Kapitel 4

124 13 9
                                    

Wo zum Teufel ist dieser verdammte Mittelfinger? Ich suche schon eine ganze Zeit danach, aber wie soll man bei all diesen WhatsApp Emoticons noch irgendwie einen Überblick bewahren?

„HA", schreie ich auf, als ich endlich fündig geworden bin.

Sofort sende ich den Mittelfinger an Colin. Er kann immerhin froh sein, dass ich ihn nicht ignoriert habe. Ich habe zwar mit den Gedanken gespielt, ihn sofort zu blockieren, bin dann aber doch zu dem Entschluss gekommen, dass es mehr Spaß macht, ihn nicht nur persönlich, sondern auch übers Handy zu nerven.

Es dauert keine Minute, bis ich eine Antwort von ihm bekomme. Da hat wohl jemand wirklich sehnlichst auf meine Nachricht gewartet.

‚Reagierst du immer so nett auf Komplimente?'

Da mir gerade kein guter Konter einfällt, belasse ich es vorerst bei seiner Nachricht. Vielleicht kommt die Erleuchtung für eine gute Antwort noch. Wäre auch zu schade, so eine gute Vorlage zu verschwenden. Irgendwas kommt mir bestimmt noch in den Sinn.

Doch die Stunden vergehen und die Erleuchtung, auf die ich sehnlichst gewartet habe, lässt sich nicht bei mir blicken. Also antworte ich einfach das erstbeste, das mir gerade einfällt.

‚Nur wenn sie von dir sind', schreibe ich und schicke ihm ein Kusssmiley hinterher.

Wirklich Vi, das hast du schon mal besser hinbekommen. Aber egal, jetzt ist es sowieso zu spät.

Immer wieder schaue ich aufs Handy, während irgendwas im Fernsehen läuft, doch die einzige Nachricht, die ich bekomme, ist von Lilly, die wissen will, welche Ergebnisse ich bei den Mathehausaufgaben habe. Verdammt, auf die habe ich ja ganz vergessen. Seufzend rapple ich mich auf und sitze den restlichen Abend an diesen dummen Aufgaben, die ich fast nicht lösen kann. Das Schuljahr fängt ja schon mal super an.

Die nächsten Tage vergehen ohne Zwischenfälle mit Colin. Auch im Unterricht habe ich ihn noch nicht gesehen, sodass in mir langsam die Hoffnung aufkeimt, dass wir gar keine gemeinsamen Kurse haben, doch dieses Glück soll mir verwehrt bleiben.

Als ich am Freitag gerade den Raum für meinen Psychologiekurs betrete, sehe ich ihn in der letzten Reihe sitzen. Seine Füße liegen auf dem Tisch und aus seinen Kopfhören dröhnt unüberhörbar Musik, die ich mir im Leben nicht freiwillig anhören würde. Er muss ja schon ganz taub sein, wenn er die Musik immer so laut aufdreht.

Mit entschlossenen Schritten bewege ich mich auf ihn zu. Er sieht auf und ein Grinsen bildet sich auf seinem Gesicht, als er mich sieht, jedoch besitzt er nicht den Anstand, die Musik auszumachen. Deshalb nähere ich mich ihm und reiße ihm schließlich die Kopfhörer aus den Ohren.

„Niemand hier will deine bescheuerte Musik hören, also mach sie gefälligst leiser", schnauze ich ihn an.

„Breakcore ist alles andere als bescheuert. Da steckt jede Menge dahinter", antwortet er.

„Das sind doch bloß irgendwelche Geräusche zufällig aneinandergereiht. Das kann man nicht Musik nennen", erwidere ich.

„Anscheinend interessiert es dich aber so viel, dass du genug weißt, um dich darüber aufzuregen", meint er lächelnd.

„Nur weil ich mich über etwas beschwere, heißt es nicht, dass es mich interessiert. Du bist das beste Beispiel dafür."

„Und trotzdem stehst du hier und redest mit mir. Du bist ganz eindeutig an mir interessiert." Wie kann man bloß so ein großes Ego haben? Das gehört ihm dringend mal rausgeprügelt.

„Nur weil sich sonst keiner traut, dir zu sagen, dass niemand deine Musik mitanhören will."

Colin will gerade etwas erwidern, doch in dem Moment kommt der Lehrer ins Klassenzimmer.

Beziehung für eine NachtWhere stories live. Discover now