10. Chai Latte löst Probleme

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Luna's POV:

"Ich kann da nicht wieder zurück! Ich mein, was soll ich sagen, wenn mir Marti über den Weg läuft? Wie soll ich ihm jemals wieder in die Augen sehen können?" schreie ich verzweifelt. Ich lasse mich aufs Bett fallen. Seit etwa einer Woche verstecke ich mich bei Max. Ich bin völlig am Ende. Dieser Kuss hat alles verändert! Mein Gehirn ist überfordert, mein Herz spielt verrückt. Ich kann nicht Essen, nicht schlafen, nicht mal einen klaren Gedanken fassen. Max ist auch fertig mit den Nerven. "Was ich dir nur raten kann ist, dass du mal mit einer Frau darüber reden solltest. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Geh doch zu Frau Krüger oder noch besser, ihrer Tochter!" Ich setze mich auf und schaue ihn an. "Du meinst Jenny? Das wäre ein Versuch wert. Ich ruf sie gleich mal an. Oder noch besser, ich gehe vorbei." Ein Blick auf die Uhr genügt, dass ich innerhalb von wenigen Sekunden mich frisch mache, Schuhe und Jacke anziehe und in den Abend hinauslaufe.

Ich erwische Frau Krüger noch, als sie gerade dabei ist, ihren Laden zu schließen. Sie macht mir die Tür auf und begrüßt mich mit einer mütterlichen Umarmung. Es tut verdammt gut. "Danke Frau Krüger, genau das habe ich gerade gebraucht. Ist Jenny zufällig hier?" Sie mustert mich von oben bis unten. "Jenneth ist hinten im Lager. Sie macht Inventur. Du kannst ruhig zu ihr gehen. Ich bin hinter der Kasse, falls ihr mich braucht." Sie tätschelt meine Schulter und lässt mich zu Jenny.
Ich bin das erste Mal im Lager. Tausende Gerüche verschiedenster Kräuter strömen in meine Nase. Darunter auch einige Früchte. Jenny befindet sich links von mir mit Klemmbrett und Kugelschreiber in den Händen. "Jenny?" frage ich leise, um sie nicht zu erschrecken. Sie schaut in meine Richtung und lächelt, als sie mich entdeckt. "Luna. Hi! Wie geht es Dir?" "Ganz ok. Und dir?" "Mir geht's gut. Was machst du hier? Kann ich dir bei was helfen? Wie geht es eigentlich Max?" Bei den letzten Worten bekommt sie rötliche Wangen. Sie ist definitiv in Max verknallt. Und ich? Was Gefühle angeht, bin ich schlecht darin, meine eigenen zu sortieren, erst recht Herzensangelegenheiten. Aber bei Jenny gleich mit der Tür ins Haus fallen? Nein. Ich wähle ein anderes Einstiegsthema. "Welcher ist dein Lieblingsheld von Marvel?" Jenny überlegt kurz und antwortet dann: "Thor. Definitiv Thor. Aber mein Lieblingsschauspieler ist Cumberbatch. Ich liebe Cumberbatch! Du magst Deadpool, richtig?"

Ich nicke. "Dann ist dein Lieblingsschauspieler Ryan Reynolds?" "Ja, Stimmt. Aber noch mehr mag ich Tye Sheridan." "Hmm... Der sagt mir nichts. Wo hat der denn mitgespielt?" "Bei X-Men Apocalypse. Ich hab gehört, dass er demnächst eine große Filmrolle hat. Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich wollte mir dir reden." "Oh. Klar, worum geht's? Möchtest du einen Tee dazu?" Ich atme erleichtert aus und nicke. Jenny nimmt mich an die Hand und zieht mich aus dem Laden.

"Wo gehen wir hin?" "In ein Café. Da gibt es total guten Chai Latte. Magst du sowas?" "Habe ich noch nie probiert, würde ich aber gerne." Jenny lächelt mir zu. "Super. Ich suche dir eine Sorte aus." "Danke." 
Wir gehen in das Café. Während Jenny die Getränke bestellt, suche ich uns einen Sitzplatz. Ich finde in einer Ecke einen freien Tisch und winke Jenny zu, die mir wenig später folgt. Sie stellt eine Tasse vor mir ab, aus der es herrlich nach Vanille duftet. Jenny sieht mich erwartungsvoll an, als ich ein Schluck probiere. Der Vanillegeschmack spielt hier eindeutig die Hauptrolle, aber ich schmecke eine Prise Kokosnuss heraus. Alles in allem mag ich dieses Getränk. "Sehr lecker!" sage ich zu Jenny, die nun ebenfalls einen Schluck nimmt.

"Ja. Worüber möchtest du denn mit mir reden?" Ich atme tief ein. "Hat dich schon mal jemand geküsst, ohne, dass du es wolltest, aber es in der Situation einfach gepasst hat?" Jenny blickt besorgt drein. "Nein, aber dir ist es wohl passiert?" Ich bestätige. "Mit wem? Und wann? Wie hast du drauf reagiert?" "Es war letzte Woche, nachdem du und Max gegangen seit. Marti war es. Ich war total geschockt und wollte nur noch da weg." Ich starre in meine Tasse. 
"Dachte ich mir es doch!" Verwundert blicke ich auf. "Ich hatte es im Gespür, dass Marti auf dich steht!" Ich schüttle verwirrt meinen Kopf. "Wie kommst du denn da drauf?" "Ich hab da so ein siebten Sinn. Und ganz ehrlich, Marti hatte seine Gefühle nicht gerade gut versteckt. Es war die Art, wie er dich ansieht. Man sah förmlich die Herzchen darin rumfliegen!" Wir beide müssen bei dem Gedanken kichern.

