5 Love

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P.o.v. Nico

Er hatte mich später am Abend tatsächlich noch zurück gerufen. Wir hatten über so ziemlich jeden Mist gesprochen, der uns gerade einfiel. Seine Mutter kam irgendwann erneut, gab ihm aber die Erlaubnis für uns zu arbeiten, da er ja noch minderjährig war.
Zwei Tage später dann war Reyna mit den dreien bei dem Schneider. Ich wollte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Will noch einmal aus der Nähe betrachten zu können und stand dabei für vielleicht fünf Minuten in der Tür und habe ihnen zugesehen. Drew hatte mich an gegrinste, als sie mich erkannte und Will schwärmte mir seit dem von einem schwarzhaarigen Typen mit dunklen Augen vor. Ich fand es ja süß, tat aber auf beleidigt, da er nicht wissen sollte, dass ich es war. Zu groß waren meine Unsicherheiten diesbezüglich. Über die letzte Woche hinweg wurden wir uns immer vertrauter und vielleicht, aber nur ganz vielleicht stimmte ich Bell nun zu.
Vielleicht hatte ich mich doch ein ganz kleines Bisschen in den blonden Sunnyboy verguckt.

Jetzt saß ich in der Bahn, da es das Wetter nicht hergab mit dem Motorrad zu fahren. Ich sollte aber schon vor zwei Minuten bei Ramirez sein und unserem Team bei den Vorbereitungen des Fotoshootings helfen, nur kam meine eigentliche Bahn nicht.
Wenig später kam auch schon der panischen Anruf von Reyna.
"Nico, wo zur Hölle bist du, verdammt?", schrie sie, sobald ich abgenommen hatte.
"Ich bin in zehn Minuten da. Erst hatte meine Bahn Verspätung, dann kam sie gar nicht mehr und ich musste die nächste nehmen", erklärte ich ruhig.
Leicht angeekelt zupfte ich ein nasses Blatt von meinem Schuh.
"Hast du wenigstens an die Schuhe gedacht?"
"Ja", bestätigte ich ihr nach einem Blick in meinen Rucksack.
"Zehn Minuten?"
"Ja, gib ihnen schon mal das erste Outfit. Das können sie in der Zeit anziehen und Kalypso kann anfangen ein wenig Hand anzulegen", schlug ich vor.
"Machen wir und es gnade dir Gott, wenn du dann noch nicht da bist."
"Verstanden, capo", meinte ich, legte auf und widmete mich wieder der Musik, die aus meinen Kopfhörern dröhnte.
Ich hatte keine drei Minuten Ruhe, da ging der nächste Anruf ein.
"Was kann ich für dich tun, William?", fragte ich sofort nach dem Abnehmen.
"Lenk mich bitte einfach ab", bat er mich.
"Wovon denn?"
"Von dem ganzen hier."
"Ich hab deine Schuhe mit", versuchte ich das erst beste Thema aufzugreifen, das mir einfiel.
"Also kommst du wirklich?", ich hörte, dass er jetzt noch aufgeregter war.
"Ja, ohne mich scheint ja sowieso nichts zu laufen."
"Und...?", begann er.
"Du willst wissen, ob der Typ mit den schwarzen Haaren und dunklen Augen auch kommt?"
Ehrlich, langsam wurde es doch recht nervig, dass er diesen Typen scheinbar lieber treffen wollte, als mich.
"Ich geh dir damit echt auf die Nerven, oder?", hakte er schüchtern nach.
"Ach, merkt man das?", mir war klar, dass ich ziemlich pissig klang.
"Tut mir leid", sagte er kleinlaut.
"Nein, mir tut es leid, ich hätte nicht so reagieren sollen", unterbrach ich ihn sofort wieder.
Mit Daumen und Zeigefinger massierte ich verzweifelt meinen Nasenrücken.
"Will, richtig? Legst du bitte das Handy weg?", es war Kalypso, die sprach.
"Bis gleich, William", damit beendete ich auch dieses Gespräch.

