Chapter 57

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(Bild: Alexander)

Alexander Malfoy P.o.V.:

Mit zitternden Fingern richte ich meine teuerste Abendrobe zurecht, ehe ich meine Ärmel herunterkremple, wie es sich für einen solchen Anlass gehört. Dabei fällt mein Blick auf meinen linken Unterarm, auf dem sich seit Ende Oktober eine schmale, aber lange Narbe befindet. Sie ist inzwischen verblasst, aber bei weitem nicht so sehr, wie sie es wäre, hätte ich Madam Pomfrey ihre Lieblingsnarbenessenz drauftröpfeln lassen. Narben erzählen Geschichten.

Mit einem wütendem Ruck verdecke ich die Narbe mit meinem schwarzen Umhang. An den Ärmeln befestige ich mit fahrigen Bewegungen zwei goldene Manschetten mit dem Familienwappen der Malfoys. Ich überprüfe, ob ich meine beiden schweren Ringe trage und ob meine Frisur sitzt, die meine Mutter fein säuberlich ganz nach ihren Vorstellungen kreiert hat. Meiner Meinung nach, sieht sie aus wie immer, doch das habe ich mir verkniffen zu sagen. Es ist besser so. 

Trotz des Sichtschutzes in Form meines Umhangs schweifen meine Gedanken erneut ab. Die Wochen sind rasch vergangen. An einem Tag liege ich noch im Krankenflügel und lausche Selenas Atemzügen, im nächsten findet das Eröffnungsquidditchspiel zwischen Hufflepuff und Gryffindor statt, das die Löwen haushoch gewannen, und jetzt stehe ich am Abend vor Weihnachten in meinem Zimmer im Anwesen der Malfoys und werde jeden Augenblick von meinem Vater gerufen werden, weil die ersten Gäste zum legendären Reinblüter-Weihnachtsessen eintreffen. 

Meine Eltern haben seit Monaten diesen Abend vorbereitet, haben geplant und organisiert und es hat sich angefühlt, als wäre es noch ewig weit entfernt. Doch letztendlich kam dieser Abend schneller als gedacht. Wie alles, auf das man sich nicht freut. 

"Alexander!", brüllt mein Vater aus dem Salon, was mich erschrocken zusammenzucken lässt. Ich kann das Bild vor mir sehen. Der Scotch, der in seinem Glas schwankt, weil mein Vater vor dem Kamin steht und mit übertrieben lauter Stimme nach mir ruft. Mit dem nächsten Atemzug muss der Scotch wieder gefährlich nah dem Glasrand kommen, denn nun ist auch der Name meines Bruders im gesamten Haus zu hören. 

Seufzend mache ich mich auf zu meiner Zimmertür, während die meines Bruders bereits hastig aufgestoßen wird und ich Lucius Schritte auf der breiten Treppe aus kaltem, widerhallendem Marmor vernehmen kann. Schleimer.

Doch um meinen Vater nicht in Rage zu versetzten, beeile auch ich mich. Im Gegensatz zu den Räumen im oberen Stockwerk ist die Eingangshalle heute so glänzend poliert worden, dass ich jeden Gegenstand im Raum mit Ausnahme des Teppichs als Spiegel benutzen könnte. Aber wenn man bedenkt, wer an diesem Abend alles zu Besucht kommt... Heute ist der Schein alles und die Menschlichkeit nichts. Wie philosophisch, denke ich bitter.

Mit nach hinten gedrückten Schultern und aufrechtem Gang betrete ich den Salon, gerade, als die monströse, alte Wanduhr aus dunklem Holz, die sich seit Anbeginn der Zeit im Familienbesitz befinden muss, 18 Uhr schlägt. Meine Mutter, die nervös im Zimmer hin und her geeilt ist, bleibt bestürzt stehen und scheucht uns dann alle hinaus in die Eingangshalle, um vor der Haustür Stellung zu beziehen.

Die Türen zum Ballsaal sind geöffnet und geben den Blick auf drei gigantische Tafeln frei, die mit unserem besten Gedeck und der teuersten Dekoration geschmückt sind. An den Wänden hängen riesige Banner der verschiedenen Familien, die heute anwesend sein werden und vorne, an der Stelle, auf die alle Tische ausgerichtet sind, ist auf einem Podest ein antikes Rednerpult, das mein Vater extra hat restaurieren lassen. Cremefarbene Kerzen werfen ein fast schon romantisches Licht und leise Musik ertönt aus einem Grammophon auf einem kleinen Tischchen. 

Wir stehen keine zwei Sekunden vor unserer Haustür, da klopft bereits der erste Gast gegen das schwere Holz. Heute ist ausnahmsweise das schmiedeiserne Gartentor offen, damit wir die Gäste in der beheizten Eingangshalle begrüßen können. Immerhin ist es Ende Dezember und der Schnee liegt bis zu den Knien. 

𝐁𝐥𝐚𝐜𝐤 𝐓𝐰𝐢𝐧𝐬 (ʰᵃʳʳʸ ᵖᵒᵗᵗᵉʳ/ʳᵘᵐᵗʳᵉⁱᵇᵉʳ ᶠᶠ)Место, где живут истории. Откройте их для себя