26. Kapitel: Verhandlungen

166 12 4
                                    

Hicks

Am frühen Nachmittag sitzen wir zur Abwechslung in der großen Halle. Offiziell sind es noch einmal Vertragsverhandlungen, inoffiziell ist es Schritt 1 des Plans. „Die Ereignisse der letzten Tage ändern nichts an unseren Bedingungen." Mein Vater schaut Viggo an. Dessen Blick aber ruht in diesem Moment auf Lydia, die etwas abseits steht und die Szene aufmerksam beobachtet. Sie erwidert Viggos Blick nicht und schaut stattdessen weiter zu meinem Vater. „Also ich finde, dass die Ereignisse so einiges Ändern." Ein vielsagender Blick zu mir, wie ich diese Überheblichkeit hasse! „Ein Nachtschatten bringt einen ziemlich guten Preis auf dem Drachenmarkt, was der Tatsache geschuldet ist, dass es nur noch so wenige von ihnen gibt. Bis vor kurzem bin ich sogar davon ausgegangen, dass diese Drachenspezies leider ausgestorben ist. Ich habe da einen guten Käufer, der schon seit Jahren nach so einem Drachen sucht." Viggo ist ein ziemlich guter Geschäftsmann, zumindest wenn man Lydia glauben darf. Er sagt nicht explizit, was er will sondern deutet es nur an. Trotzdem ist jedem in der Halle klar, was los ist. „Der Nachtschatten bleibt hier, in dieser Sache lassen wir nicht mit uns verhandeln!" Mein Vater haut mit seiner Faust auf den Tisch um seine Worte zu unterstreichen. Sein Verhandlungspartner hat solche Gesten nicht nötig, er spielt mit einem der zig Ringe an seinen Fingern. „Nun, wie ihr vielleicht bemerkt habt stehen einige meiner Schiffe in eurem Hafen, es wäre doch zu schade wenn..." Er lächelt siegessicher. Den Satz nicht zu beenden war ein weiterer schlauer Zug, da sich so jeder sein eigenes grausames Bild macht. „Das ist uns aufgefallen, aber du kannst uns nicht drohen!" Einige Wikinger schauen verblüfft zu ihrem Oberhaupt, aber bis jetzt läuft alles nach Plan. „Es wäre doch zu schade, wenn eurer Insel etwas zustoßen würde..." Noch immer lächelt Viggo siegessicher, aber ich habe das Gefühl, dass dieses Lächeln ein kleines Bisschen schmaler geworden ist. „Glaubst du wirklich, dass wir das nicht vorausgesehen haben?" Mein Vater lacht abfällig. Für Viggo muss es so aussehen, als hätte er gerade seinen Plan verraten. „Aber die Schiffe auf der anderen Seite der Insel habt ihr sicher nicht einkalkuliert." Er macht eine kleine Pause in der es totenstill ist. Alle scheinen von dieser Bekanntgabe geschockt zu sein. Auch ich mache einerschrockenes Gesicht, obwohl ich innerlich triumphiere, der Trick hat funktioniert! „Also was ist, seit ihr den Verhandlungen immer noch abgeneigt?" Da ist dieses überhebliche Lachen wieder. Ich nicke Lydia zu, die daraufhin unbemerkt verschwindet. Wirklich keine Kunst, wenn man bedenkt, dass alle Augen auf die beiden Wikinger in der Mitte gerichtet sind. „Nein, ich schätze wir müssen noch einmal nach verhandeln." Nun heißt es ihn lange genug hinzuhalten um auch die weiteren Schritte des Planes ungestört ausführen zu können. Das Ganze ist inzwischen viel größer als das geworden, was wir vorgestern in der Arena geplant hatten.

