Kapitel 11

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Nur noch eine Stunde bis Schulschluss ist und ich dieses Irrenhaus endlich verlassen kann. Donnerstage sind genauso beschissen wie Montage, Dienstage und alle anderen Tage der Woche, wo man in die Schule gehen muss.

Wobei, wenn ich so drüber nachdenke, sind mittlerweile alle Tage beschissen und der reinste Kampf. Ein Kampf der mich auslaugt und wie eine leere Hülle fühlen lässt.

Meine Eltern haben mich Montagmorgen gezwungen wieder in die Schule zu gehen. Sie meinten, dass ich doch bitte mein Leben richtig leben und jede Minute genießen und ausnutzen sollte und dass dies nicht in meinem übel riechenden Zimmer möglich sei.

Den Kommentar, dass mein Aufenthalt in dieser Institution angeblich dazu beitragen soll mein erbärmliches Leben, oder was noch davon übrig ist, auszunutzen, total unsinnig ist und die Tatsache, dass ich bald tot bin, habe ich mir dann netterweise doch noch verkneifen können.

Ich war an diesem Tag verhältnismäßig kein so großes Arschloch wie in letzter Zeit und ich wollte meine Mutter nicht schon wieder zum weinen bringen.

Maja und Finn sehen das Ganze wohl etwas anders, denn bei beiden ist das Lächeln auf dem Gesicht festgetackert und scheint sich auch nicht mehr zu lösen. Bei so viel Verliebtheit rollen sich beinahe meine Zehennägel hoch.

Ich gönne es den beiden so sehr, aber wenn man andauernd das große Glück der anderen unter die Nase gerieben bekommt und selbst wortwörtlich am sterben ist, kann man sich irgendwie doch nicht so freuen, wie man es eigentlich sollte.

Wir stehen wie immer in den Pausen vor meinem Spind, jedoch stecken Maja und Finn sich diesmal gegenseitig die Zungen in den Hals. Eigentlich hatte ich nicht vor nochmal auf den Schulflur zu kotzen, aber wenn das so weiter geht, wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben.

Plötzlich ist der hässliche graue Boden super interessant und mir kommt die Frage in den Kopf, wie oft ich mir das wohl noch ansehen muss, bevor ich nur noch die Decke meines Sargs zu sehen bekomme.

Sind es noch Tage? Monate oder vielleicht sogar Jahre? Vielleicht aber auch nur noch Sekunden oder Minuten?

„Erde an Kate Mayer! Befindest du dich noch auf dieser Erde oder mal wieder in deiner eigenen Galaxie?"

Finn schaut mich abwartend an und grinst dabei frech. Ich muss zugeben, dass ich öfters am Tagträumen bin, was aber auch einfach daran liegt, dass es in meiner eigenen Welt viel besser als in der Realität ist. Außerdem bin ich dort gesund, was auch ein ziemlicher Vorteil ist.

„Hey, ihr lebt ja noch! Ich dachte kurzzeitig, dass ihr an der Zunge des anderen erstickt!"

Ich setze eine euphorische Miene auf und meine Stimmlage ist genauso überschwänglich wie meine Mimik und Gestik. Majas Wangen nehmen fast den selben Rotton ihrer Haare an und Finn fährt sich verlegen durchs Haar. Ha, damit hättet ihr wohl nicht gerechnet, was?

„So Leute, ich muss mich jetzt auf den Weg zu Bio machen, wenn ich da nochmal zu spät komme darf ich nachsitzen. Ihr könnt dann wieder weitermachen, man sieht sich!"

Ich drehe mich um und winke dem Pärchen zum Abschied.

Bio geht glücklicherweise sehr viel schneller rum als sonst, da unsere Lehrerin so gütig war uns einen Film schauen zu lassen.

Ich packe mein ganzes Zeug zusammen und mache mich direkt auf den Weg nach Hause.

Die Luft ist sehr kühl und ich bin froh, dass ich mir doch diesen Schal, den Oma mir mal geschenkt hat, mitgenommen habe. Das Laub knistert unter meinen Schuhen und meine langen Haare führen einen Tanz im Herbstwind auf. Ich sehe bestimmt aus wie Rudolph the rednosed reindeer.

Für den Augenblick Место, где живут истории. Откройте их для себя