Kapitel 29 - Es ist Zeit

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Zeit. Es ist verrückt, wie wir innerhalb eines Bruchteiles der Sekunde entscheidungen treffen, die unser ganzes Leben beeinflussen. Selbst die kleinen und scheinbar unwichtigen Entscheidungen, die wir Tag für Tag treffen, lenken unbewusst unser Leben in eine ganz bestimmte Richtung. Viele leute glauben nicht an das Schicksal, das alles nur Humbuk wäre und Aberglaube. Doch die kleinen Entscheidungen, die uns jeden Tag leichter oder schwerer fallen als am Tag zuvor, entscheiden, wie klein sie auch sein mögen, über unser Schicksal. Wir haben selbst in der Hand, wie wir unsere Leben gestalten sollen. Die Wege, die wir einschlagen sollten wir nicht bereuen. Wir sollten eher das bereuen, vor dem wir damals Angst hatten, und es deshalb nicht getan haben.

Grelles Licht umgab mich, als um mich herum alles langsam klarer wurde und sich meine Pupillen langsam an die Helligkeit gewöhnten. *Wo bin ich?* Meine Sicht taute auf, und ich sah mich ein wenig um. Kaltweiße Neonröhren hingen über meinem Kopf von der Decke herab, mein kopf pulsierte wie verrückt und ich nahm nur ein Lautes dröhnen wahr.
Dumpfe klänge vertrauter Stimmen bahnten sich den Weg in mein Unterbewusstsein, und wurden immer lauter und deutlicher. Ich begann, meinen betäubten Körper langsam wieder zu spüren, was sofort mit heftigen Schmerzen einger ging.

Mein Blick schweifte durchs Zimmer. War ich im Krankenhaus? Was war eigentlich passiert? Meine Augen bewegten sich müde weiter durch den Raum, als ich plötzlich einen jungen Mann neben mir am Bett sitzen sah. Er kam mir in gewisser weise bekannt vor, doch mir fiel nicht ein woher. Braune Haare, braune Augen, markante Gesichtszüge und perfekte Augenbrauen.
Als er sah, dass ich wach war schossen ihm sofort Tränen in die Augen. „Sie ist wach!", ertönte es dumpf in meinem Schädel.
Weitere Gestalten bahnten sich ihren weg zu mir and Bett. Ich hatte sie noch nie zuvor in meinem Leben gesehen. Mit Tränen, die über ihre gesichter rollten wie kleine Diamanten, klappten ihre zitternden Unterlippen herunter: „Hey Schatz, wie gehts dir", fragte die Frau behutsam und kratzig. Ihre stimme klang, als wäre sie ein 14 jähriges Mädchen und gestern auf einem Justin Bieber konzert gewesen. Wer war diese Frau?
„Weist du, was passiert ist?" Ich sah zu dem Mann, der an der anderen Seite des Bettes stand. Er war groß und schmächtig, sah ein bisschen aus wie der Junge der noch immer fest meine Hand hielt.
Ich versuchte zu reden, doch der Schlauch in meinem Mund wusste das gut zu verhindern.
„Du hattest einen Unfall, Caro.", sprach der Junge sanft und wischte sich dabei mit seiner freien Hand die Tränen aus dem Gesicht.

Verwundert sah ich ihn an. Caro? Wer soll das denn sein? Wie aus dem nichts wurde es ein wenig klar in meinem Kopf. Das musste mein Name sein. Ich wusste bis eben nichteinmal, dass ich überhaupt einen Namen besaß.

*Fuck, ich hab mein Gedächtnis verloren. Kein wunder, dass mir diese Leute so fremd erscheinen!*, dachte ich. Ich spürte die kalten Tropfen meiner Tränen meine Wangen herunter laufen, denn mir wurde erst jetzt so wirklich bewusst, dass ich nichts wusste. Wer war ich, und wieso hatte ich mein Gedächtnis verloren?

Einige Stunden später war der Schlauch wieder aus meinem Hals entfernt, da ich wohl stabil genug war, um selbst zu atmen. Marco - so hieß der Junge der neben mir am Bett saß - erzählte mir von dem Unfall und von meinem Leben:

Mein Name ist Caroline Lester, und ich habe Schizophrenie, schwere Depressionen und das Borderline syndrom.
Er erklärte mir von meinen Problemen, die bereits in der Grundschule begannen.
Ich war dick, sah anders aus als die meisten Mädchen in meinem Alter, redete viel und war relativ gut in der Schule. Das perfekte ziel für jedes Kind, was andere gerne hänselte oder mobbte. Fette Kuh, Gummiball, runde Caro. Das sind nur die Begriffe, die mir bei seinen Erzählungen selbst wieder in den Sinn kamen. Ich wurde gemobbt, nicht nur persönlich sondern auch über Briefe, später dann im Internet. Ich versuchte wohl wirklich, davon weg zu kommen, wechselte sogar mehrfach die Schule doch keine Maßnahme hatte irgend etwas bewirkt. Ich war weiter das ziel der beliebten Schüler und noch dazu der Freak. Marco wusste nicht, wieso, doch mir schwebte es klar vor den Augen: Ich war lesbisch.
Dass ich eher an Mädchen interessiert war, wusste ich schon immer, doch gesagt hatte ich es niemandem.
Ich wurde früh in die Kliniken gebracht, da ich mich selbst verletzte und meine Krankheiten immer schlimmer wurden, bis ich mich eines Tages auf den Balkon meines Zimmers kletterte und mit einem Satz herunter auf die Terasse stürzte.
Das war 5 Monate her, seitdem lag ich im Koma.

