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P.o.v. Will
Nachdem Nico eine gute halbe Stunde dafür brauchte, alle Pfeifenreiniger aus meinen Haaren zu holen, machten wir Frühstück. Ich deckte den Tisch, während Nico ein paar Scheiben Weißbrot toastete und einiges an Belag zusammen sammelte, wie Butter, Nutella, Wurst und Käse. Gerade als wir beginnen wollten zu essen, ertönte der Nachrichtenton eines Handys. Meines war es nicht, weshalb der Schwarzhaarige nach seinem Telefon griff. Ein Schmunzeln bildete sich auf seinen Lippen, schnell tippte er einige Worte ein und hob dann das Telefon höher. Ich hatte das unbestimmte Gefühl soeben fotografiert wurden zu sein.
"Was soll das?", fragte ich gespielt beleidigt.
"Ich habe deiner Mutter gestern versprochen, ihr ein Bild von dem Ergebnis unserer Friseuraktion zu schicken und es natürlich vergessen", antwortete er mir.
"Und sie soll nicht alle Ergebnisse zu Gesicht bekommen?"
"Was meinst du?"
Ich hob beide Augenbrauen, da es mir vergönnt war, dies nur mit einer zu tun. Als er verstand, dass ich seine neue Frisur meinte, senkte er den Blick.
"Sie wird es doch heute Nachmittag sehen", sagte er dann leise.
"Das könnte sie bei mir auch", gab ich zurück.
"Das ist etwas Anderes."
"Okay. Na dann, wo ist der Unterschied? Und jetzt sag nicht, sie hat dich nur um das Foto von mir gebeten."
Von meinem Gegenüber bekam ich keine Antwort, er aß einfach weiter. Einer Eingebung folgend schnappte ich mir sein Handy, öffnete Whatsapp und den Chat mit meiner Mom. Schnell wählte ich die Fotoanwendung, hob die Kamera und betätigte den Auslöser. Glücklich sah ich mir das Bild an, ehe mir das Lächeln vom Gesicht rutschte. Nico war schneller als ich. Der Nico auf dem Foto hielt sich beide Hände vor das Gesicht. Enttäuscht sah ich zu ihm auf.
"Bitte versuch es nicht weiter, William", gab er ruhig von sich.
"Warum?", flüsterte ich.
"Es gibt keine Bilder von meinem Gesicht -na gut, abgesehen von meinen Papieren- und es wäre auch schön, wenn das so bleibt."
"Du bist Model, wie passt das bitte zusammen?"
Nicht ganz wissend wie ich mich verhalten sollte, begann ich zu lachen. Völlig ernst stand der Ältere auf und verließ ohne ein Wort die Küche. Mich beschlich das ungute Gefühl, etwas Falsches gesagt oder getan zu haben. Zögernd folgte ich ihm.
"Nico, es tut mir leid. Ich wollte nicht..."
Ich seufzte über mein eigenes Geschwafel.
"William, ich möchte dir doch nur zeigen, was ich meine", erklärte der Ältere, während er einen Karton unter seinem Schreibtisch hervor zog.
Er öffnete diesen und förderte einige Fotografien zu Tage. Kleinformate von Werbeplakaten, wie ich erkannte. Entweder war der Schwarzhaarige vom Kinn abwärts zusehen oder im Profil mit einer weiteren Person abgelichtet. Aber auf keinem der Bilder sah er direkt in die Kamera.
"Ich wusste ja nicht..."
"Deswegen zeige ich es dir doch auch."
Ich nickte zum Verständnis und gab ihm die Bilder zurück.
In der Küche fand ich meinen Platz auf Nico's Schoß wieder, öffnete die Fotofunktion zum wiederholten Male an diesem Tag. Ich richtete meinen Blick auf mein 'Ich' im Bildschirm. Es erwiderte diesen Blick und der Bildschirm-Nico hatte sich ihm zu gewandt. Mit dem strahlendsten Lächeln, das ich gerade auftreiben konnte, im Gesicht betätigte ich den Auslöser. In der selben Sekunde schloss der Größere den Abstand zwischen meiner Wange und seinen Lippen, und ich meine Augen. Auf dem Ergebnis-Bild küsste nun Nico meine Wange und ich hatte die Augen geschlossen. Normalerweise würde ich mich darüber ärgern, aber es war trotzdem ein schönes, vor Allem süßes Bild. Neben meiner Mutter sendete ich das Bild auch an mich.

Ein Taxi brachte uns zu einem ehemaligen Fabrikgelände. An der Fassade hing eine riesige Leinwand, die für den Contest warb. Der Schwarzhaarige führte mich durch einen Nebeneingang. Wir betraten einen schmalen, provisorisch aufgestellt aussehenden Flur, der zu einigen ebenso improvisierten Vorbereitungs-, Umkleide- und Aufenthaltsräumen führte. Meiner Vermutung nach, eine Tür für jedes Team.
"Wie viele... Gruppen treten eigentlich an?", fragte ich aus dem letzten Gedanken heraus.
