Kapitel 17

733 31 1
                                    

DEAN P.o.V

Seit circa fünf Stunden fuhren wir nun durch die Einöde. Hinter mir fuhr der 1965 Corvette Sting Ray.
Seit mehreren Kilometern waren wir nun schon alleine auf der Straße. Sam schlief indessen neben mir auf dem Beifahrersitz. Nachdem wir eine Stunde gefahren waren, war er eingenickt.
Wir waren mittlerweile auf demWeg nach Ohio. Wo genau in Ohio?
Keine Ahnung... Ich hatte es vergessen.
Dort besaß Denise's Bekannter eine Bar. So wie sie es uns berichtet hatte, war er ein Sprachenmultiralent. Keine Sprache die er nicht übersetzen konnte. Ich war gespannt...
Nachdenklich ließ ich meinen Blick von der Straße zum Rückspiegel schwenken. Dort sah ich die Scheinwerfer des Autos und einen Schatten im Fahrwerk. Denise.
Sie konnte mit ihrem Auto wirklich gut mithalten. Anscheinend hatte sie ihn ein bisschen aufgemotzt. Kurz bevor wir los gefahren waren hatte ich noch ein kleines Detail am Kofferraum wahrgenommen. In kleinen, zierlichen Buchstaben war darauf geschrieben worden 'Born in hell'.
Der Wagen wurde hin und wieder von Neonschildern und Leuchtreklamen belichtet. Wir fuhren in einem gemäßigten Abstand hinter einander. Schließlich wollten wir ja keine Aufmerksamkeit erregen, obwohl uns sowieso seit Kilometer 71 kein Auto mehr entgegen gekommen war.
Plötzlich riss mich ein Surren aus den Gedanken. Es kam aus Sam's linker Jackentasche. Sein Handy!
Ich hielt das Lenkrad fest im Griff und fummelte mit der rechten Hand an der Jackentasche herum, ohne meinen schlafenden Bruder zu wecken. Endlich hatte ich es in den Händen und schaute kurz auf das Display, ehe ich so schnell es ging auf abheben drückte.
Aus dem kleinen Lautsprecher ertönte ein sanfte weibliche Stimme: "Hey Sam! Hol doch mal deinen Bruder an das Telefon."
Ich legte den Kopf kurz in den Nacken um meinen Hals zu entspannen und drehte ihn ein bisschen, ehe ich mich wieder auf die Straße und das Elektrogeräte konzentrierte.
"Ich bin es, Denise. Der Kleine schläft gerade seelenruhig, wie ein Baby.", antwortete ich ihr, mit einer etwas rauen Stimme vom langen Schweigen.
"Oh, gut!", vernahm ich aus dem Handy, "Dean, sag mal sollten wir nicht mal eine Pause machen? Wir fahren jetzt schon ein paar Stunden und ich brauche echt mal einen Kaffee. In zwei Kilometern müsste eine Tankstelle sein."
Eine Pause wäre wirklich nicht schlecht... Außerdem konnte ich mich dann mal kurz ausruhen. Aber das Wort Kaffee hatte mich so wie so schon voll und ganz überzeugt.
"Gut. Ich bin damit einverstanden. Ich muss so wie so mal nachtanken. Der Sprit geht mir schon langsam aus. Wir fahren bis zu der Tankstelle und dann halten wir.", bejahte ich und drückte auf den roten Knopf des Tastentelephons.
Ich legte das Ding beiseite und stieg auf das Gaspedal. Der Impala machte einen Satz und düste nach vorne. Denise tat es mir gleich und hielt gut mit meinem Baby und mir Schritt. Nach kurzer Zeit erblickte ich eine Werbetafel für Waschpulver und das Neonzeichen, dass auf die Tankstelle hinwies. Ich schaltete den Blinker ein und bog auf den Parkplatz, wo ich mich gleich neben eine freie Zapfsäule stellte. Der rote Stingay hielt eine Säule weiter.
Das Mädchen öffnete die Tür und stieg aus. Sie lief einmal um das halbe Auto, bevor sie vor dem Tankdeckel stehen blieb und den Zapfhahn in die Öffnung steckte. Während das Benzin in den Tank floss lehnte sie sich gegen den Wagen und legte den Kopf darauf. Nach kurzer Zeit hob sie ihren Kopf und schaute zu meinem Impala und nickte mir zu.
