Kapitel 22

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Colin starrt mich mit großen Augen an. Erst dann bildet sich langsam ein Grinsen in seinem Gesicht und er kommt auf mich zu, bis er ebenfalls in der Kabine steht.

„Verdammt Vi", sagt er und pfeift, während sein Blick über meinen Oberkörper wandert, der nur von dem roten BH verdeckt ist.

Ich grinse zurück und drehe mich einmal im Kreis. „Was meinst du? Soll ich den kaufen?"

„Und wie du das sollst. Der steht dir ausgezeichnet", antwortet er, während er noch einen Schritt auf mich zumacht. Er hebt seine Hand und fährt langsam den Träger über meiner Schulter nach. Ich zucke bei seiner Berührung kaum merklich zusammen.

„Was wird das?", frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen und versuche dabei meine Stimme unter Kontrolle zu haben, was gar nicht mal so einfach ist. Colins kalte Hand auf meiner Haut lenkt mich zu sehr ab.

„Ich genieße nur den Moment", raunt er und sieht mir nun in die Augen und verdammt, seine hellblauen Augen sind wirklich faszinierend.

Colin beugt sich ein Stück zu mir herunter. „Du weißt gar nicht, wie sexy du gerade aussiehst", flüstert er schon fast.

Plötzlich ertönt ein Räuspern hinter uns. Erschrocken weiche ich zurück und starre in das Gesicht einer älteren Verkäuferin, die uns angewidert ansieht. „Also wirklich. Sie sollten sich schämen! Das hier ist ein Kaufhaus und nicht Ihr Hotelzimmer", sagt sie kopfschüttelnd.

„Seien Sie nicht so eine Spießerin. Sie waren doch auch einmal jung", antwortet Colin gelassen.

„Die Jugend von heute", murmelt sie fluchend und lässt uns wieder allein. Ich lache auf. Was für eine Spaßbremse.

„Die ist ganz bestimmt untervögelt", meint Colin und sieht mich wieder an.

„Okay, raus hier. Ich muss mich wieder umziehen", sage ich und schiebe den protestierenden Colin nach draußen.

Nachdem ich meine eigene Kleidung wieder anhabe, verlasse ich die Umkleidekabine und sehe mich eine Weile im Geschäft um, bis ich endlich ein passendes T-Shirt für Colin gefunden habe. Triumphierend betrachte ich es. Dazu brauch ich nicht einmal eine peinliche Hose. Das T-Shirt reicht vollkommen.

Ohne es vorher Colin zu zeigen bezahle ich das T-Shirt und den BH und verlasse mit Colin dann das Geschäft.

„Was hast du für mich gefunden?", will er wissen und sieht mich skeptisch an.

„Wirst du schon sehen", antworte ich grinsend. „Aber jetzt komm. Du willst doch nicht schon beim ersten Essen zu spät auftauchen, oder?"

Bei mir zu Hause angekommen führe ich Colin zuerst einmal in mein Zimmer. Es ist zwar nicht gerade ordentlich hier, doch das stört mich nicht wirklich. Colin spaziert durchs Zimmer und sieht sich alles genauestens an. Dann lässt er sich auf mein Bett fallen. „Echt bequem hier. Ich denke, ich sollte öfters in diesem Bett liegen."

„Ja, ich würde mich wirklich sehr darüber freuen", meine ich sarkastisch.

„Das weiß ich doch, Schnucki."

„Aber glaub mir, nach heute Abend wirst du dieses Haus nicht mehr betreten wollen", sage ich lachend und werfe ihm im selben Moment sein T-Shirt für heute Abend zu.

Zweifelnd faltet er den pinken Stoff auseinander. Als er die Vorderseite endlich sieht, steht sein Mund weit offen.

„Bist du dir ganz sicher, dass ich das anziehen soll?", fragt er nach, als ob ich tatsächlich nein sagen würde. Da hat er sich gewaltig getäuscht.

„Ja."

„Wenn du es unbedingt willst", sagt er dann und steht auf. Ohne zu zögern zieht er sich sein T-Shirt aus und ich kann nicht anders, als auf seinen nackten Oberkörper zu starren. Ist zwar nicht das erste Mal, dass ich ihn so sehe, aber trotzdem bin ich durchaus begeistert von seinen Muskeln.

„Sag mal, was trainierst du eigentlich", will ich wissen, während ich ihn weiter betrachte.

„Unauffällig starren ist wohl nicht so deine Stärke", sagt er belustigt.

„Genauso, wie es nicht deine ist. Und wer hat gesagt, dass ich unauffällig sein will?"

Colin lacht kopfschüttelnd. „Du bist echt ein einzigartiges Mädchen."

„Danke."