"Sieben. Also sechs neben uns", antwortete er.
In Klarsichthüllen an den Türen waren die Markennamen angebracht. "Blitzen's Bestest", "House of live", "Liatha¹" oder "Orellesias²" waren Aufschriften an denen wir vorüber gingen, bevor Nico in einen der Räume ab bog. Reyna, Jason, Kalypso und Bell waren schon vor Ort.
"Super, meine Jungs sind schon mal vollständig.", begrüßte uns Bell als Erste.
Kalypsos Reaktion dagegen war es mich zu packen und in eine Umkleidekabine zu schieben, in welcher mein erstes Outfit griffbereit hing. Das aufgebrachte Stimmengewirr, aus Drew's und einer fremden, männlichen Stimme, die zu diskutieren schienen, verkündete das Eintreffen meiner besten Freundinnen. So wie ich es heraus hörte, beschwerte sich Drew wohl darüber, dass man sie nicht rein lassen wollte.
"Lass gut sein, Frank. Sie gehören zu uns", schlichtete Nico.
Ich zog mir das T-Shirt über den Kopf, schloss den Knopf meiner Hose und verließ die Kabine. Sofort wurde ich auf den nächst stehenden Stuhl verfrachtet. Mir wurde durch die Haare gewuschelt, die durch die Behandlung mit den Pfeifenreinigern tatsächlich nochmal lockiger waren als sonst. Gleich darauf fand ich mich hustend in einer Wolke aus Haarlack wieder.
"Wenn sie schonmal so aussehen, müssen wir sie auch in Form halten, nicht?", kommentierte Kalypso die Gaswolke und reichte mir ein Glas gefüllt mit Wasser.
Gierig nahm ich es entgegen und stillte den Hustenreiz in meiner Kehle. Sowie Piper und Drew ebenfalls umgezogen waren, brachte uns Bell zum Bühnenaufgang, damit wir uns auf den hiesigen Laufsteg einstellen konnten. Der Steg war etwas breiter als der bei Ramirez, was mir ein sichereres Gefühl gab, bevor mir die Höhe auffiel. Es war nicht so, als hätte ich Höhenangst, aber der Respekt davor blieb dennoch bestehen. Der Steg wurde ausgeleuchtet, so dass es beinahe unmöglich war etwas im Zuschauerraum zu erkennen. Bell schickte uns einige Male über den Catwalk, ehe sie uns wieder Nicos und Reynas Obhut überließ, da sie jemanden traf, mit dem sie sprechen wollte.
In unserem Team-Raum war nun auch Leo eingetroffen. Er agierte wohl auch bei solchen Events für und mit Ramirez. Wie ich erfuhr war er für Licht, Ton und ähnliches während unseres Auftritts zuständig. Nico gab ihm den USB-Stick mit unserer Musik mit und Leo verschwand mit dem -für ihn so typischen- Kobold-Grinsen im Gesicht.
"Und, alles gut?", wandte sich der Schwarzhaarige unterdessen mir zu.
"Ja, klar."
Still und heimlich genoss ich nochmal den Anblick von Nico im Anzug. Der Stoff schmiegte sich wie eine zweite Haut an seinen Körper, umschmeichelte die Konturen seiner Muskeln, ließ aber genug Freiraum für meine Fantasie, wenn ich nicht schon wüsste was sich darunter verbarg.

Kurz vor zwölf Uhr waren die Teams alle einmal auf dem Steg gewesen und konnten alle technischen Aspekte klären. Für alle Anwesenden wurde ein Buffett bereit gestellt. Ein Großteil der anwesenden Models trugen Morgenmäntel zum Schutz ihrer eigentlichen Kleidung, mein Team ebenso. Mir war nur nicht wirklich nach Nahrung, weshalb ich nur eine Kleinigkeit zu mir nahm. Den besorgten Blick Nicos ignorierte ich geflissentlich. Bis zum Einlass verging eine weitere halbe Stunde, währenddessen zogen sich die Teams in ihre Kabinen zurück. Unsere Make-up-Artistin vollendete ihr angefangenes Werk mit letzten Pinselstrichen als ein kleinerer, braungebrannt Kerl mit Dreadlocks zu uns herein gestürmt kam.
"Nico, sag mir bitte, dass ihr Lockenstäbe mit habt, die ihr nicht braucht. Unseren hat es gerade ausgehaucht und du weißt wie widerspenstig Alex' Haare sein können", platzte der Mann mit seinem Anliegen heraus.
Angesprochener durchsuchte statt einer Antwort schon das vorhandene Arsenal an Glätteisen und Lockenstäben.
"Welche Größe brauchst du denn?", wollte er wissen und hielt dem Kleineren eine Auswahl vor die Nase.
Der untersetzte Mann griff sich einen der recht dünnen Stäbe.
"Braucht ihr den?", er hob genanntes Objekt an.
Nach der Verneinung Kalypsos und der Bestätigung Nicos, dass er dieses bekommen könnte, verließ er unsere Gruppe auch schon wieder, aber nicht ohne den Schwarzhaarigen in einen kurze aber überschwängliche Umarmung zu ziehen.
"Wer war das denn?", lachte Drew über Nicos leicht verstörten Gesichtsausdruck.
"Blitzen, wenn einer von uns bei Wettbewerben Probleme hat, helfen wir uns aus. Wenn wir können, heißt das. Ab und zu arbeiten Ramirez und Blitzen's Best auch als Marken zusammen."
"Er steckt hinter Blitzen's Best? Ich dachte, es ist dieser große Blonde", bemerkte Drew.
"Das ist Heathstone. Heath ist sein Freund", erklärte der Ältere.
Der Monitor, der mir zuvor noch gar nicht aufgefallen war, in unserer Kabine schaltete sich ein. Von zehn an liefen die Zahlen, mit Trommelwirbel unterlegt, abwärts. Anstelle der Null erschien der Laufsteg, auf welchem eine hochgewachsene Person stand. Sie stellte sich und die Veranstaltung heute Abend vor.
"Ich, Freya, heiße Sie herzlich bei unserem alljährlichen Modewettbewerb willkommen."
Mir war diese Frau gänzlich unbekannt, doch das begeisterte Glitzern in Drew's Augen bewies mir, dass sie wohl doch bekannter war als für mich offensichtlich.
"Die eingesendeten Bewerbungsbilder waren schon sehr vielversprechend und wir freuen uns eine Wettbewerbslegende aus dem Ruhestand zurück begrüßen zu dürfen. Bell Ramirez-Arellano!"
Eben genannte trat ins Rampenlicht und knickste. Freya rief noch einige andere auf, die den Beiden auf die Bühne folgten, darunter auch Blitzen, ehe sie alle wieder herunter scheuchte und die ersten Fotos eingeblendet wurden. Musik wurde eingespielt und ein Model betrat die Fläche.
"Okay, Mädels", holte sich Reyna unsere Aufmerksamkeit, was ihr ein empörtes 'Hey' von Jason einbrachte, "Wir sind in etwa zehn Minuten dran. Geht nochmal durch was ihr machen wollt oder entspannt euch noch kurz. Wie auch immer ihr wollt."
Einen Moment dachte ich tatsächlich über meine Bewegungen nach, doch dann trat Nico in mein Sichtfeld. Damit war dieser Gedankengang natürlich vorzeitig beendet.
"Schon sehr aufgeregt?", fragte er mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen.
"Es geht. Ich denke, das wird erst schlimm, wenn Jason den Steg betritt."
"Man stellt sich das immer schlimmer vor, als es dann schlussendlich ist."
Das glaubte ich ihm aufs Wort, weshalb ich nur nickte, doch daran, das ich nachher sicher doch nervös sein würde, änderte es nichts. Mit einem letzten Seufzen steckte sich der Größere den Kopfhörer ins Ohr, was ihn nun wie einen gut ausgestatteten Geheimagenten aussehen ließ. Über diesen Vergleich musste ich Schmunzeln.
"Ich muss mich mal auf den Weg machen. Ihr werdet sicher auch gleich abgeholt", nach diesen Worten setzte er einen Kuss auf meine Stirn und machte kehrt.
"Warte!", verlangte ich.
Sobald er dem nach kam, umrundete ich ihn, legte meine Lippen flüchtig auf seine und entließ ihn wieder.
"Du machst das schon. Bis gleich", damit verschwand der Schwarzhaarige durch die Tür.
Zeitgleich betrat eine geschäftig ausschauende Frau mit Klemmbrett, Brille und Headset den Raum und führte uns zum Aufgang der Bühne.
Der erste Lauf verlief ohne große Vorkommnisse. Nico stand vorn am Ende des Stegs, das gab mir nochmal einen kleinen Schub. Zurück in den Umkleiden herrschte Chaos. In Windeseile zogen wir uns um, Piper und Drew wurde die Frisur geändert, während sie sich selbst abschminkten, nur um kurz darauf neu geschminkt zu werden. Und keine Viertelstunde später standen wir wieder am Aufgang. Unser Musiktitel setzte ein und Drew trat vor. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Mein Atem ging flach als ich die Bühne betrat. Mit meine strahlenden Lächeln versuchte ich die Zuschauer davon zu überzeugen, das es mir gut ging. Woran ich auf der Hälfte der Streck selbst zu zweifeln begann, da der Schwindel einsetzte und ich mehrfach über meine eigenen Füße stolperte. Am Ende des Stegs lächelte ich tapfer, dunkle Punkte tanzten vor meinen Augen und mein Stand war nicht stabil. Nur Sekunden später wurde mir schwarz vor Augen.

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21.Oktober 2018
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Überarbeit: 11.1.2020
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¹ by TheblueFairytale
² by querx21 und der Wortmixer in meinem Kopf
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Ja, ähm tada..?

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