Ich sollte endlich mal aussteigen, sonst kam ich mir noch wie ein Spanner vor... Nachdem ich kurz zu Sam geschaut hatte, entschloss ich mich ihn schlafen zu lassen. Wenn ich ihn wecken würde, hätte er wieder die beste Laune, er würde mich die restliche Fahrt zureden, er könnte nicht schlafen, ich wäre genervt von ihm und alles würde darauf hinauslaufen, dass wir und stritten. Ich zog den Schlüssel ab und stieg aus dem Auto.
Nachdem ich den Zapfhahn in den Tank gesteckt hatte, drehte ich mich nach meiner Begleiterin um. Diese hatte ich gerade noch in die Tankstelle laufen sehen. Während das Benzin der Zapfsäule in den Tank meines Autos floss, lief ich etwas am Parkplatz herum um mir die Beine zu vertreten bis er gefüllt war. Nachdem ich das auffällige Plop gehört hatte, ging ich zurück zu Sam und dem Wagen, wo ich den Schlauch zurück in die Zapfsäule hing.
Ich wollte gerade durch die Schiebetür in den Laden gehen, da öffnete sich diese und Denise packte mich an der Schulter während sie hinaus schritt.
"Hab schon alles bezahlt. Hier! Das ist deiner.", meinte sie mit einer Freundlichkeit in der Stimme, die ich bis jetzt nur Bobby und Sam gegenüber wahrgenommen hatte und reichte mir einen großen Becher Kaffee.
Skeptisch beäugte ich das Getränk und dann sie.
"Danke.", meinte ich knapp.
Sie verzog ihre Lippen zu einem freundlichen Lächeln und lief zu den Autos. Zögerlich folgte ich ihr.
Sie konnte wirklich nett sein. Erstaunlich! Anscheinend hatte ich doch keine schlechte Entscheidung getroffen.
Nachdenklich strich ich mir durch die Haare. Indessen hatte Denise sich auf den Bordstein gesetzt und nippte an ihrem Kaffee. Etwas unentschlossen stand ich noch auf der Stelle.
Schließlich fragte sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen: "Willst du dich nicht setzten?"
Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern und setzte mich in Bewegung.
"Warum eigentlich nicht?", murmelte ich und setzte mich neben sie.
Stumm betrachtete ich den Kaffee. Dicke Dampfschwaden bahnten sich aus dem Becher. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Eigentlich wollte ich mich ja bei ihr entschuldigen, aber jetzt wusste ich nicht so richtig wie ich es sagen sollte.
Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt! Keine Zeugen. Aber so wie es aussah brauchte ich das Gespräch nicht starten. Den glücklicherweise durchbrach der Ex-Engel das Schweigen.
"Ich wollte mich bedanken.", platzte es aus ihr heraus.
Verwirrt sah ich ihr in die Augen, deren Farbe ich nicht wirklich deuten konnte. Sie schien mein Erstaunen zu bemerken und fing etwas verlegen an zu lächeln.
"Ich weiß wir hatten einen schwierigen Anfang, aber ich denke es ist jetzt endlich an der Zeit sich zu bedanken. Du hast dich vor mich geworfen um einen Kugel abzufangen und außerdem habe ich mich ziemlich mies benommen. Also, was ich damit sagen will, ist das ich mich nicht von meiner besten Seite gezeigt habe und dass es eindeutig falsch von mir war.", klärte sie mich auf.
An dieses Ereignis hatte ich keinen Gedanken mehr verschwendet. Warum? Was hatte ich mir dabei gedacht? Ich hatte mich vor eine Kugel geworfen und sie zu Boden gestoßen. Ich wusste, dass ich umwerfend war, aber so?
Und vor allem Denise. Ach richtig! Denise!
Hatte sie sich gerade allen Ernstes entschuldigt? Sie war wirklich nicht so schrecklich. Schon langsam fing ich an sie wahrhaftig und ernsthaft zu mögen.
"Und ich war kein Idiot, oder was? Ich habe mich mindestens genau so dämlich aufgeführt. Das solltest gerade du wissen. Außerdem hast du uns zuerst den Arsch gerettet. Ich war der größte Mistkerl der auf dieser gottlosen Welt lebte.", beschwichtigte ich sie und lachte etwas.
Sie stimmte ebenfalls in mein Lachen ein und lächelte leicht.
