Kapitel 24 - Gedanken

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Sowohl das Schluchzen als auch meine Gedanken machten mir das Reden fast unmöglich. Mir ging so viel im Kopf herum, ich hatte schon langsam die Befürchtung er würde schlapp machen und ich würde in Ohnmacht fallen. Bewusst über eine schlechte Reaktion meiner Mutter war ich mir ja, aber dass das ganze so endete hätte ich wirklich nicht erwartet.

„Beruhige dich, Caro! Ich komm vorbei, okay?", sagte Alia um mich zu beruhigen. Sie klang sehr besorgt, kann ich ja auch verstehen. Schließlich hatten wir beide nun Kontaktverbot, und ich hatte auch erstmal bis auf weiteres Ausgehverbot. Dabei wollte ich gerade nichts mehr, als bei Alia in den Armen zu liegen und ihre Nähe zu spüren.

Sie hatte mir versichert, es würde ihr gelingen durchs Fenster in mein Zimmer zu klettern, ohne dass meine Mutter es merkte. Das ganze hatte ja schonmal geklappt, wieso also sollte es nicht noch einmal funktuonieren. Während ich sehnsüchtig auf meine Freundin wartete und mich wieder etwas zusammen gerauft hatte, dachte ich etwas über alles nach. So langsam aber sicher müsste ich mich auch vor anderen outen, also Umgebung, Freunden und vor allem der Familie. Davor hatte ich am meisten Angst.
Wie geht man so ein Outing an? Ich konnte nicht einfach in die Schule kommen und sagen: „Yo, ich bin lesbisch." und damit rechnen dass das von allen einfach so hingenommen wird.
Außerdem ist das nicht einmal die Wahrheit, was auch noch ein Problem darstellen könnte. Ich war nicht lesbisch. Ich war Bisexuell, denn schließlich hatte ich auch etwas mit Jungs und war nicht abgeneigt davon gewesen. Mir wurde zwar klar, dass ich zwar immernoch mehr auf Mädchen stand, aber trotzdem auch Beziehungen mit Jungs führen könnte. Das Problem werde ich aber sowieso eher nicht haben, denn ich hatte nicht vor, mich von Alia zu trennen.
Viele Leute, die hören dass man auf Mädchen steht, assoziieren einen dann direkt als homosexuell, auch wenn das oft nicht die ganze Wahrheit ist...

Ein lautes Knallen riss mich ruckartig aus meinen Gedanken. Es war ein Stein, der durch mein halboffenes Fenster gegen meinen Kleiderschrank klatschte. Gott sei dank nur gegen das Holz, doch wäre er einige Zentimeter weiter links aufgekommen, hätte ich meinen Spiegel in seinen Einzelteilen wieder aufsammeln können. Die Aktion konnte nur von Alia sein, das war mir bewusst.

Rasch stand ich auf und ging ans Fenster, um eine völlig erschöpfte Alia in unserem Vorgarten stehen zu sehen. Sie sah mich an, gab mir irgendwelche unverständlichen Zeichen und begann, an der Regenrinne unseres Hauses hinauf zu steigen. Gespannt sah ich ihr dabei zu, wobei ich mich immer wieder kurz umdrehte und meine Zimmertür im Blick behielt. Ich konnte nicht riskieren, dass meine Mutter Wind von der Aktion bekam.

Gott sei dank hatte sie es endlich geschafft, sich durch den Türramen zu quetschen ohne wieder  rückwärts mit dem Kopf vorraus auf den Boden aufzuprallen.
Sofort schloss sie mich in die Arme, und icch merkte, wie mir wieder Tränen die Wangen herunter liefen. Ich war so unendlich froh, dass sie jetzt da war und ich in ihren Armen lag.

„Beruhig dich Caro, ich bin jetzt da. Alles wird gut.", flüsterte sie in mein Ohr, um zu vermeiden dass meine Mutter uns hörte.
Sie nahm meine Hand und wir setzten uns aufs Bett. Angelehnt an ihren Brustkorb streichelte sie meinen Kopf. „Alles wird gut Caro, vertrau mir. Ich bin da."

Urplötzlich Klopfte es an der Tür. Ich sprang auf, schnappte mir Alias Hand, zog sie mit mir zusammen ins Badezimmer und schloss die Tür hinter uns. Ich presste sie gegen die Wand und legte meinen Zeigefinger auf ihre Lippen. „Shhhhh"

Ich hörte wie sich meine Zimmertür öffnete. und Schritte, die hineingingen. Alia stand zitternd an der Wand, ohne einen Mucks. Schnell öffnete ich die Badezimmertür, trat heraus und schloss sie schnell wieder. Wer auch immer draußen war, durfte auf keinen Fall wissen, wer sich in meinem Badezimmer befand.

„Hey, können wir reden?" „Klar." Wir setzten uns auf mein Bett. Ich hoffte, dass er Alias Jacke auf meinem Sessel nicht bemerkte. „Hör zu, wie Mom vorhin reagiert hat...gib ihr einfach etwas Zeit, die bekommt sich wieder ein. Aber ich denke es wäre besser, wenn du demnächst mal eine Pause mit Alia machst...auch zu deinem Wohl. Das ist bestimmt nur eine Phase..." „Was ist denn mit dir los?", fragte ich meinen Bruder verwundert, „Ich dachte, du hast kein Problem damit?" „Hab ich auch nicht", entgegnete er, „aber vielleicht ändert sich ja doch noch was. Halt dich einfach etwas zurück..."

Mit dem Ende dieses Satzes hörte man einen Knall aus dem Bad. Alia hatte wohl mein Make-up runtergeworfen. Fuck.

„Was war das?", fragte Marco und sah mich mit einem verwunderten und dennoch wütendem Blick an. Langsam ging er zum Bad.
„Nein—", doch mein Versuch war nutzlos. Er öffnete die Tür.

Doch Alia war nicht da. „War bestimmt nur der Wind", beteuerte ich und sah zu wie er die Tür wieder schloss. Da er nichtsmehr zu sagen hatte, verschwand er auch wieder aus meinem Zimmer.

Sofort als die Tür ins Schloss fiel, eilte ich zum Bad. Alia hatte sich hinter dem Duschvorhang versteckt, da hatte man sie nicht gesehen. Freudig schlossen wir uns in die Arme und legten uns wieder ins Bett.

In der selben Position wie vor der Störung durch meinen Bruder lagen wir da, und waren einfach zusammen. Das machte mich so glücklich, und ich spürte, dass Alia auch so fühlte.
Mit Glück erfüllt schliefen wir endlich ein.

Ich träumte von Alia und mir, wie wir zusammen alt wurden. Leider war das bislang nur ein Traum.

Wie mein Leben sein sollte (girlxgirl) *wird überarbeitet*Where stories live. Discover now