kapitel sechsundfünfzig, A SHADE OF BLUE

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KAPITEL SECHSUNDFÜNFZIG
A   S H A D E   O F   B L U E

Als ich die Tür öffnete, traute ich meinen Augen kaum, als ich sah, wer davor stand

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Als ich die Tür öffnete, traute ich meinen Augen kaum, als ich sah, wer davor stand. Meine Mutter war dünn und ganz in Schwarz gekleidet und ihr linkes Auge war blau und angeschwollen. Sie zitterte kaum merklich.

Ausdruckslos sah sie ich an. „Was machst du hier?", fragte ich sie.

Sie schluckte schwer und ihr Griff um den Träger ihrer Handtasche wurde stärker. „I—Ich wollte dich sehen", sagte sie bloß und ich verschränkte die Arme vor der Brust.

„Jetzt hast du mich gesehen", erwiderte ich erschreckend emotionslos.

Ich wollte die Tür schon wieder schließen, doch rasch schob sie ihren Fuß dazwischen und sah mich verzweifelt an. „Ich möchte ihn sehen", sagte sie und ich starrte sie an.

Ich wusste genau, wen sie meinte.

„Ich verbiete es. Es ist mit egal, was du willst", sagte ich. „Du hast dich entschieden. Und ich mich auch."

Meine Mutter blinzelte hastig. Sie hatte Tränen in den Augen. „Ich hätte dich nie gehen lassen dürfen", hauchte sie und ich biss die Zähne aufeinander, da auch meine Augen unangenehm zu kribbeln begannen.

„Diese Erkenntnis kommt ein wenig spät, findest du nicht?", fragte ich, woraufhin sie erneut schluckte.

„Ich möchte, dass du zu uns zurückkommst. Komm nach Hause und wir vergessen alles, was passiert ist. Es wird alles wieder so werden, wie früher. Ich verspreche es."

Ich sah sie ungläubig an. „Und was ist mit Lorenzo?"

Meine Mutter zuckte nicht mal mit der Wimper. Dabei konnte ich ganz genau sehen, was er ihr angetan hatte. „Er will auch, dass du wieder zurückkommst", sagte sie. „Du bist doch seine Tochter."

Ich spannte daraufhin die Kiefermuskeln an. „Ich bin nicht mehr seine Tochter. Das hat er mir mehr als deutlich gemacht."

„Grace—" Sie machte einen Schritt auf mich zu, blieb jedoch stehen, als ich vor ihr zurück wich. „Es tut mir so leid", flüsterte sie, doch ich schüttelte nur den Kopf.

„Das ändert nichts."

„Ich weiß", sagte sie hastig nickend. „Es ist alles meine Schuld."

Daraufhin schwieg ich.

Aus dem Wohnzimmer ertönte ein leiser Schrei von Charlie. Die Augen meiner Mutter weiteten sich daraufhin und sie reckte den Kopf, doch schnell schob ich die Tür weiter zu.

Sie sah wieder zurück zu mir. Ein schwaches Lächeln war auf ihren Lippen. „Wie geht es ihm?", fragte sie und ich unterdrückte ein Seufzen.

„Es geht ihm gut", sagte ich knapp.

„Wohnst du hier zusammen mit Sirius und ihm?", fragte sie interessiert, doch bevor ich antworten konnte, tauchte Henry plötzlich hinter mir auf. Er trug einen weinenden Charlie auf dem Arm und schien sichtlich überfordert mit dem Baby zu sein.

„Grace, kannst du mal kurz kommen?", fragte er und wippte den Kleinen leicht verzweifelt auf und ab.

Ich drehte mich um. „Ja, bin gleich da", sagte ich hastig und nachdem Henry meiner Mutter kurz einen prüfenden Blick zugeworfen hatte, nickte er und verschwand wieder im Wohnzimmer. Als ich mich umwandte, traf mich sofort ihr vorwurfsvoller Blick.

Augenblicklich wurden ihre Züge wieder weicher. „Wer war das?", fragte sie trotzdem und ich nahm den harten Unterton in ihrer Stimme wahr.

„Das geht dich überhaupt nichts an", erwiderte ich kühl und Mum zog die Augenbrauen hoch.

