17. Kapitel: Drachentraining, die Entscheidung

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Astrid

An diesem Morgen bin ich lange vor den anderen Wikingern aus dem Dorf da. Schweigend stehe ich am Tor und blicke auf die Drachen in ihren Käfigen. Eigentlich haben sie uns nichts getan, der Kampf unserer und ihrer Vorfahren ist zu unserem geworden ohne, dass wir etwas dafür könnten. Lydia's Worte haben mich nachdenklich gemacht, ist Drachentöten wirklich unser einziger Lebensinhalt? Sie haben Zweifel in mir gesät und das, obwohl sie mich glaube ich nur ablenken sollten.
Die morgendliche Stille tut gut und als die ersten Wikinger eintreffen habe ich meine Entscheidung getroffen. Ich bin nicht bereit den Albtraum zu töten! Wie Lydia gesagt hat, es gibt andere Wege. Mit einem guten Gefühl betrete ich an Hicks' Seite die Arena, die zwei Besten des Drachentrainings. Die Wikinger jubeln uns zu und auch wenn ich weis, dass der Jubel eher Hicks als mir gilt, so teilen wir ihn doch. Er ist anders als Rotzbacke, der das letzte Mal die ganze Show für sich beansprucht hat, obwohl er zweitbester war. Hicks hingegen ist der Beste dieses Jahrgangs und doch gibt er mir das Gefühl, dass ich deswegen nicht schlechter bin. Sein Blick scheint die Menge zu durchsuchen und bleibt schließlich an Lydia hängen, die besorgt zu uns hinabsieht. Die Beiden wechseln einen Blick, den ich nicht deuten kann, aber ich weis nun, was ich mit meinem Nachmittag anfange. Ich werde Hicks folgen und endlich herausfinden, was er die ganze Zeit im Wald treibt. „Das sind also die zwei Besten unseres Drachentrainings, Hicks Haddock und Astrid Hofferson." Beginnt Grobian die Rede, die er jedes Mal hält und die jeder Wikinger hier bereits auswendig kennt. Die Namen sind wahrscheinlich das einzige, was sich seit fast vierhundert Jahren verändert hat.

Hicks

Lydias Blick ist undurchdringlich, während Grobian seine Ansprache fortsetzt. Wir haben gestern lange geredet, bevor mein Vater zurück kam und wir aufhören mussten. Sie hat mir endlich erzählt, was es mit dem Brief auf sich hat, den sie vor ein paar Tagen bekommen hat. Auch über die Drachenjäger weis ich nun bescheid, nur die Sache im Wald haben wir nicht angesprochen. Sie weis immer noch nichts von Ohnezahn und ich weis immer noch nicht, wie sie hierher gekommen ist. „... Dann bleibt mir jetzt nur noch euch zu gratulieren und euch Glück für den folgenden Kampf zu wünschen." Mit diesen Worten beendet Grobian seine Rede und öffnet das Tor zum Nadderkäfig. Dieser kommt auch direkt nach draußen und wir verbergen uns schnell hinter einem der Hindernisse, die überall in der Arena aufgestellt sind. Eigentlich hätte ich erwartet, dass Astrid direkt angreift, wie sie es das letzte Mal getan hat. Doch sie hält sich zurück. Mit einem Mal sind alle Wikinger, die dort oben stehen, ausgeblendet, selbst mein Vater existiert für eine Weile nicht. Es gibt nur noch mich, Astrid und den Nadder und ich kann nicht zulassen, dass Astrid sie verletzt! Bevor ich einen richtigen Plan habe bin ich bereits aufgestanden und zu dem Nadder gegangen, wobei ich sorgsam darauf achte, in seinem Totenwinkel zu bleiben. Als ich direkt vor ihm stehe geht ein Raunen durch die Menge, welches ich aber nur am Rand mitbekomme. Langsam tastet mein Blick die Brust des Drachen ab, bis ich die richtige Stelle gefunden habe. Ich weis nicht, ob sie mich gespürt hat, als ich vor ihr stand, aber sie hat sich nichts anmerken lassen. Dann ist der Moment gekommen und ich strecke mit einer schnellen Bewegung meine Hand vor. Die Menge wird plötzlich ganz ruhig, während sie wartet, dass meine Faust den Drachen trifft. Doch anstatt ihn zu boxen, schlagen oder was auch immer sie sich sonst ausgedacht haben, beginne ich ihn zu graulen. Wie zufällig berühre ich dabei seine empfindliche Stelle und er sackt zu Boden. Jubel bricht unter den Wikingern aus und mein Vater und Gothi betreten die Arena. Wie in Trance bemerke ich, wie sie ihre Wahl trifft. Sie wählt mich und früher hätte mich das sicher glücklich gemacht, aber jetzt ist es nur ein weiteres Problem auf einer langen Liste. Blöderweise ist es ein sehr dringendes Problem, denn die Tötung soll bereits Morgen stattfinden und die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Albtraum „zufällig" befreien kann geht gegen Null. Während Fischbein, Rotzbacke, Gustav und die Zwillinge mich umringen und die Wikinger mich feiern, kann ich nur an Ohnezahn denken. Wenn Lydias Geschichte über Viggo Grimborn stimmt, dann ist er in höchster Gefahr und das ist in meinen Augen das dringendste Problem. Sobald ich es schaffe mich wegzuschleichen werde ich zu ihm gehen und nachschauen, was an Lydias Ängsten dran ist.

