Epilog

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Meine ersten Wahrnehmungen, nachdem ich die Augen langsam öffne, sind verschwommene Umrisse, nur Licht scheint mich zu erreichen. Im Hintergrund höre ich ein leises Piepen. Ich blinzele einige Male, doch das grelle Licht blendet mich und ich schließe die Augen stöhnend wieder, nur um sie kurz darauf wieder zu kleinen Schlitzen zu öffnen.

Weiße Raufasertapete schiebt sich in mein Blickfeld, welches ich einige Sekunden regungslos anstarre.

Piep. Piep. Piep.

Langsam drehe ich den Kopf zur Seite, doch spüre die Schmerzen, die diese einfache Bewegung bereits verursachen.

Neben mir befindet sich ein großer Monitor, der mehrere Kurven darstellt, eine davon mein Herzschlag, der in diesem Moment beginnt schneller zu werden. Die unangenehme Verrenkung meines Halses nicht mehr aushaltend, lasse ich meinen Kopf mit einem leisen Stöhnen zurückfallen, nur um auf einen weichen Untergrund zu landen. Als ich mein Kinn auf meine Brust lege erkenne ich, dass mein Körper in einer weißen Decke eingehüllt ist, außerdem trage ich einen Kittel in der gleichen Farbe, doch vielmehr zieht der Schlauch in meiner Hand meine Aufmerksamkeit auf sich, welcher mit einem Pflaster und einem kleinen Verband befestigt ist. Es fühlt sich befremdlich an und am liebsten würde ich ihn mir aus der Hand reißen, doch etwas hindert mich daran.

Mein Blick folgt dem Verlauf des Schlauches und endet schließlich neben dem Bett an einem Infusionsbeutel. Über mir hängt eine dreieckige Stütze, die gewöhnlich über Krankenbetten hängen.

„Zoe?", löst mich eine männliche Stimme aus meinen Gedanken.

Die vertraute Stimme löst in mir einen Sturm von Gefühlen und Erinnerungen aus, und meine Lippen öffnen sich ein Stück weit, doch es kommt kein Ton heraus außer ein heißeres Krächzen, das in meinem Hals kratzt und mich zum Husten bringt.

Aufgeregt beginnt die Stimme wieder zu sprechen, dieses Mal lauter und scheinbar nicht an mich gerichtet. „Mel, Mel-"

Ich versuche meinen Kopf in die Richtung zu bewegen, aus der die Stimme kommt, doch mein Kopf dröhnt zu sehr, und jede noch so kleine Bewegung schmerzt.

„Mel, sie ist wach!"

Verwirrt reibe ich mir die Augen, dabei spüre ich das Ziehen des Schlauches in meiner Hand.

Schritte treten näher an mich heran, bis ich schließlich ein Gesicht in mein Blickfeld der Decke drängt. Ein Paar grüner Augen mustert mich.

„Dad", formen meine Lippen, doch mein Hals ist zu wund als dass mehr aus nur leises Flüstern ihn verlässt.

Er tritt noch einen Schritt näher an mich heran, legt seine großen, warmen Hände auf meinen Arm, und die Wärme überträgt sich gleich auf meinen Körper. Als ich wieder hinabschaue, erkenne ich unter dem Saum des langärmligen Stoff des Kittels blau-gelbe Flecken, die meinen Arm zeichnen.

Das Geräusch einer sich öffnenden Türe dringt durch die Stille, kurz darauf vernehme ich Schritte.

In meinen Kopf hat sich ein Schleier der Verwirrung gelegt, doch gleichzeitig macht sich Erleichterung in mir breit. Meine Lippen verziehen sich zu einem kleinen Lächeln, als auch noch das vertraute Gesicht meiner Mutter in mein Sichtfeld rückt.

„Zoe, du bist wach", lächelt sie und schreitet an die andere Seite des Bettes, wo sie sich zu mir hinunterbeugt und vorsichtig die Arme um mich schlingt. Ihr vertrautes Parfüm dringt in meine Nase und ich atme es tief ein, bevor sie mich wieder loslässt. Noch immer fühlt sich mein Kopf an wie Brei, ein riesiges Durcheinander.

„Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht", murmelt sie und streicht mir über die Wange.

Ich will ihnen sagen, dass sie sich keine Sorgen machen brauchen, dass ich hier bin, bei ihnen. Doch wo ist hier?

Erst langsam rattert es in meinem Kopf und ich begreife, dass wir uns im Zimmer eines Krankenhauses befinden.

„Die Polizei hat wochenlang nach dir gesucht", redet sie weiter, dabei werden die Augen, welche die gleiche Farbe wie die meinen haben, glasig. „Überall haben wir nach dir gesucht- Und als wir das mit Niall dann hörten-"

Eine weitere Person betritt den Raum, doch sie ist außer meiner Sichtweite. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass sie sich auf den Rand des leeren Nachbarbettes zu setzt.

„Mel, beruhige dich. Die Hauptsache ist, dass es ihr gut geht."

„Dass es ihr gut geht? Ihr geht es gar nicht gut, sonst wäre sie nicht hier-"

Bevor sie weitersprechen kann, strecke ich meine Hand nach ihrer aus und streichele ihr sanft über den Handrücken. Sie wischt sich die Tränen weg und lächelt mir aufmunternd zu.

„Ich bin einfach nur froh, dass wir dich wieder bei uns haben", murmelt sie und die Stimme meines Vaters ergänzt, „wir können Ihnen gar nicht genug danken."

Überrascht blicke ich ihn an und erkenne, dass sein Blick jemand anderem gilt. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche trotz der Schmerzen meinen Oberkörper ein wenig aufzurichten, als eine warme, sanfte Stimme mein Trommelfell durchdringt, und trotz der Wärme, der ihr innewohnt, stellen sich sämtliche Härchen meines Körpers sich bei ihrem Klang auf.

„Es gibt keinen Grund sich zu bedanken, das war doch selbstverständlich."

Schlagartig verschwindet das Lächeln aus meinem Gesicht.

„Das war alles andere als selbstverständlich, Mr-"

Das Blut gefriert in meinen Adern und ich drücke die Hand meiner Mutter fester, doch meine Kehle ist wie zugeschnürt, als mein Blick die dunklen Augen trifft.

„Bitte, nennen Sie mich doch Zayn."

captured | ✓Where stories live. Discover now