"Ich stimmt dir in all diesen Dingen zu,...", feixte sie amüsiert, "...aber ich war ein, wie du es bezeichnen würdest, verdammtes Miststück..."
"Na gut, na gut!", unterbrach ich sie und nahm dabei einen Schluck aus dem Kaffeebecher, "Einigen wir uns darauf, dass wir alle beide Trottel waren."
"Also schön... das kann ich leider nur bestätigen.", stimmte sie mir zu, "Aber Dean. Danke nochmal! Das war echt knapp vorhin. Ein paar Sekunden später und ich hätte jetzt ein Loch im Schädel."
Aufmunternd klopfte ich ihr auf die Schulter und rutschte dabei fast unmerklich ein Stück weiter an sie ran. Unser Schultern berührten sich nun, aber da Denise nicht die Anstalt machte sich von mir zu entfernen tat ich es ebenfalls nicht.
"Hör mal zu. Wir sind jetzt Partner. Wir passen auf einander auf, wir beschützen einander. So überleben wir. So war es schon immer und so wird es auch immer sein. Du bist jetzt ein Teil von Team-Winchester.", sprach ich ernst, während ich ihr tief in die Augen sah.
Zaghaft schlich sich erneut ein Lächeln auf ihren Mund.
Das könnte sie öfter machen. Dieses hämische Grinsen, dass sie am Anfang immer aufgesetzt hatte, stand ihr nicht wirklich. Aber das hier war eigentlich ganz schön... süß.
Aber um Himmels willen was dachte ich denn da? Süß?
Was war denn in dem Kaffee drinnen gewesen, außer Milch und Zucker? Aber obwohl gerade in meinem Kopf ein hitziger Monolog meines Gewissens startete, konnte ich nur dasselbe tun wie sie.
Ich mochte sie. Irgendwie...
In einer echt schrägen Weise. Sam hatte also doch Recht behalten. Sie war cool. Und das dachte ich nicht nur wegen ihrem echt scharfen Stingray.
"Weißt du was?", unterbrach sie meinen Gedankengang, "Ich finde wir sollten nochmal von vorne anfangen. Ein Neuanfang. Verstehst du?"
Das war nicht mal eine so schlechte Idee.
"Du hast recht. Finde ich gut.", willigte ich ihrem Vorschlag ein.
Mehr und mehr kam ich zur Annahme, dass das anfängliche Problem eigentlich bei mir gelegen hatte.
Neugierig, auf ihren nächsten Schritt musterte ich sie von unten nach oben. Gegen die nächtliche Frische, trug sie eine gepolstert, schwarze Lederjacke, die an den Ellbogen schon etwas auseinander fiel. Darunter hatte sie ein T-Shirt in schlichtem grau und eine zerfledere Jeans, die an manchen Stellen sogar mit Stoffflicken ausgebessert worden war. Die langen Haare, die sie normalerweise zu einem einfachen Zopf geflochten trug, hingen ihr jetzt in leichten Wellen über Schulter und Rücken. Um ihre Augen waren tiefe, blaue Augenringe. Kein Wunder...
Sie hatte die letzten paar Stunden viele Schmerzmittel geschluckt und nicht geschlafen. Sam war wirklich ein Meister in seinem Fach, aber einen Arzt würde er niemals ersetzen können.
Da strecke Denise auf einmal ihre Hand aus. Ich begriff. Genau wie sie hob ich meine Hand und ergriff damit die ihre. Sanft, aber mit einem festen Griff, schüttelte ich diese.
Ihr Händedruck war angenehm fest, was mich wegen ihrer kleinen Finger, ziemlich überraschte.
Sarkastisch lächelte das Mädchen mich an und erwiderte: "Also... Freut mich dich kennen zu lernen.
Denise Newman. Brillante Jägerin, exzentrisches Biest, Königin des Sarkasmus, bekennender Led Zeppelin-Fan, beste Fahrerin von hier bis Toronto und attraktives Mädchen mit Vaterkomplex. Noch Fragen?"
Nachdem sie dies beendet hatte, löste sich ihre Hand von meiner. Die Stelle an der sie mich berührt hatte war relativ warm, aber dennoch angenehm.
