Kapitel 4 - geheime Talente

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Matt und ich sehen uns nur schweigend an. Wir scheinen uns beide nicht sonderliche in der Rolle des stillen Beobachters wohl zu fühlen.

„Ist sie in Colin verliebt?" frage ich Matt, dieser schaut mich entgeistert an. „Ach Quatsch! Doris ist für Colin wie eine kleine Schwester. Er hat sie schon oft aus der Scheiße geritten....". Ich räuspere mich: „Also wenn du mich fragst... so reagiert eine verletzte und eifersüchtige Frau... aber was weiß ich schon..." ich seufze und nehme einen großen Schluck meines Getränkes.

Schließlich kommen Adam und Colin wieder zu unserem Tisch. Letzter setzt sich mir gegenüber und bringt nur ein kurzes „Tach" heraus. Liebenswürdig wie eh und je.

"Schöne Scheiße... ihr kennt nicht zufällig nen Bassisten, der bei uns kurzfristig einspringen könnte?" sichtlich verzweifelt sieht Adam uns an. Ich schüttle nur mitleidig mit dem Kopf.

„Was spielst du?" Colin beobachtet mich. Ich bin so perplex, dass der werte Herr das Wort an mich richtet, dass ich mich fast an meinem Getränk verschlucke.

„Was? Ich?" ungläubig schaue ich ihn an.

„Nein, der gestiefelte Kater natürlich." Augenrollend will mich für dumm verkaufen. „Wenn du meine Noten lesen kannst, gehe ich davon aus, dass du ein Instrument spielst...". - Oh Colin ist ja ein richtiger Sherlock.

„Klavier bzw. Keyboard." antworte ich ihm.

Seufzend sieht er mich an. „Hätte mich auch gewundert, wenn es kein Spießer-Instrument wäre. Aber es passt zu dir - ein wenig Bach hier und Mozart da." verspottend lächelt er mich an.

„Klavier heißt doch nicht nur Klassik! Aber das kannst du dir wahrscheinlich in deinem begrenzten Kosmos nicht vorstellen." Gifte ich ihn an. Wenn er meint, er könnte dort weitermachen wo er mich vorhin hinter der Bühne stehen lassen hat, kann er sich aber auf etwas gefasst machen!

Adam und Matt tauschen nur ungläubige Blicke aus. Sie sind es offensichtlich nicht gewohnt, dass Colin die Stirn geboten wird.

Doch Colin grinst mich nur schulterzuckend an. „Ach ja? Beweis mir, dass ich mich irre, kleines Blondchen..."

Kopfschüttelnd stehe ich auf und führe erneut mein Glas an meine Lippen, eh ich es laut auf den Tisch knallen lasse: "Den Scheiß lass ich mir nicht bieten!" ich schaue ihm drohend in die Augen.

„Anna...." Adam springt auf und versucht mich zu beruhigen. Ich habe ein Deja-Vu und muss an Doris Abgang vor einigen Minuten denken. Der arme Adam kann einem ja schon Leid tun, wie er immer die Wogen glätten muss. Aber diese Sache muss ich hier ein für alle Mal klären. 

Ich lächle Adam an und zwänge mich an ihm vorbei. Für einen Moment bleibe ich vor Colin stehen. „Sieh zu und lerne Dummkopf!". Schließlich wende ich meinen Blick von ihm ab und mache auf dem Absatz kehrt.

Ich laufe vorbei an der Bar. Ich gebe dem Barkeeper ein Zeichen und zeige auf das an der Wand stehende Klavier. Dieser sieht mich erst verdutzt an, versteht dann aber. Mit einer Handbewegung gibt er mir grünes Licht.

Mein Herz schlägt immer schneller als ich mich schließlich auf den Klavierhocker setze.

Scheiße, was hab ich mir nur dabei gedacht so eine Szene zu machen? Ich habe aufgehört Klavier zu spielen. Nach allem was passiert war, hatte ich nicht mehr die Kraft und den Mut dazu.  Aber die Art und Weise wie Colin mit mir umgesprungen ist, hat mich einfach rasend vor Wut gemacht und mein Hirn in einem unbedachten Moment abgeschaltet.

Meine Hände gleiten über einige der Tasten. Es fühlt sich so wunderbar an, so vertraut. Ein Gefühl der Glückseligkeit erfüllt meine Brust. Mein Herz schlägt vor Aufregung bis zum Hals. Vergessen ist der Streit mit Colin. Es gibt jetzt nur noch mich und das Klavier. Wie konnte ich nur so lange Zeit ohne dieses elektrisierende Gefühl leben, das  das Berühren der Klaviertasten in mir auslöst?

[Update 17.09.2022] Is it love - Colin - Inside a DreamWhere stories live. Discover now