11. Ein Dreh mit Fröschen

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Ich kenne viele Videos der Space Frogs, naja nahezu alle. Auch das Video '10 Arten von Mitbewohnern'. Und heute werde ich erfahren, wie so ein Video entsteht. Voller Vorfreude gehe ich hinter Marti den Flur entlang. Schon von weitem höre ich das typische Gelaber der Frösche. Als Marti ohne zu klopfen einfach reinplatzt, fängt Steve an zu lachen. Rick stimmt mit ein.
Wenn es schon so anfängt, wird es wohl die ganze Nacht dauern, bis das Video fertig ist. "Seht ihr? Genau das meinte ich!" sagt Steve zur Kamera. 

So geht das eine ganze Weile weiter. Es wird sich versprochen, es wird Text vergessen, man unterbricht sich gegenseitig, aber vor allem wird viel gelacht. Ich nehme das alles sehr locker hin, bis ich dann bei der letzten Art vor der Kamera stehe. Ich werde so plötzlich mit der Situation überrumpelt, dass ich in eine Art Schockstarre falle. Nach etwa zwei Minuten fällt es dann auch den Jungs auf. 
Erst als dann die Kamera kurz ausgeschaltet wird, entspannt sich mein Körper wieder. "Luna? Alles ok? Du warst eben wie versteinert!" Marti sieht mich besorgt an. Ich gestehe den Jungs, dass ich wohl etwas Lampenfieber habe. Steve fängt an zu lachen. "Hör mal, Luna! Du hast fast eine Million Abonnenten! Und dann willst du uns erzählen, dass du Lampenfieber hast?" "Ja!" sage ich empört. Marti legt mir seine Hand auf die Schulter und schaut mir in die Augen. "Luna. Bleib ganz ruhig! Wir stehen hinter der Kamera. Erzähle es doch einfach uns! Ignoriere die Kamera!" Ich nicke entschlossen.

Nachdem ich Marti's Rat befolgt habe, klappt es gleich beim ersten Mal richtig gut. Ich werde gelobt und wir machen zu viert die Endcard. Da wird mein Kanal verlinkt und ich kündige an, dass sich dieses Video auch auf meinem Kanal befinden wird. 
"Wir sind mit dem Drehen fertig. Jetzt muss nur noch geschnitten werden und dann wird es hochgeladen." erklärt mir Marti. "Ihr könnt jetzt gehen. Wir sollten in spätestens einer Stunde fertig sein." Rick scheucht uns quasi aus dem Raum. "Rick, wie sieht es eigentlich mit unserem Discordserver aus?" fragt Steve, bevor Rick die Tür hinter uns schließt. "Discordserver?" "Ja. Die haben da so eine Idee fürs Frühschoppen." "Ok. Gehen wir was essen? Ich hab echt Hunger." "Klar. Lass uns Sandwiches machen!" Marti geht fröhlich in die Küche. 

"Alles Klar!" sage ich, als ich die Küche erreiche. Marti hat sich das ganze Toastbrot geschnappt und verarbeitet es gerade zu Doppel- und Dreifachsandwiches. Jetzt weiß ich wieso sich Rick mal in einem früheren Video darüber beschwert hatte. "Willst du Salami oder Schinken?" "Beides mit Käse." "Also so wie ich. Doppel oder Dreifach?" "Doppel, zweimal bitte." "Also Vierfach?" Ich muss lachen. Marti stimmt mit ein und macht währenddessen meine Sandwiches. 

Ich bemerke gerade, dass ich beim Dreh vorhin etwas gespürt habe. Es war ein Gefühl, dass ich sehr lange Zeit nicht hatte. War es so etwas wie Zufriedenheit oder gar Geborgenheit? Was war es, dass mir dieses Gefühl gab? Liegt es an den Spaß, den ich mit den Jungs habe oder weil der Wichser von Stiefvater mir es diesmal nicht kaputt machen kann? Oder sind es sogar meine neuen Mitbewohner und Freunde? Bei dem  Gedanken muss ich lächeln.
Freunde. Und dieses mal bleiben sie länger als nur wenige Monate. Ein kleines Aufglühen eines mir recht unbekannten Gefühl zeigt sich. Kann es sein? Ja, ich denke schon. Es ist Hoffnung. Ein Funken Hoffnung darauf, endlich angekommen zu sein.

In Gedanken versunken, habe ich nicht mitbekommen, dass Marti versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen. Erst als er mich an den Schultern packt und leicht schüttelt, komme ich zurück aus meiner Gedankenwelt. “Wie? Was? Marti?“ sage ich perplex. Marti runzelt die Stirn. “Mensch, Luna. Was ist denn heute mit dir los? So kenne ich dich gar nicht.“ “Ich war eben wohl etwas in Gedanken versunken.“ “Ein bisschen ist gut. Du warst komplett weggetreten. Muss ich mir deswegen Sorgen machen?“ Ich schüttle meinen Kopf. “Nein. Ich habe sowas oft. Nur bekam es vorher niemand mit. Niemand war bisher so aufmerksam wie du. Na Ja außer Max, aber der zählt hier nicht.“
Eine Weile weiß niemand so recht, was er sagen soll. “Luna. Ich hab mich gefragt, ob du... Ähm... Möchtest du mal ein Video mit mir machen? Ein Loop zwischendurch zum Beispiel.“ “Sehr gerne!“ Ich lächle ihn an. Als er mich ebenfalls anlächelt und näher kommt, beginnt mein Herz ganz plötzlich schneller zu schlagen. Das macht mich nervös und ich weiche leicht zurück und schnappe mir meine Sandwiches. Schnell beiße ich ab. Ich sehe die Enttäuschung deutlich in Marti's Augen. Auch wenn er versucht es zu verschleiern, indem er ebenfalls herzhaft in sein Sandwich beißt.