"Na wenn das so ist,...", begann ich feixend und fuhr mir dabei erneut durch die Haare, "Dean Winchester. Sexsymbol der Nation, talentierter Jäger, Überlebender der Hölle, bestaussehendster Winchesters und bester Freund eines Engels."
Schmunzelnd schüttelte sie ihren Kopf. Die leicht gewellten Haare fielen ihr etwas ins Gesicht.
"Sag mal, 'Sexsymbol' musste natürlich an erster Stelle stehen, oder?", lachte sie erheitert.
"Aber natürlich. Das ist doch wohl offensichtlich, aber es ist natürlich klar, dass du das nicht verstehst, Hot-Wings. Ich meine, schließlich hast du noch nie einen so gutaussehende und muskulösen Kerl, wie mich gesehen.", prallte ich ironisch, wobei ich einen sanften Schubser gegen meinen Schulter bekam.
"Du weißt, dass du ein immenses Selbsteinschätzungproblem hast? Das ist dir schon klar, oder?", lachte sie vor sich hin.
"Niemand ist perfekt.", sprach ich trocken.
Gekonnt streckte sie sich etwas, sodass sie mir irgendwie größer vorkam. Dabei stemmte sie ihre Hände demonstrativ in die Hüfte.
Mit einer etwas höheren Stimme konterte sie höhnisch: "Die Perfektion in Person steht vor dir. Ich bitte dich!"
Scharf sog ich die Luft über meine Lippen ein. Leicht hob ich meine Augenbrauen und schüttelte dabei entschlossen den Kopf.
"Entschuldige, aber wer hat hier noch mal ein immenses Selbsteinschätzungsproblem? Ich versuche es dir mal zu erklären.", begann ich schelmisch schmunzelnd und zeigte dabei mit meinem Zeigefinger auf mich selbst, "Überdurchschnittlich gutaussehender Held des Jahrtausends und Idol jedes Mannes. ", kurz machte ich eine Pause und richtete unterdessen meinen Finger von mir auf Denise, die immer noch dicht neben mir saß: "Skrupellose Autodiebin und natürlich nicht zu vergessen, gefallener Engel. Was kann es denn da schlimmeres geben? Ich denke ich habe gewonnen."
Den letzten Satz plauderte ich schon voller Stolz aus, wobei ich mir im nächsten Moment, am liebsten eine geknallt hätte. Von einen Moment auf den anderen hatte Denise's Gesicht an Farbe verloren. Ihren Blick konnte ich nicht deuten.
War sie zornig, traurig, enttäuscht? Ich wusste es nicht. Ich hätte es ihr ehrlichgesagt nicht verübelt, wenn sie jetzt einfach aufgestanden, in ihren Stingray gesprungen und weggefahren wäre.
Aber stattdessen... saß sie einfach nur da. Saß da und starrte mich aus ihren großen Augen an.
"Hey, sorry! Das war nicht so gemeint! Ich habe gerade nicht nachgedacht. Ich-", versuchte ich sie zu besänftigen, wurde aber jäh von ihr unterbrochen.
"Tust du das eigentlich irgendwann?", murmelte sie leise mit einem gequälten Lächeln auf dem Gesicht.
Verwundert sah ich sie von der Seite an. Sie hatte ihren Kopf weggedreht und versteckte ihr Gesicht hinter den Haaren.
Am liebsten wäre es mir gewesen, wenn ich den Mund gehalten hätte, aber die Neugierde in mir überwiegte.
"Castiel hat gemeint, dass du wieder zurückkehren hättest können. Wieso? Also, ich meine wieso bist du geblieben. Hier. Auf einem Planeten der jährlich von fünf Apokalypsen heimgesucht wird, gibt es nichts was ein Engel nicht schon gesehen hat.", fragte ich langsam.
Ich hatte mich bemüht, meine Stimme so ruhig wie möglich zu halten. Direkt neben mir vernahm ich erneut ein leises lachen.
"Du weißt nicht wie gut du es hast, Dean.", flüsterte sie mit brüchiger Stimme, "Der Himmel mag ein Himmel für euch Menschen sein, aber nicht für uns... Ich meine für sie.
Ich habe die Augen verschlossen, vor Dingen die ich hätte sehen können. Die ich hätte sehen müssen.
Dort oben ist es wunderschön. Dort komme ich her. Dort habe ich gelebt, aber es war nicht mein zu Hause. War es nie.