Astrid

Als Lydia aus der Halle kommt ziert ein kleines aber feines Lächeln ihr Gesicht. Eilig läuft sie über den Platz zu uns herüber. „Es hat funktioniert, Viggo hat sich verraten!" Ruft sie uns schon von weitem zu: „Ein Teil seiner Schiffe ist auf der anderen Seite der Insel, ich schätze er hat sie umstellt." Das sind allerdings keine allzu guten Neuigkeiten. Das einzige was noch schlimmer gewesen wäre, wäre wenn es uns unvorbereitet getroffen hätte. „Wir müssen uns beeilen, wer weis, wie lange Haudrauf ihn hinhalten kann." Ordne ich deshalb an und sofort strömt unsere kleine Gruppe auseinander. Jetzt geht es darum so viele Schiffe wie möglich ausfindig zu machen und sie auf der Karte einzuzeichnen. Je besser die Vorbereitung, desto einfacher der Kampf, lautet unser Motto und so fliegen ein Gronkel, ein Nadder, ein Fortunenflügler, ein Zipper und ein Albtraum in verschiedene Himmelsrichtungen davon. Ich und Sturmpfeil fliegen nach Norden, also gerade vom Dorf weg. Tatsächlich sehen wir mehrere Schiffe mit den typischen Symbolen, die nicht einmal gut versteckt in einer kleinen Bucht vor Anker liegen. Niemand bemerkt uns, als wir über sie hinweg gleiten. Niemand scheint mit einem früheren Angriff zu rechnen. Von hier oben kann man die Ausstattung der einzelnen Schiffe gut beurteilen, die ich nun ebenfalls auf einem Blatt vermerke. Seilwinden, Katapulte, noch mehr Seilwinden und sicher auch einige Bogenschützen, scheinen dort an Bord zu sein. Von Lydia weis ich zudem, dass die Bogenschützen spezielle Pfeile benutzen, die den Drachen die Sinne vernebeln. Ruckzuck sind alle Schiffe, die Berk in kurzer Zeit erreichen könnten, in die Karte eingetragen. Auf dem Rückweg entspanne ich mich wieder ein wenig. Mein Adrenalin-spiegel sinkt und ich beginne zu zweifeln. Können wir das wirklich schaffen? Gegen einen so mächtigen Gegner? Aber ich vertraue Hicks und Lydia, die beiden bekommen das schon hin.

Lydia

Die Anderen sind bereits da, als Lyra wieder auf dem Boden sitzt. Ein Blick auf die Karte zeigt mir, dass es nicht besonders rosig für uns aussieht. Aber ich habe gute Neuigkeiten: „Sie helfen uns und warten nur noch auf unser Signal!" Auf den Gesichtern der restlichen Drachenreiter zeichnet sich Erleichterung ab. Bis zum Schluss war unklar, ob dieser Teil des Planes auch aufgehen würde. Jetzt haben wir Klarheit und das Ergebnis spricht für uns. Mein aktiver Part ist damit vorerst auch erledigt. Astrid und die Zwillinge werden die Bewohner von Berk, die nicht kämpfen können/wollen, evakuieren, Gustav und Rotzbacke werden die anderen (hoffentlich) richtig instruieren und Fischbein wird die Karten aller zu einem Lageplan zusammensetzen. Mir bleibt nun nur noch wieder in die große Halle zu gehen und dafür zu sorgen, dass Viggo möglichst lange nichts merkt.

Leise schließe ich das Eingangsportal und stelle mich wieder an meinen vorherigen Platz. Viggo sieht bereits etwas ungeduldig aus, aber noch unterschätzt er Berks Schlagkraft. Ich kann nur hoffen, dass er das lange genug tun wird. Dieses Unterschätzen seiner Gegner ist eine seiner wenigen Schwächen. Er rechnet immer alle Möglichkeiten durch, doch alle Möglichkeiten, die uns allen (besonders den Zwillingen) einfallen, kann selbst er nicht durchrechnen. Wir sind viele und er ist, seit sein Bruder Ryker aus dem Geschäft ausgestiegen ist, allein. Irgendwie sieht man ihm das im Moment sogar an. Er sieht fast ein wenig verloren aus, zwischen den ganzen Berkianern. Dann lächelt er wieder dieses überhebliche Lächeln, dass er sich in den letzten Jahren angewöhnt hat. Auch seine Maske ist in den letzten Jahren besser geworden, aber ich fühle mich immer noch im Vorteil. Jetzt sieh uns einer an, es hätte nie so weit kommen müssen... Einen Moment versinke ich in meinen Gedanken. Aber nun ist es so und wir können es nicht mehr ändern. Ich straffe die Schultern, Viggo kann sich auf was gefasst machen!

Fünf Jahre Where stories live. Discover now