Die übernächste Haltestelle stieg ich aus und lief zügig auf das Hochhaus zu. Ich zeigte dem Sicherheitspersonal meinen Mitarbeiter-Ausweis. Dann nahm ich den Fahrstuhl, da der dann doch eher im sechsten Stock war als ich zu Fuß. Mit Schwung stieß ich die Tür zum Studio auf.
"Oh, der gnädige Herr hat sich doch dazu entschlossen zu erscheinen", spottete Reyna.
"Gib's zu, du bist einfach nur froh darüber, mich zu sehen", meinte ich und setzte den Rucksack ab, um meinen Mantel ausziehen zu können.
"Leider hast du da recht", erwiderte sie.
"Hey, Deathboy. Von dir hab ich ja ewig nichts gehört", kam Leo auf mich zu.
"Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst?", ich schlug trotzdem in seine dafür bereit gehaltene Hand ein.
"Ich hab nach dem dritten Mal nicht mehr mit gezählt", grinste er listig.
Kopfschüttelnd schnappte ich mir wieder meine Tasche, ging ich weiter zu Jason und stellte das erste Paar Schuhe vor ihm auf den Tisch.
"Hey, Neeks", begrüßte er mich und schenkte mir einen bedeutungsvollen Blick.
"Jason", nickte ich ihm zu.
"Nico, hast du schon die Änderungen an den Schuhen ans Werk geschickt?", rief meine beste Freundin quer durch den Raum.
"Ja, vostra altezza", antwortete ich genauso laut.
"Du weißt ganz genau, wie sehr ich es hasse, wenn du mit mir Italienisch sprichst", kam es zurück.
"Was denkst du, warum ich das immer mache?"
Augenrollend trat ich hinter den nächsten Vorhang und fand Will vor mir.
"Hey", murmelte ich.
"Hey", er sah mich nicht an, "Bist du noch sauer?"
"Das war ich nie, William", beruhigte ich ihn und gab ihm die Schuhe.
Er betrachtete diese eingehend.
"Die sind wirklich schön", meinte er leise.
"Jetzt sind sie das", stimmte ich zu, "Als wir sie bekommen haben, war das nicht der Fall."
Ich seufzte, als er immer noch nicht zu mir auf sah.
"Was ist los, Will?", fragte ich dann und versuchte meiner Stimme einen einfühlsamen Ton zu geben.
"Warum bist du in letzter Zeit so anders zu mir?", brachte er heraus, nach dem er herum drugste.
"Wie meinst du das?"
"Du antwortest nur noch das Nötigste und du hast aufgehört mich... Wie hast du gesagt? Pic-irgendwas?"
"Piccolo", warf ich ein.
"Ja, genau das!... zu nennen. Warum?"
"Ich weiß nicht", gab ich zu, "Vielleicht kratzt es doch ein wenig an meinem Ego, dass du diesen Typen scheinbar lieber treffen möchtest als mich."
"Das ist nicht wahr."
"Dann klär mich auf", forderte ich leicht verzweifelt.
"Na ja, ich würde ihn schon ganz gern nochmal sehen, aber eben nur das und dann wärer er abgehakt. Dich aber will ich treffen und einfach Zeit mit dir verbringen."
"Und warum siehst du mich dann nicht an?"
"W-weil ich Angst davor habe.", stotterte der Blonde.
"Wovor? Das ich aussehe wie Gollum?"
Seine Mundwinkel zuckten kurz.
"Nein, eher vor dem Gegenteil."
"Will, Süßer,", er begann bei meinen Worten zu grinsen und ich strich ihm durch die Haare, "du bist tausendmal schöner als ich."
"Okay, aber das werden wir erst noch sehen", gab er nach.
Langsam wanderte sein Blick an mir nach oben. Seine Augen wurden groß, als sie meine trafen. Ich lächelte und zwinkerte ihm zu. Das er mich dann stürmisch umarmte, konnte ich nicht ahnen.
"Langsam, piccolo", lachte ich, schloss ihn aber in meine Arme.
"Aber wieso...?", er hatte sich leicht von mir weg gedrückt.
"Wieso ich dir nicht gesagt habe, dass ich dieser Typ bin?", riet ich.
Der Blonde nickte.
"Ich wollte einfach, dass du mich magst und nicht von meinem Aussehen beeinflusst wirst. Die Menschen meinen jemanden zu kennen, in dem sie ihn nach seinem Äußeren beurteilen. Ich habe nicht so gute Erfahrungen damit gemacht."
Er ließ mich los und zog seine Hose wieder etwas hoch.
"Rutscht die Hose?", fragte ich deshalb.
"Ein wenig", bestätigte er.
"Zieh dir die Schuhe an und geh dann vor zu den anderen. Ich hole dir einen Gürtel", wies ich ihn an und verschwand hinter dem Vorhang.
"Nico, womit sollen wir anfangen?", wollte Leo wissen sobald er mich sah.
Nach einem Blick zu den bereits Versammelten legte ich fest:
"Piper und Jason stellt 'ne Alltagsszenen nach. Ich bin gleich wieder da."
"Was fehlt denn?", kam es von Reyna.
"Gürtel", meinte ich knapp und verließ den Raum.
"Ich wusste, dass ich irgendwas vergessen hatte", hörte ich sie noch fluchen.
Der Fahrstuhl brachte mich in das zweite Untergeschoss, in dem sich das Lager befand. Vorstellen musste man sich das wie einen überdimensionalen Kleiderschrank... mit Hochsicherheitsschloss... und Irrgartenflair. Man könnte hier genauso gut den wertvollsten Schatz der Welt aufbewahren. Rein kamen hier nur die wenigsten. Reyna und ich waren im Moment die einzigen die, soweit ich wusste, davon im Gebäude waren. Ich steckte meine Karte in das Lesegerät und wurde wenige Sekunden später hinein gelassen. Ich suchte kurz nach den Gürteln, wählte drei aus, von denen schon einer zu seinem Outfit passen würde und ging zurück zu den anderen.
Achtlos warf ich die Gürtel über die Kleiderstange, an der noch das zweite Outfit von jedem der vier hing und stellte mich zu Leo, der gerade die geschossenen Bilder durch sah. Ich sagte ihm, welche Bilder er behalten und welche er gleich wieder löschen konnte, um nicht all zu viel Speicherplatz zu belegen. Dann schnappte ich mir die Gürtel und hielt sie einzeln an Will an. Ich entschieden mich für einen hellen sehr dezenten.
"Du bist hier echt in deinem Element, oder?", fragte der Blond, als ich ihm den Gürtel in die Hand drückte.
Ich brummte zustimmend und legte die anderen Gürtel weg. Will sah mich unschlüssig mit dem Gürtel in der Hand an.
"Willst du den jetzt selber drum machen oder soll ich?", schmunzelte ich.
Verlegen senkte er den Blick und begann den Gürtel durch die Schlaufen zu ziehen. Mir fiel auf, dass er ihn verkehrt herum, mit der Innenseite nach außen, einfädelte und machte eine Schritt auf ihn zu, um den Gürtel richten zu können. Will ließ los, als er bemerkte, was ich tat. Es bildete sich eine Gänsehaut an seinem Nacken, sobald ich hinter ihm stand. Ich widerstand dem Drang, ihm meine Lippen kurz auf diese Stelle unter seinem Haaransatz zu drücken, beobachtete aber wie ihm ein Schauer den Rücken hinab lief. Mit einem Grinsen im Gesicht brachte ich mein Werk zu Ende.

