinander und schließe die Augen. Nein, jetzt muss ich erst einmal an mich denken. Und das bedeutet, dass ich hier heraus muss. Bevor Zayn zurückkommt.

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