Kapitel 15

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Wer ist dieses Mädchen?

Diese Frage schwirrt ständig in meinem Kopf herum, und ich weiß nicht, warum mich das eigentlich so brennend interessiert. Sonst sind mir andere Menschen doch auch egal.

Kurz bevor die Psychologiestunde anfängt, kommt Colin gemütlich hereinspaziert und lässt sich neben mir auf den Sessel fallen. Ob ich ihn wohl nach dem Mädchen fragen soll? Nein, lieber nicht. Diese Genugtuung vergönne ich ihm nicht, sonst könnte er noch glauben, dass ich eifersüchtig bin und das ist ganz bestimmt nicht der Fall. Ich bin einfach neugierig, das ist alles.

„Ist irgendwas?", fragt Colin grinsend und erst jetzt fällt mir auf, dass ich ihn schon die ganze Zeit anstarre. Ups.

„Nein", erwidere ich, doch ich löse meinen Blick nicht von ihm. Ist er mit dem Mädchen verwandt? Vermutlich nicht. Immerhin hätte sie mir am liebsten mein Gesicht zerkratzt, als Colin und ich uns unterhalten haben. Es ist wohl offensichtlich, dass sie was von ihm will. Aber sie kennen sich eindeutig schon länger. Eine Kindheitsfreundin? Oder einfach nur ein Bekannte? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort habe.

„Ich weiß, dass ich heiß bin, aber schon langsam machst du mir Angst", sagt Colin stirnrunzelnd. Seine hellblauen Augen mustern mich intensiv.

Wie aus einer Trance erwacht blinzle ich einige Male und richte meine Aufmerksamkeit dann wieder nach vorne. Im selben Moment betritt Mr. Nolan den Raum und die Klasse verstummt.

„Ich habe eure Wiederholungen verbessert. Einige von euch sollten sich wirklich mehr anstrengen, wenn sie das Schuljahr überstehen wollen. Das war immerhin erst der Anfang", ertönt seine strenge Stimme. Unmittelbar werde ich nervös und hoffe doch, dass ich nicht allzu schlecht abgeschnitten habe. Immerhin ist es das Fach, in dem ich mich am meisten bemühen will.

Langsam, als würde er uns extra quälen wollen, spaziert er durch die Reihen und teilt die Wiederholungen aus. Bei meinem Platz angekommen lässt er den Zettel auf den Tisch fallen und ich greife sofort danach. Ängstlich drehe ich den Zettel um und hätte fast vor Freude aufgeschrien, als ich erkenne, dass mir nur wenige Punkte fehlen und ich somit ziemlich gut abgeschnitten habe, obwohl ich überhaupt nicht darauf vorbereitet war.

Ich wage einen Blick auf Colins Zettel und kann das Lachen nicht zurückhalten.

„Hast du ernsthaft weniger Punkte, als ich? Ich bin Colin und ich bin ja so intelligent", mache ich mich über ihn lustig. Colin verzieht verärgert das Gesicht. Das wäre mich wirklich unangenehm, wenn ich er wäre.

„Ruhe da hinten!", brüllt Mr. Nolan, doch die Situation ist einfach zu lustig.

Ich habe mir den Stoff sechs Mal durchgelesen", äffe ich ihn weiter nach und beginne wieder zu Lachen.

„Vivien, nachsitzen!", höre ich die Stimme meines Lehrers. Sofort werde ich still und schaue ihn mit großen Augen an. Muss ich deswegen ernsthaft nachsitzen?

Nun ist es ein Colin, der sich das Lachen nicht verkneifen kann. Immerhin ist er so vernünftig und macht es leise, doch selbst das entgeht Mr. Nolan nicht.

„Da sich dein Sitznachbar so köstlich darüber amüsiert, kann er sich dir gleich anschließen", sagt er. Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Diese ganze Situation ist plötzlich so bizarr, dass ich einfach nur hier sitze und Mr. Nolan anstarre.

Hat er mir das gerade wirklich angetan? Mit Colin extra länger in der Schule eingesperrt zu sein, zählt nicht gerade zu meinen Lieblingshobbies.

Mr. Nolan scheint zufrieden zu sein, da wir beide nun endlich die Klappe halten. Dann beginnt er mit dem Unterricht.

Als endlich das erlösende Geräusch der Klingel ertönt, springe ich auf und eile in die Cafeteria. Lilly sitzt bereits auf unserem Platz also hole ich mir schnell mein Mittagessen und begebe mich dann zu meiner besten Freundin.

Beziehung für eine NachtOù les histoires vivent. Découvrez maintenant