„Ich gehe ins Fitnessstudio. Da mach ich alles Mögliche", beantwortet er mir meine Frage nun. „Soll ich mir nun das T-Shirt anziehen, oder willst du mich weiterhin vergöttern?"

„Dich zu vergöttern währe eine Beleidigung für jede Religion."

Colin lacht und zieht sich dann das pinke T-Shirt an. Ich grinse triumphierend. „Meine Eltern werden dich lieben." Diese Aufschrift ist einfach zu perfekt. Ich bin zwar nicht Arielle, aber bestehe trotzdem zur Hälfte aus Schwanz, steht in fetten, schwarzen Buchstaben darauf geschrieben. Daneben befindet sich eine kleine Abbildung von Arielle. Mal sehen, wie amüsant mein Vater das finden wird.

„Vergiss nicht, dir den BH anzuziehen", erinnert mich Colin und lenkt somit von seinem T-Shirt ab. In meinem Kleiderschrank suche ich nach einem passenden Oberteil. Schließlich werde ich fündig und verschwinde mit meinen Sachen ins Badezimmer. Ich ziehe mir den neu erkauften BH an und das enganliegende, schwarze Top darüber, wobei die roten Träger des BHs gut zu erkennen sind. Zufrieden gehe ich zurück in mein Zimmer.

„Also, wollen wir nach unten gehen?", frage ich Colin, der mich kurz mustert. Dann steht er von meinem Bett auf. Er zögert noch einen Moment, doch schließlich verlassen wir mein Zimmer, um uns zu meinen Eltern zu gesellen.

Blöderweise ist mir da eine Kleinigkeit entgangen. Nämlich, dass heute Freitag ist. Ryan ist also auch hier, wie ich genervt und auch etwas entsetzt feststellen muss, als wir die Küche betreten. Darauf war ich eindeutig nicht vorbereitet und Colin ebenfalls nicht, wie es scheint, denn er wirft mir kurz einen hilfesuchenden Blick zu, doch dann fängt er sich wieder und setzt sein selbstsicheres Grinsen auf.

„Hallo Bruderherz", sage ich und Ryan schaut von seinem Handy auf.

„Hey", begrüßt er mich. Dann wandert sein Blick verwirrt zu Colin. „Was machst du denn hier?"

„Ich bin zum Essen eingeladen", antwortet dieser, als wäre es das Selbstverständlichste auf dieser Welt. Was es vermutlich auch wäre, wenn er wirklich mein Freund wäre.

„Ich erkläre es dir später", sage ich zu Ryan, da ich jetzt keine Lust darauf habe. Außerdem kommt im selben Moment Mom hereinspaziert.

„Ahh. Da seid ihr ja. Das Essen ist jeden Moment fertig. Setzt euch doch schonmal", fordert sie uns auf und so nehmen wir am Esstisch Platz. Meine Mum hat Colins T-Shirt noch nicht wahrgenommen, dafür aber Ryan, denn er grinst Colin belustigt an. „Nettes T-Shirt. So eines brauch ich auch."

„Danke. Du kannst es gerne haben", antwortet er.

„Vivien, wie hast du ihn dazu gebracht, so etwas zu tragen?", fragt Ryan mich nun.

„Wer hat gesagt, dass ich etwas damit zu tun habe?", beschwere ich mich, auch wenn Ryan völlig recht hat.

„Ich kenne dich nun lange genug", sagt mein Bruder wissend.

Bevor ich etwas erwidern kann, kommt meine Mum und stellt das Essen auf den Tisch. Neugierig kontrolliere ich die Inhalte der Töpfe und stelle zufrieden fest, dass sie wirklich Spinat gekocht hat. Colin ahnt noch nichts von seinem Übel. Das wird sich gleich ändern.

„Wo ist denn Dad?", frage ich nach. Er hat sich noch nicht blicken lassen.

„Der sollte gleich hier sein", antwortet meine Mum. „Wir können uns in der Zwischenzeit das Essen rausfassen."

„Was gibt es überhaupt?", will Ryan wissen und legt sein Handy endlich beiseite.

„Oh, ich habe Spinat gekocht. Ich hoffe, es schmeckt dir, Colin. Vivien hat mir erzählt, wie gerne du Spinat isst", antwortet sie und ich betrachte Colins Reaktion ganz genau. Seine Augen weiten sich kurz entsetzt, doch er reißt sich schnell zusammen.

„Das stimmt. Es schmeckt bestimmt köstlich", sagt er und zwingt sich zu einem Lächeln. Das verschwindet jedoch sofort wieder, als sein Blick zu mir wandert. Ich bin mir sicher, er würde mir gerade am liebsten den Hals umdrehen.

„Ich bin eben ein aufmerksamer Mensch", sage ich und zwinkere Colin zu. Ich denke, ich werde den morgigen Tag nicht mehr erleben. 

Beziehung für eine NachtWhere stories live. Discover now