einundsiebzig. [shawn]

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s h a w n

»We were so beautiful, we were so tragic, no other magic could ever compare.«

- Lauv „Never Not"

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Eigentlich dachte ich, das Gefühl, Eliza zu verlieren, war das schlimmste, was mir jemals passiert war. Jedes Mal, wenn ich mich an den Moment des Schusses zurückerinnerte, kam es mir mehr vor wie ein Film der sich vor meinen Augen abspielte. Als wäre ich nur physisch anwesend gewesen. Alles war so unglaublich schnell gegangen, bevor ich die Situation überhaupt erst realisiert hatte. Bis plötzlich nur noch Eliza und die Angst sie zu verlieren in meinem Kopf war. Ich wollte gar nicht daran denken, wie mein Leben aussähe, wenn sie es nicht schaffen würde. Vor allem machte mich die Tatsache fertig, dass ich nichts für sie tun konnte, außer mitten in der Nacht in einem Krankenhausflur darauf zu warten, bis jemand mir sagte, wie es ihr ging. Andrew und die anderen hatten am laufenden Band auf mich eingeredet, aber ich erinnerte mich an kein Wort mehr, das er zu mir gesagt hatte. Erst als ich hörte, dass Eliza in einer stabilen Lage war und wahrscheinlich durchkommen würde, konnte ich wieder aufatmen.

Doch nun quälten mich viel schlimmere Gedanken. Was wäre gewesen, wenn Eliza es nicht geschafft hätte? Wenn ihr etwas noch schlimmeres passiert wäre, als die vergleichsweise harmlose Narbe an ihrem Schlüsselbein? Ich traute mich gar nicht, mir die verschiedenen Situationen auszumalen. Vor ein paar Tagen, als Eliza nach New York gekommen war, war ich noch der glücklichste Mensch dieser Welt gewesen. Abrupt hatte sich alles von jetzt auf gleich geändert.

»Shawn, ist irgendetwas? Habe ich was falsch gemacht?«, fragte Eliza abermals und schaute auf ihre Finger. In den nächsten Tagen würde sie entlassen werden, was eigentlich eine gute Nachricht war. Dennoch zog sich mein Herz jedes Mal erneut krampfend zusammen, wenn ich sie auf diesem kalten Krankenhausbett liegen sah. Immer wieder, vor allem, wenn ich neben ihr auf einem Stuhl saß, wurde mir bewusst, dass das alles meine Schuld war. Ganz alleine meine. Hätte Eliza mich nicht kennengelernt, wäre sie nie in so eine Situation gekommen. Wegen mir wäre sie fast gestorben.

Ich bemerkte wie meine Augen anfingen zu brennen und rieb mir schnell und unauffällig darüber. Die letzten Nächte hatte ich kaum ein Auge zu getan.

»Shawn?«, meinte Eliza erneut etwas lauter und ich schaute auf. »Hm?« Ich fühlte mich wie betäubt, als sie anfing ihre Hand mit meiner zu verschränken. War sie schon immer so zerbrechlich gewesen? Plötzlich wirkte ihre Hand in meiner noch viel kleiner als sowieso schon.

»Du solltest ein wenig mehr schlafen. Mir geht's gut. Du musst nicht mehr von früh morgens bis spät abends bei mir sitzen.« Ich nickte und nahm ihre Aussage zur Kenntnis, allerdings wusste ich, dass ich mich sowieso nicht daran halten würde. Wie in Trance begann ich, kleine Kreise mit meinen Fingern auf ihre Haut zu zeichnen. Kurze Zeit sagte niemand von uns etwas. Ich schaute weiterhin nur auf unsere Hände. Die typischen Krankenhausgeräusche kamen nur gedämpft in meinem Ohr an. Wie hatte sich alles plötzlich so verändern können?

»Du weißt, dass es nicht deine Schuld ist, oder?«, flüsterte Eliza plötzlich. »Du kannst absolut nichts dafür, dass es ein Verrückter auf so eine Veranstaltung geschafft hat. Wäre es nicht ich, wäre es irgendwer anderes gewesen.« Ich schüttelte den Kopf, drückte ihre Hand noch ein kleines bisschen fester. Eliza log. Ich wusste, dass sie nur mein Gewissen beruhigen wollte. Wäre ich nicht, wäre sie gar nicht vor Ort gewesen. Ich hätte alleine hingehen sollen. Sie mochte solche Veranstaltungen nicht einmal. Trotzdem hatte ich sie gezwungen, mit hin zu gehen. »Das Event war einfach viel zu wenig abgesichert. Ich bin nicht die erste Person, der das passiert ist. Es gab schon andere Prominente, die-«

»Hör auf, du weißt genau, dass es nicht stimmt!«, unterbrach ich sie und mein Ton war wohl harscher als beabsichtigt, denn sie zuckte zusammen. Ich atmete tief ein und schloss die Augen. »Alles ist meine Schuld, Eliza«, sagte ich heiser. »Hättest du mich nicht kennengelernt, müsstest du ab jetzt nicht für immer diese hässliche Narbe haben. Verdammt, wegen mir wärst du fast gestorben.« Und als ich diesen Satz aussprach, wurde mir etwas bewusst, was ich auch schon davor viel zu lange versucht hatte, zu verdrängen.

