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Ich sei nicht so einfach, ja das hast du immer gesagt und dabei so gelächelt, als würde die Welt sich niemals aufhören zu drehen.
Doch dann hat sich deine Welt nicht mehr gedreht und du konntest nichts dagegen tun.
Meine Hose ist schon nass vom Schlamm in dem ich knie, doch es stört mich nicht. Genauso wenig wie ich die Schönheit um mich herum genießen kann oder mich über den Gesang der Vögel freue.
Im Moment zählst nur du und irgendwie ist es ja das, was du immer wolltest oder?
Meine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Ich hätte gerne mehr Zeit mit dir verbracht, aber irgendwie fällt das einem immer erst hinterher ein. Es tut mir Leid, alles tut mir Leid Oma. Ich habe dich geliebt, wie man jemand wie dich eben lieben kann.

Als ich den Friedhof verlasse regnet es und es passt zu meiner Stimmung. So als würde der Sturm in mir jetzt auch draßen wüten.
Sie haben gesagt, es würde besser werden, und Mum hat mit Tränen in den Augen gelacht, als sie sagte, dass es ja jetzt schon fast zwei Wochen her ist.
"Nur ihr Herz versagte, nicht unseres", und das perfekte Deutsch in dem sie nur selten sprach, zeigte wie kaputt sie ist.
Tief in mir weiß ich das sie einfach alt war, aber denkst du das interessiert mein Herz?
Denkst du es tut deswegen weniger weh-
Etwas prallt gegen mich. Groß und muskulös. Ich lache innerlich. Wäre ich einen Buch, würde mein Herz stolpern, doch so einfach geht das bei mir nicht.
Du kannst mich nicht mit einem schiefen Grinsen beeindrucken, denke ich mir in dem Moment als mein Gegenüber genau ein solches aufsetzt.
Mit einem kurzen "sorry" versuche ich einfach um ihn herum zu laufen,
doch er hält mich fest und da erst wird mir klar, das es Jasper aus meiner Schule ist.
"Alles okay, Mia?" erkundigt er sich und legt dabei seine schöne Stirn in Falten.
"Passt schon", murmele ich und lächle.
Seine Mundwinkel ziehen sich weiter nach oben.
"Ach Mia", dabei schaut er so als wäre ich ein Hundewelpe.
Ich mag es nicht, wie er mich ansieht, fühle mich unwohl und außerdem, wir kennen uns doch kaum.
Erst überlege ich ihn anzumotzen, jedoch kann er nichts für meine Laune, weshalb ich mich entscheide zu  gehen und ihn  stehen zu lassen. Wahrscheinlich werde ich es irgendwann bereuen, aber im Moment kann ich nicht mit Menschen reden.
Was soll ich schon sagen? Was wurde nicht schon längst angesprochen und was interessiert es ihn schon, dass Oma Tod ist?
Ich vermisse sie, ich vermisse ihren Geruch nach Zimt und das breite Lächeln, dass sie immer aufgesetzt hatte, wenn ich was erzählte.
Ich vermisse ihre geduldige Art und dass sie sich nie nach Jungs erkundigte. Das Thema ist anstrengend, sehr anstrengend, und manchmal habe ich das Gefühl, alle außer ihr erwarten, dass ich mich für Jungs interessiere. Mama meint es ja auch nur gut, wenn sie sich erkundigt, ob ich eine Nummer eins hätte.
Trotzdem, diese Gespräch sind so oft ermüdend, aber wenn Oma da war, als sie sowas fragte, hatte die alte Frau nur gelacht: "Kerstin, Mia mag das Thema doch nicht, lass uns viel lieber über Tagesthemen reden"
Dann hatte sie oft eine Zeitung rausgeholt, mir einen Artikel gezeigt und so ganz einfach das Thema umgelenkt.
Mittlerweile bin ich schon auf der Hauptstraße, vergessen ist Jasper, so sehr hänge ich meinen Gedanken nach.

In der Schule nehmen wir viel durch und manches bleibt mir tatsächlich im Gedächtnis, doch sind wir ehrlich, die Fülle an Informationen können sich die wenigsten merken.
Zuhause gibt es Brotzeit und Mum ist mal wieder nicht da. Papa meint, ich solle ihr Zeit lassen und verschwindet wieder in seinem Büro. Er schließt die Tür ab, so als würde er fürchten, ich könnte jeder Zeit laut schreiend hineinstürmen.
Vielleicht tue ich das ja sich irgendwann, wenn er sich weiter so versteckt.
Aber ich verstehe ihn, auch er hat Oma geliebt, auch wenn sie nur seine Schwiegermutter war.
Die beiden haben Ausflüge gemacht und sie war die einzige, die seine hochtragenden Vorträge verstand, aber vor allem konnte er mit ihrer aufbrausenden Art umgehen, wie sonst niemand. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn sie einen cholerischen  Ausbruch hatte und rumbrüllte, als gäbe es kein Morgen mehr.
"Willst du Tee", hatte er dann immer völlig unbeeindruckt gesagt und hatte ihr Kekse gereicht, auch wenn das nicht wirklich half.
Jetzt muss er seine Kekse alleine essen und niemand versteht wovon er spricht, wenn  er so richtig in Fahrt kommt.
Deswegen schreibt er ein Buch, in der Hoffnung jemand würde es lesen und sich denken : "Wahnsinn, dieser Mann, ich verstehe ihn haargenau"
Und so sitze ich wieder alleine da.
Klar, Freunde habe ich, Liebes, bemitleide mich nicht.
Aber kennst du das Gefühl, wenn du einfach nicht dazu passt?
Diese eine Person, die immer irgendwie anders ist und nie dazu passt, das bin ich.
Und im Moment kann ich mit diesem Gefühl zusätzlich nicht auch noch leben.
Als packe ich wieder meine Tasche, greife nach meinen Schlüssel und steige in den Bus.
Öffentliche Verkehrsmittel sind toll, all diese Menschen, die du sonst nie treffen würdest, die sich unterscheiden und offensichtliche Gemeinsamkeiten haben.
Als ich aussteige scheint die Sonne und ich lächle leicht.
"War irgendwie klar, dass du hier herkommst", lacht jemand neben mir und meine Augen treffen Jaspers.

Dann kamst duDär berättelser lever. Upptäck nu