Kapitel 13

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„Das könnte ja interessant werden", sagt Lilly belustigt. Oh ja, das denke ich auch. Colin hat wirklich vor, uns mit seiner Anwesenheit zu beehren und da Finn auch hier ist, kann ich meinen Plan von gestern Abend gleich in die Tat umsetzen.

„Ich habe wirklich keine Lust darauf, Colin und meine Schwester beim herumturteln zu beobachten", gibt mein ach so geliebter Bruder genervt von sich.

„Ich wollte auch nicht, dass du mitkommst und hier bist du nun. Man kann nicht alles im Leben haben, Brüderchen", antworte ich und setze ein falsches Lächeln auf. Ich werde zwar bestimmt nicht mit dem Idioten herumturteln, wie mein Bruder es so schön nennt, aber ein bisschen quälen darf ich ihn ja wohl.

„Sei doch keine Spaßbremse und lass den beiden ihren Spaß", meint Finn und zwinkert mir zu, was mich zum Lachen bringt.

„Genau. Und jetzt kommt. Gehen wir ins Wasser", sage ich nun voller Vorfreude. Ryan murmelt noch irgendwas Unverständliches, doch dann stehen er und Finn auf und gemeinsam gehen wir zum Becken. Ich mache einige Schritte ins Wasser hinein, bis es tief genug ist, um mich hineinfallen lassen zu können. Glücklich tauche ich einige Male unter und genieße das Gefühl zu schweben. Wie ich es liebe. Vielleicht sollte ich öfters in ein Hallenbad schwimmen gehen. Dann würde ich wenigstens etwas Sport machen und noch dazu einer, der mir gefällt.

Lilly und ich tauchen um die Wette und albern eine Weile herum, bis mich Lilly auf Finn aufmerksam macht, der gerade aus dem Wasser geht, um eine ganz bestimmte Person zu begrüßen, die sich suchend umschaut.

„Bin gleich wieder da", gebe ich Lilly bescheid und lasse sie mit Ryan allein.

Kurz bevor ich bei den Brüdern angekommen bin, hat Colin mich bemerkt. Er ignoriert Finn nun vollkommen und checkt mich von oben bis unten ab.

„Mach doch gleich ein Foto", sage ich sarkastisch und verdrehe die Augen. Colin sieht mich einen weiteren Augenblick an, dann schleicht sich ein Grinsen auf sein Gesicht, während er in seinem Rucksack herumwühlt und schließlich sein Handy in der Hand hält. Bevor ich realisiere, was er vorhat, hat er auch schon ein Foto von mir geschossen.

Sprachlos schaue ich ihn an. Hat er das gerade wirklich gemacht?

„Danke für das Angebot. Jetzt habe ich einen schönen neuen Hintergrund", sagt er mit einem siegessicheren Lächeln.

Finn versucht sein Grinsen zu verbergen, doch es gelingt ihm nicht.

„Weißt du was? Da fällt mir doch glatt ein, dass ich auch einen neuen sexy Hintergrund brauche", überlege ich laut und hole mein Handy ebenfalls aus meiner Tasche.

„Für dich doch immer, Schnucki", meint Colin und wartet darauf, dass ich ihn ebenfalls fotografiere. Doch anstatt ein Foto von ihm zu machen, drehe ich mich zu Finn um drücke ab. „Das gibt einen tollen Hintergrund ab", sage ich, während ich Colin süß anlächle. Allein sein verdatterter Blick war es wert, dass er hier aufgetaucht ist. Ich muss mich zurückhalten, um nicht laut loszulachen.

„Na gut, ich gehe dann mal wieder zu Ryan", höre ich Finn lachend sagen, doch ich beachte ihn gar nicht. Stattdessen schaue ich Colin weiterhin an und genieße meinen Triumph. Seine hellblauen Augen funkeln mich bedrohlich an, aber ich lasse mich davon nicht einschüchtern.

Ein kommt einen Schritt näher. Plötzlich streckt er einen Arm aus und spielt mit einer Haarsträhne, die mir über die Schulter nach vorne gefallen ist. Auch wenn ich es mir nicht anmerken lasse, aber diese Geste überrascht mich.

„Du musst mir nichts vorspielen. Ich weiß doch, dass du mich heißer findest, als meinen Bruder", raunt er.

Ja. „Ach, ich weiß auch nicht. Finn ist wirklich ein Prachtstück. Hat er denn eine Freundin?", frage ich interessiert nach. „Das wäre wirklich zu schade."

Als er meine Haarsträhne wieder loslässt, streifen seine Finger über meine Schulter. Ein seltsames Kribbeln breitet sich auf meiner Haut auf, das ich so gut es geht ignoriere.

„Ich weiß, was du vorhast, Schätzchen, aber das wird nichts", sagt Colin amüsiert.