"Und du bist dann abgehauen, weil du nicht damit klar gekommen bist, wie intensiv seine Gefühle sind und dass er sie so offen zeigen kann." "Denke schon. Ich habe mich dann bei Max versteckt, weil ich ihm nicht über den Weg laufen wollte. Ich weiß einfach nicht, wie ich ihm je wieder in die Augen sehen kann. Sind wir überhaupt noch Freunde? Wird es je wieder wie früher sein?" 
"Uff. Das wird nicht leicht. Als erstes solltest du dir im Klaren werden, was deine Gefühle bei der ganzen Sache ergeben. Dann solltest du mit Marti reden. Erkläre ihm deine Situation. Er wird es verstehen. Und vor allem lauf nicht vor deinen Ängsten davon! Das wird es am Ende nur noch schwieriger machen" "Wow. Du triffst echt den Nagel auf den Kopf." "Tja, ich bin schon immer gut darin gewesen Nägel mit Köpfen zu machen!" Wir lachen.

"Ach, das tat gut. Du bist echt eine gute Freundin." "Ich weiß. Du bist aber auch nicht schlecht." Sie grinst mich schief an. "Du must dich dennoch mit Marti hinsetzen und reden. Je länger du wartest, umso schlimmer wird es." "ja, du hast ja Recht. Lass uns austrinken. Ich bezahle und dann rede ich mit Marti." "Als kleiner Tipp von mir: Wenn deine Gedanken dich in eine unangenehme Richtung führen, hör auf nachzudenken und tut es einfach." "Das werde ich."

Eine halbe Stunde später stehe ich vor Marti's Zimmertür und klopfe an. Mein Herz schlägt so schnell, dass man es am anderen Ende des Flures hören könnte. Ich zittere vor Aufregung, als ich höre, wie Marti zur Tür geht. Instinktiv will ich weglaufen, doch die Worte von Jenny hallen in meinem Kopf wider. Sie halten mich davon ab. 
Marti öffnet die Tür und bleibt vor mir stehen. "Hi, Luna." sagt er schüchtern. "Hey..." erwidere ich und weiß nicht wohin mit meinen Händen oder wo ich hingucken soll. "Und... wie geht es Dir?" versucht er ein Gespräch anzufangen. "Relativ. Und dir?" "Geht so." erneutes Schweigen. "Du wolltest was von mir?" "Ja. Ich... wollte mit dir über diese Sache von letztens reden."  "Komm rein. Setz dich doch!" Er macht eine eingeladene Geste. Ich gehe schnell an ihm vorbei in sein Zimmer und setze mich auf sein Sofa.

Als er sich neben mich setzt, senke ich den Blick auf meine Schuhe. Keiner von uns sagt etwas. Ich wüsste auf nicht, was man in dieser Situation sagen kann, geschweige denn, wie ich dieses Gespräch anfangen kann. "Es tut mir leid, dass ich dich einfach so geküsst habe... Ich war nur so glücklich, als ich las, dass du genauso erfolgreich bist, wie wir anderen auch. Damit wärst du eine von uns..." sagt Marti traurig. "Aber ich will keine von euch sein, sondern einfach Luna. Egal, was auf YouTube ist. Und dass du mich geküsst hast, fand ich irgendwie... Das war sehr mutig von dir." Ich schaffe es endlich, ihn anzusehen.

Sein Blick ruht auf seinen Händen auf dem Schoß. Er knetet sie nervös. Geht es ihn also nicht anders als mir? Das erleichtert mich ein wenig. Plötzlich hebt auch er den Kopf und wir sehen uns in die Augen. Da ist es wieder, dieses Gefühl der Anziehung. Als wären wir Magneten unterschiedlicher Pole. Eine Kraft gegen die man sich nicht wehren kann. Ich kann die Spannung zwischen uns förmlich knistern hören.

Aus dem Augenwinkel sehe ich plötzlich eine Bewegung und löse meinen Blick von Marti. "Jemand ist an der Tür. Der Wind kann es nicht gewesen sein. Dein Fenster ist zu." Jetzt sieht es auch Marti. Er steht auf und ruft: "Steve, Rick kommt rein. Heimlich belauschen ist nicht mehr in." Ich höre hinter der Tür ein verärgertes Geräusch und ein geflüstertes "Verdammt, woher weiß er das?" Rick und Steve betreten den Raum. 
"Warum belauscht ihr uns?" frage ich. "Wir waren neugierig. Und außerdem freuen wir uns, dass du wieder da bist." "Lieb gemeint, aber ihr stört gerade ein bisschen." "Ok. Wollt ihr sonst mit uns ein Video machen? Rick hatte die Idee, dass wir 10 Arten von Mitbewohnern 2.0 machen. Zusammen mit euch!" "Ihr könnt ja gleich nachkommen, dann bereiten wir alles vor." Mit diesen Worten gehen Steve und Rick wieder. 
"Du hast es ihnen wohl erzählt?" Marti runzelt die Stirn. "Na ja. Es fällt halt sofort auf, wenn du nicht da bist. Und da haben die mich quasi dazu genötigt. Macht es dir was aus, wenn wir das Gespräch verschieben? Sonst sind die Frösche gleich wieder hier." Ich nicke. "Gehen wir."

Auf der Suche nach Heimat (Marti Fischer & Co. KG FF)Όπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα