Kapitel 19

99 11 11
                                    

Am nächsten Morgen stehe ich so motiviert auf, wie schon lange nicht mehr. Der Grund dafür ist wohl, dass ich mich wirklich darauf freue, Gloria zu zeigen, wo es lang geht. Nämlich nicht Richtung Colin.

„Deine gute Laune macht mir Angst", sagt Lilly im Bus, nachdem ich sie überschwänglich begrüßt habe.

„Keine Sorge, ich habe niemanden umgebracht", antworte ich grinsend.

„Hast du unabsichtlich irgendwelche Drogen genommen?", hakt sie weiter nach und sieht mich skeptisch an.

„Sehr lustig", meine ich augenverdrehend. „Darf ich nicht einmal gut gelaunt sein, ohne schief angesehen zu werden?"

„Weiß nicht. Das passt irgendwie nicht zu dir. Zumindest nicht um so eine früher Uhrzeit. Also, was ist los? Hat ein super heißer Typ bei dir übernachtet, der noch dazu Millionär ist, oder was?"

„Nein, das wäre auch zu schön gewesen", antworte ich seufzend.

„Oh, jetzt weiß ich was los ist. Colin war ja gestern bei dir. Ist er so gut im Bett?", ärgert sie mich.

„Wow, seit wann so anzüglich? Das ist ja eine ganz neue Seite von dir. Hast du das von Nathan?"

Augenblicklich verfärbt sich ihr Kopf rot und sie wendet ihren Blick ab. „Er hat mich endlich nach einem zweiten Date gefragt", murmelt sie so leise, sodass ich sie kaum verstehe.

Meine Augen weiten sich erfreut. „Und das erzählst du mir erst jetzt? Wann?"

„Morgen", antwortet sie, doch ich merke, dass irgendwas nicht stimmt. Wieso macht sie vor Freude keine Luftsprünge?

„Okay, was ist los?", will ich also wissen.

Lilly zögert. Dann verfärbt sich ihr Kopf noch rötlicher, falls das überhaupt möglich ist. „Ich bin... Ich bin so unsicher."

„Unsicher?" Ich kann nicht fassen, was ich hier gerade höre. Sie schwärmt seit Jahren für ihn und jetzt ist sie unsicher? „Warum? Du warst doch so begeistert von eurem ersten Date. Ist es doch nicht so gut gelaufen?"

„Nicht in dieser Hinsicht. Er ist wirklich toll, aber, was ist, wenn...", Sie beendet den Satz nicht und ich sehe sie nur verständnislos an.

„Du weißt schon", quiekt sie jetzt schon fast. „Was, wenn er schon weitergehen will? Ich bin noch nicht bereit dafür."

Plötzlich geht mir ein Licht auf. Darum geht es ihr also. Ich muss mich wirklich zusammenreißen, um nicht darüber zu Lachen. Das wäre jetzt wohl nicht so angebracht, auch wenn ich ihre Zurückhaltung einfach zu niedlich finde.

„Hey, ihr habt euch doch letztens noch nicht mal geküsst. Er will dich bestimmt zu nichts drängen. Und falls ihr doch in einer Knutscherei endet, sag einfach, dass du deine Tage hast."

„Das kann ich doch nicht machen. Jungs finden das doch ekelhaft", erwidert sie empört. „Dann will er nie wieder etwas mit mir zu tun haben."

„Er wird sich daran gewöhnen müssen", sage ich lachend. „Aber wie gesagt, so wie ich Nathan bis jetzt einschätze, wird er dich verstehen, wenn du es noch nicht willst. Du musst bloß mit ihm in Ruhe darüber reden."

„Meinst du?", fragt sie nach, doch sie klingt jetzt wieder etwas sicherer.

„Klar", bestätige ich ihr.

„Wie...", sie zögert erneut. „Du hast mir nie wirklich erzählt, wie das für dich war", gibt sie schüchtern von sich. Es ist ihr wirklich unangenehm, darüber zu reden.

Ich lächle sie aufmunternd an. „Ich kann dir gerne über das erste Mal berichten, aber das ist eindeutig kein Thema für einen öffentlichen Schulbus. Die kleinen Kinder wirken schon ganz verstört", sage ich und werfe den jüngeren Schülern einen bösen Blick zu, die mich entgeistert anstarren. Peinlich berührt drehen sie ihre Köpfe wieder in andere Richtungen.

„Ich kann ja heute Nachmittag zu dir kommen", schlage ich vor. „Dann ist es Zeit für eine kleine Geschichtsstunde", sage ich grinsend. Das wars also mit der lieben, unschuldigen Lilly.

„Okay", stimmt sie leise zu.