Bruder tötet Bruder. Sohn verrät Vater. Was soll daran gut sein? Was ist das für ein Himmel?
Nachdem ich hier war. Nachdem ich frei war, war alles anders. Alles war besser als da oben.
Du musst wissen, ich war neben meinem Bruder Lucifer, der Liebling meines Vaters. Ich habe so vieles mit bekommen, was dort oben passiert ist. Und doch habe ich nichts getan. Ich habe mir eingeredet, dass es gerecht ist. Das es richtig ist was sie tun... Das es richtig ist... was... ich tue. Aber das war es nicht.
Bis ich es begriffen habe, hat es viele Jahrhunderte gedauert und warscheinlich ebenso viele Leben gekostet. Schlussendlich habe ich dann das richtige getan und dafür wurde ich bestraft."
Das was sie sagte schien ihr schwer über die Lippen zu gehen. Insgeheim fragte ich mich, ob sie das jemals jemanden erzählt hatte.
Bestimmt nicht. Was für kranke Dinge passieren den bitte im Himmel?
"Was ist dort passiert? Was hast du angestellt?", löcherte ich sie fordernd, aber dennoch mitfühlend.
Denise schaute noch immer zu Boden. Sie hatte sich nicht einen Zentimeter von der Stelle bewegt. Still schaute sie auf die Straße, die von den verschiedenen Lichtern beleuchtet wurde. Ohne auf mich zu achten erhob sie sich einfach.
Sie lief ein paar Schritte im Kreis und kam schlussendlich bei der Zapfsäule zu stehen, wo sie sich anlehnte. Nervös griff sie sich an ihr Ohr und zupfte an einer ihrer Haarsträhnen herum. Sie schien innerlich mit etwas zu ringen. Etwas das ihr nicht leicht fiel.
Während sie so nachdachte und ich sie dabei beobachtet, trat sie angespannt vom einen zum anderen Fuß. Nach wenigen Sekunden hob sie den Kopf. Dabei fiel ihr Blick auf mich. Sie blickte mich an, als könnte sie in meine Gedanken schauen. Als prüfe sie jede einzelne Ecke meines Gehirns. Tief atmete sie ein.
"Du sollst nicht falsch von mir denken, Dean." begann sie leise zu nuscheln, „Ich habe Dinge getan, die du dir in deinen verrücktesten Träumen nicht ausmalen kannst, aber das war einmal. Ich habe jemanden geholfen. Damals...
Er wurde verachtet und hätte getötet werden müssen. Aber er war unschuldig. Er hat keiner Seele etwas getan und das wussten sie. Sie alle wussten es.
Ich habe nur das getan, was ich all die Jahre zuvor hätte tun sollen.
Einschreiten! 'Stop' sagen!
Und das hat ihnen nicht gefallen. Im Himmel da parierst du, oder du verlierst. Es wird nichts hinterfragt. Wer zweifelt geht."
Durch den Fluss der Worte wurde ihre Stimme immer fester und selbstsicherer. Sie war felsenfest von ihrer Meinung überzeugt und das war auch gut so.
Nachdem sie geendet hatte, war sie still stehen geblieben. Sie schaute mich sanft aus ihren großen Augen an. Aufmerksamkeit beobachtet sie jede Fassette meines Gesichtes.
Sie erwartete eine Antwort und die sollte sich bekommen. Leicht nickte ich etwas und richtete mich auf, sodass ich nun kerzengerade da saß.
"Gut.", antwortete ich schlicht, „Das war alles was ich hören wollte."
Erneut lächelte sie mir zu. Aber dieses hier war anders als das andere. In diesem hier steckte Erleichterung.
"Schön, dass das hier endlich mal geklärt wurde.", meinte sie leicht grinsend, "Du bist eigentlich gar kein so ein Ekel wie ich zunächst gedacht habe."
Getroffen griff ich mir an die Brust.
"Soll ich das als Kompliment verstehen, oder wie stellst du dir das vor?", lachte ich.
"So kann man das auch sehen.", bestätigte sie meine Aussage amüsiert, „Aber bilde dir ja nichts darauf ein, hast du mich verstanden?"
Wissend nickte ich und hob beschwichtigend die Hand in die Höhe. Ich erhob mich nun auch, sodass ich nun direkt neben dem Impala stand, gegenüber von Denise. Ich blickte kurz durch das Fenster auf den Beifahrersitz, wo Sam immer noch seelenruhig schlief und sich kein Stück bewegte.
Wie schaffte der Typ das nur? Es war fast unmöglich, dass er so viel schlief. Dieser Langweiler!
"Er hat Glück dich als Bruder zu haben. Er weiß das, auch wenn es nicht immer danach aussieht.", flüsterte sie leise, aber dennoch hörbar, wobei sie ihre Augen auf Sam gerichtet hatte. Langsam ging ich ein paar Schritte auf sie zu und setzte mich auf die Motorhaube meines Baby's. Während ich so da saß, hatte ich meinen Blick gesenkt. Ich starrte auf den tiefschwarzen Lack unter mir, der wunderschön glänzte. Er glänzte so sehr das er mich spiegelte. Da spürte ich einen leichten Luftzug. Kaum wahrzunehmen, aber trotzdem da.
Denise hatte sich direkt neben mich auf die Haube gesetzt. Nicht das es mich störte, im Gegenteil. Ich mochte ihre Nähe, aber irgendwas ließ mich stutzen. Irgendwas war anders als sonst, aber ich kam nicht drauf was.
"Hast du außer mit Bobby und diesen Mädchen auch noch mit jemand anderen zusammen gearbeitet?", fragte ich interessierte nach.
Schief sah mich der Ex-Engel von der Seite her an.
"Soll das jetzt etwa Smalltalk werden? Den wenn ja, bist du echt nicht gut darin.", witzelte sie, „Aber ich will mal nicht so sein. Ja hab ich. Vielleicht sagen dir die Namen Gideon und Jamie Cross etwas. Zwillinge... Mit denen war ich eine Zeit lang unterwegs.
Und dann noch mit einer Gruppe von Jägern aus Santa Fe. Mit den restlichen habe ich nicht länger als ein paar Tage zusammengearbeitet."
Nachdenklich nickte ich. Gedankenverloren blickte ich noch immer auf den Autolack.
"Und was ist mit diesem Typen, zu dem fahren? Payton?", forschte ich, für meinen Geschmack etwas zu interessiert weiter.
Aus irgendeinem Grund, der mir damals selbst nicht klar gewesen war, schien dieser Name meine Aufmerksamkeit zu wecken.
"Paymon.", berichtigte sie mich, "Er... er ist... es ist kompliziert mit ihm. Einerseits ist er... er ist... Um ganz ehrlich zu sein, weiß ich überhaupt nicht was er ist. Ich glaube auch nicht, dass es dafür überhaupt eine Bezeichnung gibt. Geschweige denn, dass es noch so ein komplett verkorkstes Paar wie uns nochmal gibt. Weder hier, noch in der Hölle, noch im Himmel."
Amüsiert schnaubte ich auf und schlug mir dabei leicht auf den Oberschenkel.
"Darüber würde ich mir keine Sorgen machen, denn ein Mitglied des verrücktesten Teams der Welt sitzt gerade neben dir. Ein Typ der in der Hölle war. Der andere ein Engel im Trenchcoat und der dritte ein Idiot der für ein Jahr seine Seele verloren hat. Wir sind so was wie das A-Team, nur cooler.", witzelte ich.
"Ja, ja, natürlich seid ihr das.", murmelte sie spöttisch, während sie ihre Arme auf den Impala stützte und den Blick zu den Sternen hob.
Gedankenverloren betrachte ich sie genau. Die silbernen Knöpfe am Kragen des Hemdes, leuchteten im Licht des Mondes, der strahlend über der Tankstelle schwebte.
Sie wirkte irgendwie so verloren. So als hätte sie niemanden und das stimmte wahrscheinlich sogar. Es tat mir so Leid für sie. Sie war von ihrer Familie weg gegangen und auch wenn ich die Engel nicht mochte, so konnte ich sie dennoch verstehen. Ich konnte verstehen warum sie sich schuldig fühlte, sie verlassen zu haben, denn das tat sie.
Ich erkannte es in ihren Augen. Denn gleichen Ausdruck hatte auch Sam gehabt, als er studieren gegangen war. Es war bestimmt nicht leicht für sie, so alleine herum zu fahren, ohne jemanden an ihrer Seite.
Ich hatte Sam und Castiel und Bobby. Irgendjemand war immer für mich da gewesen. Während ich so stumm nachdachte, rührte sich mein Körper von ganz alleine.