Marco entschied, eine Pause mit den Erzählungen zu machen und sich etwas zu trinken zu holen.

Noch bevor es ihm gelang die Bestellung in der Cafeteria des Krankenhauses aufzugeben, wurde der Herzalarm ausgelöst.
Die Ärzte versuchten alles in ihrer Macht stehende, um die Patientin wieder zu beleben, doch es war zu spät.

„Zeitpunkt des Todes: Vier uhr dreiundzwanzig"

In den letzten Sekunden, in denen mein Herz noch schlug viel mir schlagartig alles ein, und mein Leben zog vor meinen Augen an mir vorbei.

Die Zeit, die ich hatte, mochten zwar nur Bruchteile einer Sekunde gewesen zu sein, doch ich fühlte die Sachen, die ich liebte vor meinem Geistigen Auge vorbei ziehen, bevor ich einen letzten tiefen Atemzug machte, und mein Herz aufhörte, das Blut durch meinen Körper zu pumpen.
Meine Organe hörten auf zu arbeiten, das letzte mal seit über 16 jahren taten sie ihre Pflicht, bevor sie aussetzten und nie wieder zu arbeiten beginnen würden.




Eines Wurde mir während meinem Rückblick klar:

Wenn man jemanden liebt, dann hat diese Person die ganze macht über dich. Wenn sie etwas tut, dann betrifft es dich auch, egal ob positiv oder negativ. Sie hat die ganze macht über deine Gefühle, dein Handeln, deine Gedanken und auch über deinen Körper. Die richtigen Menschen verdienen es, dein Herz zu bekommen und dann werden sie es auch gut behandeln, sich um dich kümmern, immer für dich da sein, deine Ängste und Träume respektieren und Alles für dich sein. Gerät dein Herz jedoch an die falsche Person, kann sie es innerhalb weniger Augenblicke in Millionen Stücke zerreissen, und der Versuch es zu reperieren wird dich die meiste Zeit deines Lebens kosten.
Von jemandem den man liebt oder wirklich sehr gerne hat - ob der oder die jenige es weiß oder nicht - wissentlich oder unwissentlich verletzt zu werden, lässt einen schwach werden. Man versucht mit aller macht, den anderen zurück zu gewinnen, doch es muss auch mal von der anderen Seite etwas zurück kommen. Man kann nicht immer nur nehmen und nehmen, ohne auch mal etwas zu geben.

Zeit ist ein massives Gut, man kann sie nicht stoppen oder beeinflussen, auch wenn wir das oft und gerne tun würden. Zeit ist so wertvoll, denn man weiß nie, ob man sie nun sinnvoll nutzt oder sie verschwendet, und viel wichtiger noch, wann sie vorbei sein wird. Man sagr zwar Zeit heilt alle Wunden, doch einige Dinge werde ich wahrscheinlich niemals vergessen oder verstehen...

Alia Mitchell war die Liebe meines Lebens.
Ich schenkte ihr mein Herz, mein Alles, und gab mich ihr völlig hin.
Doch Alia war keiner dieser Wertvollen und guten Menschen. Sie nahm mich, spielte mit mir, machte mir hoffnungen und stieß mich weg, wie zwei gleich gepolte enden eines Magneten.
Alles, was ich glaubte erlebt zu haben, war einbildung. Die Alia aus meinen Träumen. Meine Freundin und große Liebe.
All das war nie passiert, es war die Krankheit in mir, die meine Traumfrau real schienen ließ.

Die echte Alia Mitchell war das beliebteste Mädchen meiner Schule gewesen. Sie mobbte mich schrieb mir Hassnachrichten und gab nir das gefühl, dass ich nichts wert war. Und ausgerechnet in sie hatte ich mich verliebt. Ich glaubte an das Gute in ihr, doch auch das war nur Einbildung. Sie gab sich die größte Mühe, dass ixh mich noch mehr in sie verliebte und machte mir große Hoffnungen.
Doch eines Tages bekam ich zahlreiche Nachrichten, die mir das Ende meines Lebens schmackhaft machten.

„Geh dich umbringen" „Keiner brauch dich hier" „Die Welt wäre besser ohne dich"
Die Gedanken, die sich ohne hin schon in meinem Kopf befanden, bekamen nun in der echten Welt eine Stimme, die immer bedrohlicher und immer Lauter wurde.

Ich hielt es nichtmehr aus, deshalb sprang ich vom Balkon, denn die Welt ist ohne mich viel besser dran.

Zeit. Menschen die Zeit zu verkürzen die ihnen bleibt, indem man sie in den Selbstmord treibt, ist das abartigste, was es in unserer Welt gibt.
Keiner kann bestimmen, wie viel Zeit uns bleibt, doch man kann das beste daraus machen. Dieses Beste besteht nicht aus Hass, Zorn oder Wut, sondern viel mehr aus Liebe, Reue und Offenheit.

Macht das beste aus eurer Zeit, denn man weis nie, wann sie einem genommen wird.

Ende

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⏰ Last updated: May 01, 2018 ⏰

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Wie mein Leben sein sollte (girlxgirl) *wird überarbeitet*Where stories live. Discover now