»Merkst du denn nicht, wie ich dir die ganze Zeit, seit wir uns kennengelernt haben, nur Unglück bringe? Dass ich immer alles in deinem Leben kaputt mache? Dadurch, dass ich dich durch dieses Date zwanghaft in die Öffentlichkeit gezogen habe. Die verpatzte Gala. Diese ganze Lügengeschichte mit deinem erfundenen Freund die wir aufgetischt haben und die entstandenen Konsequenzen. Die beiden Dramen mit Sophie und Carmen. Was du auf der Highschool wegen mir alles mitmachen musstest. Du hättest was viel besseres studieren können, wenn ich dich nicht dauernd abgelenkt hätte. Wie viele Universitäten und Colleges, egal ob in Kanada oder Neuseeland, haben dich nicht genommen, aus dem Grund, dass du auf jedem zweiten Klatschmagazin drauf bist? Und das was jetzt passiert ist- « Ich schluckte. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich jemals mit dieser Schuld leben soll.« Ich zog meine Hand aus ihrer und vergrub die Hände in meinen Gesicht. Eliza wirkte plötzlich noch viel blasser als sowieso schon und ich bemerkte, wie glasig ihre Augen waren. Weitere schweigende Sekunden vergingen, bis sie anfing, den Kopf zu schütteln.

»Ich habe dein Leben mindestens genauso zerstört. Shawn, wegen mir bist du stellenweise zu dem Skandalprominenten schlecht hin geworden. Auch ist es meine Schuld, dass deine Tour unterbrochen wird oder vielleicht jetzt sogar ganz abgesagt wird. Ich stehe deiner Karriere überall nur im Weg und bin nur eine einzige Zeitverschwendung.«

Es war ein lahmer Versuch, die Schuld auf uns beide aufzuteilen. »Eliza, du weißt, dass das nicht wahr ist. Du bist mit Abstand das Beste, was mir jemals passiert ist. Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut.« Ich machte eine kurze Pause. Die nächsten Worte auszusprechen würden viel Kraft brauchen. »Aber ich kann dir das nicht weiterhin zumuten. Das wäre egoistisch.« Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, wusste ich, dass es das Richtige war, so sehr mein Herz auch schmerzte. Fast hätte ich bitter aufgelacht. Früher habe ich in Interviews immer behauptet, ich wünschte mir ein gebrochenes Herz um damit gute Musik zu schreiben. Wie naiv ich gewesen war. Jetzt hatte ich es, aber es war alles andere als inspirierend. Es wirkte mehr wie ein klaffendes, leeres Loch.

»Shawn, du kannst nicht von jetzt auf gleich alles hinschmeißen. Das ist nicht fair. Ich lass dich nicht einfach so gehen.« Ihre Stimme bebte und man hörte die Frustration in ihren Worten. »Du verstehst das nicht. Ich mach dich kaputt. Es hat viel zu lange gebraucht, das zu kapieren«, redete ich auf sie ein und versuchte etwas behutsamer zu klingen. Eliza sah so aus, als würde sie unbedingt dagegen halten wollen, aber keine Worte kamen aus ihren Mund. Und es bestätigte mich nochmal mehr darin, dass meine Worte die bittere Wahrheit gewesen waren. Sie hing zwischen uns in der Luft, jedoch traute ich mich nicht sie auszusprechen.

»Heißt das, du machst gerade Schluss mit mir?«, brach Eliza schließlich das Schweigen, ihre Stimme war so leise, dass ich sie fast nicht verstand. Erst in diesem Moment bemerkte ich die dicken Tränen, die ihr einer nach der anderen über die Wangen rollten. Ich wollte sie in dem Arm nehmen, wusste aber, danach könnte ich sie nicht mehr loslassen. Aber ich erkannte auch die Hoffnung in ihrem Blick. Ich wollte ihr sagen, das alles gut wird. Wir es zusammen schaffen. Unsere Liebe stärker als das alles wäre. Dass es sich lohnte, weiterhin zu kämpfen.

Aber ich konnte es nicht.

»Es tut mir leid, Eliza.«

Sie schloss ihre Augen, als wäre das alles nur ein böser Traum. Ich beugte mich nach vorne, strich ihr eine Strähne hinters Ohr und wischte ihr mit einer Hand die Tränen weg.

Eigentlich wollte ich mich schon vorsichtig von ihr entfernen, als sie mich plötzlich eng umklammerte. »Bitte geh nicht«, flüsterte sie leise und ich bemerkte, wie mein Shirt von ihren Tränen nass wurde. Wenn noch irgendein kleiner, heiler Teil meines Herzens übrig war, war dieser auch gerade in tausend winzig kleine Teile zersprungen. »Es ist besser so«, murmelte ich leise, wusste aber nicht, ob ich es ihr oder mir selbst einreden wollte. Sachte schob ich sie von mir zurück und gab ihr einen letzten Kuss auf die Stirn. 

New Zealand Girl [Shawn Mendes Fanfiction]Where stories live. Discover now