Eine Stunde später hatten wir unsere Models zum Umziehen geschickt. Wenige Minuten danach wurde ich von einem Ende zu anderen gerufen, um irgendetwas zu richten. Nadel, Faden und Sicherheitsnadeln als ständigen Begleiter.
"Okay, machen wir mit Will und Jason weiter", seufzte ich.
Jason war hoch motiviert. Will dagegen sah nicht sehr glücklich aus.
"William?", sprach ich ihn an.
"Ja?", er sah zu mir auf.
"Was ist los?"
"Sieht man das etwa schon?", hakte er verunsichert nach.
"Du bist auf jeden Fall sehr angespannt. Warum?"
"Ich... Jason, er... Ich weiß nicht", stammelte der Kleinere.
"Glaub mir, Jason ist der letzte, um den du dir Sorgen machen musst."
Er lehnte sich an mich und ich legte meine Arme um ihn. Hörbar atmete er aus.
"Na gut, los geht's", sagte er dann entschlossen.
Auch etwas erschöpft ließ ich mich auf einen kleinen Hocker fallen und beobachtet das Geschehen des Shootings. Die beiden blonden Jungen erwiesen sich als sehr kreativ und so wurden die Fotos mit Will und Jason (unter anderem) die Bessten des Tages.
Auch die Mädchen hatten nun den Dreh raus und so waren wir dann doch schneller fertig, als erwartet.
Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen, um das Laufen zu üben.
"William, warte noch kurz", hielt ich ihn auf.
"Was ist denn?", wollte er wissen.
"Soll ich dich noch nach Hause bringen? Ich meine, ich habe keine Auto, aber...", ich brauchte nicht weiter zu sprechen, da er bereits begeistert nickte.
"Gut, dann muss ich das hier nur noch schnell abgeben", und hielt die Speicherkarte der Kamera hoch.
"Oder", mir wurde die Speicherkarte von Reyna aus der Hand genommen, "ich mache das."
Dankbar sah ich sie an.
"Ja ja, di Angelo, was tut man nicht alles für seine Freunde."
"Nicht frech werden, Ramirez Arellano", meinte ich mit den Augen rollend.
"Jetzt geht schon, ich mache das", forderte sie uns schmunzelnd auf
"Danke, bis morgen", verabschiedete ich mich von ihr.

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8. Juli 2017

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Überarbeitet 4.1.2020

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