21. Schmetterling

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Es war stockdunkel.
Ich lag schon so lange hier, dass ich nicht einmal mehr den harten Boden unter mir spürte.

Doch die wachsende Kälte, die grausig langsam unter mein T-Shirt kroch, sprach dafür, dass ich noch unter den Lebenden weilte. Ich bewegte mich nicht, ich schloss meine Augen nicht, ich lag einfach reglos auf dem Boden des Ganges meiner Schule.
Ich hatte keine Ahnung wie spät es war und wünschte mir nur, dass ich in Ohnmacht fallen würde. Würde es mich denn von meinen Leid befreien?

Und so lag ich da, bewegte mich nicht....

Starrte in das schwarze Nichts, als würde ich darauf warten, dass die Lampen wieder funktionieren würden, als würde ich darauf warten, dass mich der Tod holen würde.

War es das denn?

Wollte ich den sterben?

Ein pochender Schmerz hallte wie grelle Glocken in meinen Kopf wieder.

War es das nun?

Meine Mutter war Tod, meine Schwester, ... die reinste Katastrophe und mein Vater...
Der war mir egal.

Würde mich jemand vermissen, wenn ich nicht mehr da wäre?

Würde mich Amber vermissen?

Fragen schwirrten mir wie ein Schwarm Mücken in meinem Kopf herum. Sie lenkten mich von der Dunkelheit ab, die drohte mich zu verschlucken.

Also stellte ich mir vor, wie ich unter die Erde gelassen wurde. Wie ein Pastor mein „sein" verabschiedete, irgendwelche Worte sagte, die in den heulenden Wind untergingen wie ein schwerer Stein, der in einen Teich fallen gelassen wurde.
Ich stellte mir vor, wie Amber vor meinem Grab kniete, als einzige. Ich stellte mir vor, wie sie auf mich herabsah, den Kopf traurig schüttelte.
Wie sie, als Abschied einmal über meinen Grabstein strich und dann mit dreckigen Hosenbeinen aufstand.
Und ich stellte mir schmerzlich vor, wie sie sich umdrehte und ging.
Und mich vergessen würde.

...

Jakes Lächeln blitzte vor meinem inneren Auge auf... Wie er sich daran erfreute, dass ich nun nicht mehr da war. Vielleicht würde er sogleich eine Party schmeißen...
Hatte er mich deswegen vor diesen Jungs „schlecht" gemacht? Wollte er, dass es mit mir so endete?

Wäre es denn ... besser so?

Oh nein, wegen ihm lag ich jetzt hier am Boden in der verdammten Finsternis! Wegen ihm wurde ich von diesen möchte gern BadBoys verprügelt! Wegen ihm musste ich all dies erleiden, nur wegen ihm! Und das, das würde ich ihm auch sagen. Denn er hatte um Himmels willen noch einmal das Recht dazu, zu wissen, was er anrichtete!
Und dann, dann kann ich nur noch hoffen, dass er irgendwann das bekommt, was er verdient hat.

„Hilfe!", schrie ich krächzend in den dunklen Flur. Mit viel Müh' versuchte ich mich hoch zu kämpfen. Ich schrie heiser auf, als ich mein Oberkörper dazu zwang, sich aufzurichten.

Ich spuckte rotes Blut.

Meine Finger zitterten stark, mein ganzer Körper brüllte vor Schmerz.
Ich drückte meine Finger auf meinem Bauch, die Übelkeit verging nicht... Den Kopf legte ich achtsam in den Nacken und atmete tief durch.
Heiße Tränen liefen mir an der Wange entlang, als ich mich vorwärts zog. Es fühlte sich an, als würde ich jedes Körperteil quälen.
Dennoch schob ich mich zu meinen Schließfach. Erschöpft lehnte ich mich an ihn, holte kurz Atem, der unregelmäßig aus meinem Mund schoss.

Ich merkte es erst, das ich weinte, als nasse Tropfen meine Hand befleckten, die, wie Wasser aus dem Hahn, mir über meine Wangen kullerten. Ich schluchzte, wimmerte, hinderte die Tränen nicht daran weiter zu fließen.

Touched /abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt