16. Eine überraschende Neuigkeit

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Die Wochen vergehen, in denen Marti uns ich uns leider nur flüchtig sehen. Auch am Wochenende beschäftige ich mich hauptsächlich mit meinem Physikstudium oder verbringe die Zeit mit Max, Jenny, Celine und Liz. Die drei Mädels sind mittlerweile meine besten Freunde. An der Uni nennt man uns Science-Girls, einfach weil wir auf unseren jeweiligen Fachgebieten in den Top Ten der Studenten sind. Ja selbst ich, die vor 2 Monaten erst angefangen hat. Leider ist mein neuer Professor strenger als Ferguson, aber man kommt mit ihm klar. Inzwischen habe ich eine Studierkollegin, der ich bei so manch Hausarbeit geholfen habe. Ihr Name ist Jamini und sie steht auf Pokémon. Deutlich wurde es mir erst, als ich sie mal besucht habe. Alles in ihrem Zimmer hat einen Bezug zu Pokémon. Jamini ist zwar nett, aber ich glaube mehr als Studierkolleginnen werden wir nicht. 

Heute war Jamini nicht da, aber ich habe ihr meine Notizen via WhatsApp geschickt. Ich lese gerade neue Nachrichten von den Mädels, als ich von Jamini eine Antwort bekomme. Sie bedankt sich und wüscht mir noch ein schönes Wochenende. Es klopft plötzlich an meiner Tür und Max tritt ein. "Hast du kurz Zeit?" Er sieht besorgt aus. "Klar, komm rein." Max atmet erleichtert aus und setzt sich in den Sitzsack. "Was gibt's?" frage ich ihn. "Ich glaube, dass ich mich in eine deiner Freundinnen verknallt habe." Boom! Mit der Tür ins Haus! "Oh! Ok?" Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. "Welche denn?" "Das ist ja das Problem! Ich weiß nicht welche!" "Ja, das ist ein Problem, aber dieses lässt sich lösen. Ich werde dir dabei helfen." "Und wie?" 
Ich öffne das Profil von Jenny auf WhatsApp und zeige Max das Profilbild. Er beginnt zu lächeln und seine Wangen werden sogar etwas rötlich. "Ok, die nächste." Ich zeige ihm diesmal Celine. Keine sichtbare Reaktion. "Ok. Und nun die Letzte." Liz hat leider nicht sich auf ihrem Profilbild, aber in meiner Galerie finde ich ein Foto. Max hat hier die gleiche Reaktion wie bei Jenny. Hier ist sie sogar etwas stärker. Ich lege mein Handy weg und sehe ihn an. "Also. Nach kurzer Analyse der Daten kann ich sagen, dass Celine es nicht ist. Bei Jenny und Liz hast du Gefühle, die über eine Freundschaft hinausgehen, wobei es bei Liz leicht stärker ist." "Alles klar, das muss ich erstmal verdauen. Danke, Luna!" Er steht auf und umarmt mich, bevor er nachdenklich das Zimmer verlässt. Ich schüttle leicht meinen Kopf. Max und verliebt. Das wird nicht gut ausgehen! 

Ich mache weiterhin Physik, als es erneut an der Tür klopft. "Herein!" rufe ich. Diesmal sind es Rick und Steve. "Hey, Jungs!" begrüße ich sie, als ich kurz von meinen Notizen aufblicke. "Was machst du da gerade?" fragt Steve. "Lernen. Ich merke, dass ihr mir etwas mitteilen wollt. Also raus mit der Sprache." "Wir fliegen demnächst wieder nach L.A. Sollen wir dir was mitbringen?" "Das ist echt nett. Gerne. Bringt mir einfach ein Souvenir mit. Und vergesst nicht eine Postkarte zu schicken!" Die beiden nicken eifrig. 
"Sag mal, können wir dir helfen beim Lernen?" "Nein, das denke ich nicht. Und nicht weil ich es euch nicht zutraue, sondern, weil ihr nicht mit dem Thema vertraut seid. Es ist jetzt mitten im Semester." "Achja, stimmt! Ok, dann bis in zwei Wochen. Wir fliegen heute Nacht." "Die Frösche springen also mal eben über den großen Teich und alles was ich bekomme, ist ein kleines Souvenir?" frage ich sarkastisch. "Ähm.. Ja?" "Ok. Euch viel Spaß!" Ich winke ihnen zu und drehe mich erneut zu meinen Notizen, als noch jemand mein Zimmer betritt. 
Es ist Frodo, der gleich auf Steve zugeht. "Hier seid ihr! Sag mal, kann ich mein Geschenkwunsch noch ändern?" "Worauf denn?" Ich gehe dazwischen. "Könnt ihr das draußen klären? Ich möchte lernen!" Die drei nicken und gehen diskutierend vor die Tür. Selbst wenn sie geschlossen ist, höre ich die Diskussion noch. 

Plötzlich verstummt das Gespräch und es wird erneut an meine Tür geklopft. "Herein!" rufe ich gereizt. Marti kommt vorsichtig herein. "Ich hab die Jungs weggeschickt, dann kannst du in Ruhe lernen." "Danke. Wenn du möchtest, kannst du dich setzen. Ich bin gleich fertig." Er nickt und setzt sich auf die Sofakante. Ich widme mich wieder der Physik zu. 
Knapp 10 Minuten später bin ich fertig und schaue auf Marti, der angestrengt auf sein Handy starrt. Ich gehe zu ihm. "Was machst du da?" "Sodoku. Extremer Schwierigkeitsgrad. Hier stehen nur 5 oder 6 Zahlen. Und woran hast du eben gearbeitet?" Er steckt sein Handy in die Hosentasche und hört mir aufmerksam zu. "Im Moment ist das Thema der Hausarbeit vereinfacht gesagt: ungleichförmige Schwingungen. Ich bin so gut wie fertig, deswegen kann ich das Wochenende genießen." 
"Klingt nach einem guten Plan. Bist du wieder mit deinen Freundinnen verabredet?" "Bisher hat sich noch nichts ergeben." "Was nicht ist, kann ja noch werden, aber bevor das passiert, würde ich gerne wieder mit dir Zeit verbringen. In letzter Zeit hatten wir kaum Gelegenheit dazu und..." er hält inne und senkt seinen Blick. "... und ich vermisse dich." flüstert er fast. Marti so schüchtern zu sehen, macht mich irgendwie glücklich. Ich schaue ihn lächelnd an. "Was schlägst du denn vor, wie wir die gemeinsame Zeit nutzen?" Er denkt kurz nach, bis sich sein Gesicht erhellt. "Wir könnten dumme Synchros machen! Dazu schalten wir einfach irgendeinen Film ein, machen den Ton aus und improvisieren, was gerade gesagt wird." Ich lasse mich von Marti's Begeisterung anstecken. "Klingt lustig." 

Plötzlich betritt jemand den Raum. "Luna, hier ist ein Brief für dich." Steve überreicht mir einen Umschlag. Meine Adresse steht auf der Vorderseite und der Absender kommt mir bekannt vor. Es ist eine Familie aus Essen. Neugierig öffne ich den Umschlag. Viel Text ist es nicht.
>Hallo Luna,
Wir sind Familie Sörensen und deine Nachmieter. Vielleicht erinnerst du dich nicht mehr an uns, schließlich warst du erst 7. Wir haben einen Karton von dir auf dem Dachboden gefunden. Du kannst ihn gerne abholen kommen. Ruf uns einfach an unter 0176*****.
Gruß Mathias Sörensen
<
Ich lasse das Papier sinken. Mein Blick schwenkt rüber zu Marti und Steve, die mich erwartungsvoll ansehen. Nachdenklich schaue ich mir den Brief erneut an. "Ich muss nach Essen!" sage ich schließlich. Bevor mir jemand antworten kann, kommt Rick herein. "Steve! Wir müssen noch unsere Koffer zu Ende packen!" "Ach stimmt! Warte, ich bin sofort da!" Sie verlassen mein Zimmer. "Warum musst du nach Essen?" fragt Marti "Ich hatte dir ja mal gesagt, dass ich mich meiner Vergangenheit stellen muss, damit ich damit abschließen kann." "Ja. Hast du gesagt. Und wie kommst du jetzt darauf?" Ich reiche ihm den Brief. Als er fertig ist mit Lesen, schaut er mich an. "Das ist was Gutes! Ich denke, es wird dir helfen." "Ja. Das denke ich auch." 

Einige Minuten vergehen. Ich weiß nicht, wie ich ihn fragen kann, ob er mich begleiten möchte, ohne das mein Herz bei dem Gedanken daran, eine Reise mit Marti zu machen, gefühlt gleich platzt. "Marti?" flüstere ich fast. Er ist wieder in sein Handy versunken und seinem Gesichtsausdruck nach, versucht er immer noch das Sodoku zu lösen. Ich tippe ihm auf die Schulter. "Was gibt es?" Er starrt weiterhin sein Handy an. "Möchtest du mich nach Essen begleiten?" Er legt sein Handy zur Seite und umarmt mich. "Ich dachte schon, du fragst mich nie!" Ich erwidere die Umarmung. Mir wird dabei ganz warm ums Herz. "Ok. Dann rufe ich mal eben bei Herr Sörensen an."

Ich wähle die angegebene Nummer. Nach nur wenigen Sekunden nimmt ein Mann ab. "Sörensen?" "Hallo, hier ist Luna! Ich habe eben Ihren Brief erhalten." "Ach, schön, dass du anrufst. Du hörst dich so erwachsen an. Wie lange ist das jetzt her? 15 Jahre?" "Genauer sind es 17 Jahre und etwa 1 Monat. Sie haben einen Karton von mir gefunden? Ich würde ihn gerne abholen. Wann passt es Ihnen denn?" "Dieses Wochenende, wenn es bei dir passt. Wir sind ab nächste Woche für 8 Wochen mit dem Wohnmobil unterwegs." "Bei mir passt es, kein Problem." "Du kannst auch gerne über Nacht bleiben, falls du mit dem Zug fährst. Dann kannst du dir Essen nochmal ansehen und wo du früher gelebt hast. Kommst du allein?" 
"Nein. Ich komme in Begleitung. Passt Ihnen das denn?" "Kein Problem. Du kannst mir dann per WhatsApp schreiben, wann deine Züge fahren." "Alles klar! Auf Wiederhören." Ich lege auf. Zu Marti sage ich aufgeregt: "Wir fahren morgen nach Essen!" Ich schreibe schnell den Mädels, dass ich dieses Wochenende schon vergriffen bin. Liz und Celine antworten sofort und wüschen mir viel Spaß.

Schnell ist alles gepackt und recherchiert, sodass Marti und ich in den frühen Morgenstunden in den Zug nach Essen steigen. Als sich nach etwa 15 Minuten der Zug in Bewegung setzt, ist Marti bereits eingeschlafen. Er greift dennoch plötzlich nach meiner Hand. Ich lasse ihn gewähren und schließe ebenfalls meine Augen. Der Zug hält noch in Berlin-Spandau, bevor auch ich einschlafe. 
Ich wache auf, als sich der Zug erneut in Bewegung setzt. Ein kurzer Blick nach draußen zeigt mir noch das Schild, wo Dortmund steht. Wir werden bald da sein. Ich sehe nach links, wo Marti noch immer schläft. Er hält noch immer meine Hand fest in seiner Hand. Ich muss unwillkürlich lächeln. Wir wollten Zeit miteinander verbringen, zwar anders als geplant, aber irgendwie freue ich mich auf Essen. Vielleicht wohnen ja noch andere Nachbarn von früher da. Mit den Kindern habe ich damals viel gespielt. 
Gespannt schaue ich aus dem Fenster, als Marti sich neben mir zu bewegen beginnt. Nach einem ausgiebigen Gähner fragt er mich verschlafen: "Wo sind wir jetzt?" "Gleich bei Bochum." Es folgt die Durchsage, dass wir gleich Bochum erreichen. "Ok. Trotzdem Danke, Luna!" Sein Blick fällt auf unsere Hände, die sich noch immer festhalten. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass auch er schmunzelt. 

Die restliche Fahrt verläuft schweigend. Als Essen angesagt wird, lösen wir unsere Hände und holen unser Gepäck von der Ablage. Wir steigen aus. Auf dem Weg aus dem Gebäude nimmt Marti wieder meine Hand. Diesmal verschränken wir unsere Finger miteinander. Mein Herz beginnt wieder schneller zu schlagen. "Du weißt, wo wir lang müssen?" Ich nicke. "Da fährt leider keine Linie direkt hin. Wir könnten ein Taxi nehmen." Ich zeige auf die Reihe wartender Taxen neben dem Gebäude. "Ok." bestätigt mir Marti. Wir geben dem Fahrer unser Gepäck und steigen hinten ein. Ich gebe wenig später die Adresse weiter. "Ich bin total aufgeregt." Marti streicht mir durchs Haar. "Brauchst du nicht. Ich bin ja bei dir!" 


Auf der Suche nach Heimat (Marti Fischer & Co. KG FF)Where stories live. Discover now