Unauffällig rückte ich ein ganzes Stück näher an sie, darauf konzentriert ruhig zu atmen. Wie zuvor saßen wir nun Schulter an Schulter nebeneinander. Denise schien das jedoch nicht zu beachten, sondern schaute immer noch ungerührt in den Himmel.
Langsam hob ich meine Hand hinter ihren Rücken, gerade so weit von ihr entfernt, dass ich sie nicht berührte.
Sollte ich sie an der Schulter halten? War das normal für Partner, oder... näherte ich mich gerade Denise Newman, dem Ex-Engelchen, an? Was zum Teufel tat ich da eigentlich gerade?
Nachdenklich fuhr ich mir wieder mit der freien Hand durch die Haare. Was war denn nur mit mir los? Hatte ich zu viel getrunken? Nein, ich war nüchtern!
Oder hatte ich etwa so viel getrunken das ich nicht mal mehr wusste, dass ich etwas getrunken hatte?
Keine Ahnung... Das einzige was ich wusste war, dass ich dem Mädchen neben mir am liebsten tröstend über die Schulter streichen wollte, aber das konnte ich nicht.
Ich war Dean Winchester!
Dean!
Winchester!
Der tat so etwas nicht. Niemals! Und dennoch saß ich gerade neben Denise und überlegte ob ich es tun sollte. Seit wann, war ich den bitte zu Sam mutiert? Das passte nicht zu mir. Das sollte so nicht sein!
Nervös knetete ich meine Finger. Sie waren rutschig. Ich schwitzte. Was war nur los?
Verwirrt schüttelte ich den Kopf zog ruckartig meine Hand zurück, so als hätte ich auf eine erhitzte Herdplatte gegriffen. Das hier war alles andere als normal für mich. Ich wollte das irgendwie nicht, aber was noch verstörender war, es hatte sich richtig angefühlt.
Das was ich jetzt brauchte, war Platz. Viel Platz!
Schnell stand ich auf und hob den Becher mit Kaffee an. Darin befand sich nur noch wenig von dem braunen Zeug, das ich mir in einem Zug den Rachen hinunter schüttete.
"So ich denke wir sollten wieder los, oder?", meinte ich motiviert, während ich den leeren Becher zielgenau in eine Mistkübel verfrachtete, "Wir wollen doch nicht zu spät zu Perry kommen, was?"
Etwas verstört senkte Denise ihren Kopf und starrte mich mit einen undefinierbaren Blick an.
"Du meinst Paymon?", fragte mit einer unsicheren und zugleich amüsierten Stimme.
Ablehnend hob ich die Hände in die Luft und lachte leicht nervös.
"Ja, den meine ich. Wir sollten los. Bis nachher. Fährst du vor? Gut! Dann bis später.", plapperte ich und ging schnellen Schrittes um den Wagen zur Fahrertür.
Diese öffnete ich hektisch und setzte mich hastig hinter das Steuer des Impalas. Ehe sie auch nur die Chance hatte zu Antworten, hatte ich die Tür schon geschlossen und winkte zu ihr nach draußen.
Denise winkte mit einer recht ratlosen Miene zurück und drehte sich zu ihrem roten Stingray um, der nur ein paar Meter entfernt stand. Durch die nicht ganz so schalldichten Fenster, des Autos, konnte ich ein fast unverständliches Gemure vernehmen, dass sich so ähnlich an hörte wie, "Der wird wohl immer ein Rätsel bleiben."
Wo sie Recht hatte, da hatte sie Recht. Aufmerksam beobachtete ich wie sie ebenfalls in den Wagen stieg und ihn startet. Dabei gingen die Scheinwerfer an, die zwei Lichtkegel auf die von Schotter bedeckte Straße warfen. Erneut fühlte ich mich wieder wie ein perverser Stalker.
Aber dennoch erleichtert dieser seltsamen Situation gerade noch einmal entkommen zu sein, stieß ich beruhigt Luft aus.
"Was war denn das gerade?"
Erschrocken zuckte ich zusammen und drückte mich gegen die Fensterscheibe. Geschockt unterdrückte ich es laut auf zu keuchen.
"Sammy!", schnaubte ich erschrocken, "Erschrick mich nie wieder so. Ich dachte du schläfst."