Lydia

Um mich herum feiern die Leute Hicks, als hätten sie noch nie einen Jungen gesehen, der einen Drachen bezwingt. Wenn ich die Sache richtig verstanden habe findet so etwas hier häufiger statt, es dürfte also nicht neu sein. Interessant ist nur, wie er den Nadder ausgenockt hat. Er hat die „geheime Stelle" benutzt, einen sehr alten Trick, den hier niemand zu kennen scheint. Um mich herum feiern die Leute immer noch und von überall kann ich Worte wie „große Zukunft", „Stolz von Berk", und „großer Drachentöter" hören. Wenn die wüssten, ich glaube nicht, dass sie die Art, wie Hicks an die Sache heran geht, mögen würden. Nur, dass die Drachen hier viel aggressiver sind, als irgendwo sonst und auch der Hass ist viel tiefer verwurzelt. Wenn nicht bald etwas passiert wird Viggo leichtes Spiel haben, es sei denn... Nein! Das kann nicht sein! „Lydia?" Jemand tippt mir von hinten auf die Schulter. Dort stehen Fischbein, Rotzbacke, Gustav und die Zwillinge und schauen mich fragend an. Die Menschenmenge hat sich weitgehend aufgelöst und auch von Hicks und Astrid fehlt jede Spur. So wie es scheint bin ich nicht die Einzige, die sich fragt, wo die Beiden sind. „Weist du wo Hicks ist?" Fragt mich Rotzbacke nur ein paar Sekunden, nachdem ich das gedacht habe. Ich schüttele den Kopf, besinne mich dann aber eines besseren, sie dürfen ihn auf gar keinen Fall mit dem Nachtschatten sehen! „Versucht es doch bei der Schmiede, ich glaube er wollte dort noch etwas machen..." Antworte ich ihnen also und sie ziehen sofort in Richtung Dorf davon. Auch ich will mich gerade auf den Weg zu Lyra machen, als mein Blick noch einmal auf die Arena fällt. In der Mitte steht die Heilerin, Gothi, und schaut mich mit stechendem Blick an. Dann deutet sie mit ihrem Stock erst auf mich und dann auf den Boden vor mir. Sie scheint irgendwas von mir zu wollen und ich will unbedingt wissen was. Also verschiebe ich den Besuch bei Lyra auf später und trete stattdessen durch das Tor zurück in die Arena.

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