Dann sind wir auch schon bei der Schule angekommen. Auch wenn sich die ersten paar Stunden wie ein ekelhaft warmer Kaugummi in die Länge ziehen, kündigt die Schulklingel irgendwann die Mittagspause an.

Ich lasse mir extra viel Zeit, damit Gloria und Colin hoffentlich vor mir in der Cafeteria sind. Es wird Zeit, meinen Plan durchzuführen. Gut, so einfallsreich ist der Plan nicht und der Hauptteil besteht aus Improvisation, aber es ist immerhin ein Plan.

In dem großen Raum angekommen wandert mein Blick sofort zum Stammplatz von Colin und seinen zwei Anhängern und tatsächlich erkenne ich die drei und eine Gloria, die sich gerade auf sie zu bewegt und sich wieder mal neben Colin setzt, der bei ihrem Anblick das Gesicht verzieht.

Ich grinse und spaziere selbstsicher auf die Gruppe zu. Colin entdeckt mich und wirft mir einen flehenden Blick zu. Unauffällig zwinkere ich ihm zu.

„Sorry, darf ich?", sage ich, schiebe Colin und Gloria auseinander und nehme zwischen ihnen Platz.

„Spinnst du, was soll das?", beschwert sich Gloria sofort und schaut mich vernichtend an. Ich lächle sie nur zuckersüß an und drehe mich schließlich zu Colin. Er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ich wollte dir nur sagen, dass sich meine Mum gestern wahnsinnig darüber gefreut hat, dich endlich kennenzulernen. Ich soll dir ausrichten, dass du zum Abendessen eingeladen bist", sage ich so laut, dass Gloria ja alles mitanhören kann. Zu gerne würde ich ihren Gesichtsausdruck sehen, doch mein Blick bleibt weiterhin auf Colin gerichtet, der mich nun breit anlächelt.

„Und wenn du schon mal bei mir bist, könntest du ja auch gleich bei mir übernachten", sage ich nun mit verführerischer Stimme und fahre mit meinen Fingerspitzen über seinen Arm.

Colins belustigter Ausdruck ist kaum zu übersehen, doch er spielt brav mit.

„Dieses verlockende Angebot kann ich wohl kaum abschlagen", raunt er. Seine Augen ziehen mich in seinen Bann und wir liefern uns so lange ein Blickduell, bis sich neben uns jemand räuspert.

„Okay, hab ich was verpasst, oder was geht hier grad ab?", ertönt Aidens Stimme. Erst dann löse ich mich von Colins strahlend blauen Augen und sehe mich in der Runde um. Aiden und Chris werfen sich immer wieder verwirrte Blicke zu, während Gloria mich anstarrt, als wäre ich ihre nächste Mahlzeit, die sie brutal verzerren wird. Dieser Blick verleiht mir eine unglaubliche Genugtuung.

„Colin?" zischt sie. „Willst du mir mal erklären, was das soll?"

Bevor Colin ihr Antworten kann, rede ich dazwischen. „Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein, Süße. Colin und ich wollen nur etwas Spaß gemeinsam haben, nichts weiter."

Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie zu Colin. „Was soll die Scheiße, Colin?"

„Ich weiß nicht, was du meinst", gibt dieser schulterzuckend von sich.

„Du vögelst sie? Ich kann es nicht fassen. Wie kannst du mich so hintergehen?", schreit sie nun durch die ganze Cafeteria, sodass viele Schüler sich zu uns umdrehen und ganz fasziniert beobachten, was hier gerade passiert.

„Ganz ruhig, Kleine. Deine Stimme bereitet mir Kopfschmerzen", sage ich und massiere mir die Schläfen. Ihre schrille Stimme ist einfach unerträglich.

„Ich hintergehe dich überhaupt nicht. Du bist nicht mehr meine Freundin, falls dir das nicht aufgefallen sein sollte", antwortet Colin gleichgültig. „Außerdem macht mir der Sex mit Vivien unheimlich viel Spaß. Sie ist wirklich gut", sagt er und zwinkert mir zu. Wenn er den imaginären Sex mit mir schon so gut findet, will ich mir gar nicht vorstellen, wie er in der Realität reagieren würde.

„Du bist so ein Arschloch, Colin", sagt sie, während eine Träne ihre Wange hinunterrinnt. Ups. Jetzt tut es mir fast leid, dieses Biest so aufgewühlt zu haben. Ohne ein weiteres Wort packt Gloria ihre Sachen und stürmt aus der Cafeteria. Kopfschüttelnd schaue ich ihr hinterher.

„Hey Schnucki", sagt Colin nach einem Moment der Stille. „War die Einladung ernst gemeint?"

„Nur der Teil mit dem Abendessen."

Beziehung für eine Nachtحيث تعيش القصص. اكتشف الآن