„Ich dachte, Sirius und du, ihr—"

„Es geht dich nichts an, Mutter", wiederholte ich mich. Ich wollte nichts davon hören.

Sie legte den Kopf leicht schief und sah mich mitleidig an. „Vielleicht solltest du doch wieder bei uns einziehen. Du weißt selbst, dass das hier kein vernünftiger Ort ist, um den Kleinen groß zu ziehen. Überleg es dir." Sie lächelte mir hoffnungsvoll zu.

Doch ich wurde bei ihren Worten einfach nur wütend. „Du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich dich auch nur in Nähe meines Kindes lasse. Oder Lorenzo. Er wird ihm nicht das gleiche antun, was er mir angetan hat. Außerdem ist Henry ein guter Freund von mir. Du kannst dir deine gespielte Sorge also sparen."

„Bei deiner Auswahl an Freunden mache ich mir gewiss Sorgen."

Völlig unbewusst ballte ich meine Hände zu Fäusten. „Die meisten meiner Freunde sind inzwischen tot!" Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, Ruhe zu bewahren, aber meine Mutter schaffte es immer wieder, mich aus der Reserve zu locken.

Wir hatten inzwischen beide Tränen in den Augen. „Ich weiß!", rief sie und ich zuckte zusammen. „Und ich will nicht, dass du die nächste bist, die sie umbringen! Ich will dich doch nur beschützen!"

„Du hast mich mein ganzes Leben lang beschützt!", schrie ich zurück. „Aber vor Lorenzo konntest du mich nicht beschützen, vor ihm konntest du dich nicht mal selbst schützen! Du bist so verdammt lächerlich und ich brauch dich nicht mehr, hörst du?"

„Grace, ich—"

„Ich möchte, dass du jetzt gehst", unterbrach ich sie jedoch ruhig und war nun diejenige, die einen Schritt auf sie zu machte.

Meine Mutter sah mich traurig an. Dann seufzte sie leise. „In dieser Welt zu leben, hat seinen Preis", flüsterte sie und ich konnte mir ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen.

„Du hast ja keine Ahnung", erwiderte ich bitter. „Und jetzt geh endlich."

Sie warf mir noch einen letzten, entschuldigenden Blick zu, ehe sie sich schließlich abwandte und langsam die Treppe hinunter stieg.

𓆸

Vier Wochen später war meine Mutter tot.

Sie lag hinter einer Mülltonne im dunkelsten Viertel von Londons East End. Sirius war derjenige, der sie fand. Er schickte mir sofort einen Patronus und ich apparierte in die enge Straße, die er mir genannt hatte.

Als ich sie da liegen sah, begann ich zu schreien.

Ich hatte bereits angenommen, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Sonst wäre Sirius nicht so verzweifelt gewesen. Doch als ich sie da so liegen sah, hatte ich das Gefühl, dass ein Teil von mir mit ihr gestorben war.

Meine Beine zitterten, doch bevor ich auf die Knie fallen konnte, fing Sirius mich auf. Ich klammerte mich an ihm fest und vergrub heulend mein Gesicht an seiner Brust, während er mir beruhigende Worte zu murmelte.

Ich musste an ihre letzten Worte denken. In dieser Welt zu leben, hat seinen Preis.

Wie Recht sie doch hatte.

Ich traute mich kaum, ihrem verstümmelten Körper einen Blick zu zu werfen. So sehr erschreckte und verstörte mich ihr Anblick. Ihr Schädel war eingeschlagen, ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Arme und Beine voller Blutergüsse und blutiger Schnitte. Ich war froh, als die Ordensmitglieder endlich ein weißes Tuch über ihr ausbreiteten. Noch war nicht klar, wer ihr das angetan hatte.

Sie war so schön gewesen, früher. Und jetzt war nur noch ihre leere, hässliche Hülle übrig.

Meine Sicht wurde durch die Tränen in meinen Augen getrübt. Ich hatte sie so sehr gehasst, für das, was sie mir in den letzten drei Jahren angetan hatte. Warum tat es dann so sehr weh? Warum fühlte es sich so schrecklich an, sie verloren zu haben?

the beauty of grace, 𝐒𝐈𝐑𝐈𝐔𝐒 𝐁𝐋𝐀𝐂𝐊Where stories live. Discover now