“Wir sollten langsam zurück.“ Ich bringe nur ein Nicken zustande. Mein Herz rast immer noch, aber die Nervosität hat sich gelegt. Was zur Hölle war das da gerade? Ich denke nicht weiter drüber nach und genieße das überraschend gute Sandwich. “Das Sandwich ist echt gut.“ sage ich beiläufig zu Marti. Aus seinen Augen weicht die Enttäuschung. Obwohl er seine Gefühle Gut im Griff zu bekommen scheint, weiß ich doch immer, wie er drauf ist, sobald ich ihn ansehe.
Es klingt seltsam, ich weiß. Aber ich habe einen siebten Sinn für so was. Manche sagen, es ist Fluch und Segen zugleich, aber so habe ich es nie empfunden. Bei einer solchen, nennen wir es mal Fähigkeit, gibt sowohl gute als auch schlechte Seiten, aber die Kunst daran ist es, beide zu akzeptieren.

Wir kommen bei den Fröschen an. Diese sind gerade mit dem Schnitt fertig geworden und zeigen uns das fertige Video. Bei vielen Momenten müssen wir lachen. “Was sagt ihr dazu? Können wir es veröffentlichen?“ “Mir gefällt es.“ “Mir auch. Und wenn ich es hinzufügen kann: Es ist eins der besten Videos, die ich von euch kenne. Man sieht, dass es uns Spaß gemacht hat.“ Mit diesem Statement von mir, klickt Steve auf den Knopf und das Video lädt hoch. “Und was machen wir jetzt noch mit der angebrochenen Nacht?“ frage ich in den Raum. “Wir könnten uns n paar Filme oder so anschauen.“ schlägt Rick vor.

10 Minuten später sitzen wir vorm Fernseher und schauen uns den, 2015 erschienenen, Film Pixels an. Ich sitze zwischen Marti und Steve. Da ich den Film schon kenne, höre ich nur mit halben Ohr hin und denke noch einmal über das Gefühl während des Drehs nach. Plötzlich spüre ich es erneut. Jetzt ist mir klar, dass dieses Gefühl etwas mit der Gesellschaft der Jungs zu tun hat. Ich fühle mich wohl bei ihnen. Außer bei Max hatte ich das Gefühl nur noch bei Lucas, meinem Ex.

Fühlt es sich so an, wenn man ein Zuhause hat? Mit Menschen um einen rum, die einem wichtig sind und für die Du wichtig bist? All die Jahre war es genau das, was ich gesucht habe. Und jetzt flammt es in mir auf! Für wenige Minuten habe ich die Zuversicht, dass es für immer so sein kann. Doch mein Kopf schaltet sich wieder ein und die Zuversicht verschwindet. Mir wird plötzlich bewusst, dass ich in wenigen Tagen an der Uni mein Studium weiterführen werde. So viele neue Leute, neue Plätze und vielleicht auch neue Freunde? Da bin ich so sicher, das macht mir mein Verstand nicht kaputt.

Der Film ist vorbei und Steve geht mit Rick nochmal in deren Büro. Marti und ich sind allein. Wieder beginnt mein Herz zu rasen und ich werde zusehends nervöser. Als ich bemerke, dass Marti ebenfalls nicht weiß, was er tun soll, beruhige ich mich etwas. Schließlich sehen wir uns an. “Du weißt auch nicht, was du in diesem Moment sagen kannst?“ frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf. “Ich wüsste aber etwas, dass ich tun kann...“ sagt Marti leise. Er schaut mir direkt in die Augen und kommt langsam näher. Mir wird bewusst, dass er mich erneut küssen möchte. Mein Bauch kribbelt bei dem Gedanken, dass ich ihn auch gerne küssen will. Ich nehme meinen Mut zusammen und komme ihm entgegen. Wir schließen unsere Augen.
Als sich unsere Lippen berühren, spüre ich das gleiche Feuerwerk, wie schon beim ersten Kuss zwischen uns. Es ist, als würde man schweben. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände, als ich meine um seinen Hals lege. Plötzlich hören wir ein lautes Geräusch und drehen erschrocken unsere Köpfe in die Richtung.

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Boom! Was für ein Kliffhänger! Ja, ich bin zurück. Hatte in der Zwischenzeit meine praktische Fahrprüfung und auch bestanden! Yay! Allein Auto fahren darf ich laut meiner Mutter nicht, zumindest nicht mit ihrem Auto ;)...

Inspiration für dieses Kapitel lieferte “A head full of dreams“ von Coldplay (s.o.).

Ich habe diese Geschichte bei den Wattys 2018 eingereicht!!! Und ihr könnt mir dabei helfen, dass sie es zumindest weiter höher schafft! Voten, Kommentare, etc. Ihr kennt ja die ganze Schoose.
Tschüssili!

Auf der Suche nach Heimat (Marti Fischer & Co. KG FF)Where stories live. Discover now