„Achja? Was habe ich denn vor?", frage ich provokant, obwohl ich genau weiß, was er meint.

„Du kannst mich nicht mit Finn eifersüchtig machen und weißt du auch, warum nicht?"

Irgendwas läuft hier bei meinem Plan gewaltig schief. Colin sollte nicht so ein selbstsicheres Grinsen im Gesicht haben. Ich bin heute eindeutig nicht in Form.

Bevor ich etwas erwidern kann, redet er weiter. „Mein Bruder steht nicht so auf Frauen."

Es dauert einige Sekunden, bis ich realisiert habe, was seine Wörter bedeuten. Finn ist schwul? Meine Augen weiten sich verwundert. Das ist doch ein schlechter Scherz, oder? Nicht dass ich etwas gegen Homosexualität habe, auf keinen Fall, aber das wirft meinen kompletten Plan über den Haufen. Kein Wunder, dass Colin so unbeeindruckt war. Wer wird auch eifersüchtig, wenn man sich an seinen schwulen Bruder ranmacht? Wieso hat mich keiner vorgewarnt? Oder weiß Ryan es nicht? Wahrscheinlich nicht. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Colin sieht mich noch einen weiteren Moment an, dann wirft er den Kopf in den Nacken und beginnt heftig zu lachen.

Das ging ja mal mächtig in die Hose.

„Ach Vivien. Du musst dir schon was besseres einfallen lassen", sagt Colin, nachdem er sich beruhigt hat.

Innerlich schnaube ich verärgert, aber ich darf mir meine Schwäche nicht anmerken lassen. Einfach weiterspielen. Du schaffst das, Vivien. Auch wenn mich diese unerwartete Wendung wirklich aus dem Konzept gebracht hat.

„Sogar Schwule finde ich eben interessanter, als dich. Sei deswegen doch nicht beleidigt." Ich tätschle Colin die Wange.

„Na dann. Ich wünsch dir viel Glück dabei, einen Schwulen aufzureißen", meint er belustigt.

Das wäre doch mal eine Herausforderung. Ob ich das wohl hinbekommen würde? Mit ein bisschen Alkohol vielleicht? Okay, vermutlich nicht. Ich denke nicht, dass Jungs weniger schwul werden, nur weil sie betrunken sind, oder? Ich meine, werde ich weniger hetero? Gut, eigentlich würde ich es mir schon zutrauen, im betrunkenen Zustand etwas mit einem Mädchen anzufangen.

„Wow, dass ich das noch miterlebe, dich einmal sprachlos zu sehen", sagt er, nachdem ich nichts erwidere.

„Ich bin nicht sprachlos. Ich habe nur gerade darüber nachgedacht, wie es wäre, mit einem Mädchen rumzumachen", erkläre ich und beobachte Colin, der zuerst erstaunt dreinblickt und mich danach angrinst. „Also dagegen hätte ich nichts einzuwenden."

„Als ob du Idiot dabei zusehen dürftest", sage ich amüsiert.

Colin lacht, nimmt sein Handy erneut in seine Hand und tippt irgendwas darauf herum. „Das ist schon der dritte Shot. Ich wäre vorsichtig, mit dem, was du sagst."

„Du denkst doch nicht ernsthaft, dass ich mich mit dir wegen deinem dummen Trinkspiel betrinken werde, oder?", frage ich ihn skeptisch.

„Wieso? Hast du Angst, dass du mir betrunken nicht mehr widerstehen kannst?" Er grinst selbstfällig. Kann er mal mit dem dämlichen Grinsen aufhören?

„So viel Alkohol kann ich gar nicht konsumieren, dass ich mit dir was haben würde. Als ob ich betrunken nicht wüsste, was für ein Idiot du bist."

„Shot Nummer vier", bemerkt er. „Dann beweis es mir doch. Beweis mir, dass du mich trotzdem abweisen kannst."

„Ich habe dir gar nichts zu beweisen", sage ich und verschränke die Arme vor der Brust. Colins Blick wandert kurz an mir runter, bevor er mir wieder grinsend in die Augen sieht. „Wenn du mir nicht glaubst, ist das dein Problem", füge ich hinzu.

„Komm schon Schnucki. Nächste Woche auf Aidens Party", versucht er mich weiter zu überreden. Wieso wird hier in der Gegend eigentlich jede Woche eine Party geschmissen? Haben die keine Eltern, die das verbieten? Meine würden das in hundert Jahren nicht erlauben.

„Vergiss es", antworte ich bestimmt und doch erwische ich mich dabei, wie ich darüber nachdenke. Habe ich nicht beschlossen, erstmal die Finger von Colin und Partys gleichzeitig zu lassen?

Beziehung für eine NachtWhere stories live. Discover now