Beruhigt, dass es nur mein kleiner Bruder war, löste ich mich wieder von der Tür und begann mich wieder zu entspannen.
Dabei wagte ich einen Blick zur Seite. Sam saß aufrecht wie eine Kerze auf seinem Sitz. Gerade so, dass er nur noch ein paar Zentimeter zur Decke des Impalas hatte.
Flüchtig räusperte er sich und meinte trocken: "Offensichtlich nicht. Also, was war das?"
"Was war was?", versuchte ich unschuldig zu antworten, während ich ebenfalls meinen Wagen startete.
"Komm schon, Dean!", drängte Sam ungeduldig", Ich bin schon eine ganze Weile wach. Ich habe euch gesehen. Was war das?"
Mit eisernem Blick auf die Straße fuhr ich los. Denise hatte sich schon in Bewegung gesetzt und war durch die Ausfahrt, der Tankstelle verschwunden. Ich spürte, dass mich Sam's aufmerksame Hundeaugen genau studierten.
"Nichts!", brummte ich angespannt, indessen ich auf das Gaspedaldrückte und den Hot-Wings folgte.
"Mhm... sah, aber nicht danach aus...", begann Sam erneut.
"Sam!", knurrte ich, "Hör auf! Da war nichts. Absolut nichts! Finde dich damit ab! Verstanden? Jetzt halt die Klappe und schlaf weiter."
Entnervt verdrehte ich die Augen. War er jetzt auch noch komplett bescheuert? Sam stützte sich mit seinem Ellbogen auf das Amerturenbrett. Einige Strähnen hingen ihm schlaff über die Augen. Ich hatte schon die Hoffnung, dass er jetzt Ruhe geben würde, aber er wäre nicht mein Bruder, wenn er nicht noch wieder nachstacheln würde.
"Komm schon, Dean! Ich hab es doch gesehen.", bohrte er, "Du magst sie."
Jetzt reichte es aber! Das war zu viel! Wütend stieg ich urplötzlich auf das Bremspedal, sodass wir eine Vollbremsung machten.
Sam wurde etwas nach vorne geschleudert, jedoch vom Sicherheitsgurt sofort wieder zurückgezogen.
Wir rutschten noch ein paar Meter weiter quietschend über die Straße, bis wir schließlich stehen blieben.
"Ich sagte, es reicht, Sam! Schluss damit!", schnauzte ich ihn zornig an.
Neugierig hob er die Augenbrauen. "Ich meinte nur, dass es okay wäre. Sie ist nett. Ich mag sie. Außerdem habe ich es gesehen. Du findest toll. Ich weiß das, Dean. Ich bin dein Bruder. Sie ist dein Typ.", sprach er mit ernster Miene.
Gefrustet legte ich den Kopf in den Nacken und drehte mich zu meinen kleinen Bruder. Dieser schaute mich erwartungsvoll an.
Angespannt atmete ich einmal tief ein und aus, dann sprach ich so ruhig ich konnte: "Sam, es reicht. Ich will so etwas nicht mehr hören. Ich habe mich mit Denise vertragen. Na und? Das heißt noch lange nicht, dass ich sie jetzt heirate oder so einen Mist. Wir sind Arbeitsfreunde. Nicht mehr und nicht weniger. Verstanden? Und jetzt halt die Klappe und schlaf weiter. Ich muss jetzt fahren."
Bei meinen letzten Worten hatte er die Augen verdrehte und sich gegen die Tür gelehnt.
"Alles gut, Dean! Ich habe es ja nicht so gemeint.", versuchte er mich zu besänftigen, fügte aber leise, sodass ich es beinahe nicht gehört hatte hinzu, "So wie ich es mir gedacht habe..."
Ich beschloss diesen unnützen und hirnlosen Kommentar einfach mal zu ignorieren und weiter zu fahren. Sollte er sich doch seinen Teil denken! Mir war es gleich. Wenn er seinen Spaß daran hatte.
Nach einem kurzen Blick zu Sam hinüber, welcher jetzt mit geschlossenen Augen, im Sitz saß murmelt ich noch einmal ein leises 'Schlampe' und fuhr weiter.
Da vernahm ich neben mir ein weiteres Mal Sams gedämpfte Stimme. Sie flüsterte mir ein kaum hörbares 'Idiot' zu.

The Return of the Goddess - Supernatural       ~\~Dean Winchester Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon