12. Kapitel: Fliegen

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Hicks

Ohnezahn beäugt die Prothese misstrauisch, lässt mich dann aber doch an seinen Schwanz und verputzt währenddessen den Fisch, den ich ihm mitgebracht habe. Erst als ich die Prothese angeschnallt habe scheint er zu merken, dass er nun wieder einen vollständigen Schwanz hat. Augenblicklich breitet er seine Flügel aus und schwingt sich in die Luft. Das erweist sich allerdings als komplett falsch, da mein zusätzliches Gewicht den Schwanz hinunter drückt. Innerhalb weniger Momente stürzen wir wieder auf den Boden zu, da hilft es auch nichts, dass ich die künstliche Flosse in die gleiche Position, wie die Natürliche bringe. Wenigstens schafft er es so, den Sturz etwas abzufedern, was mir zeigt, dass es funktioniert. Wenn ich die Prothese nur irgendwie anders steuern könnte... Zum Beispiel von seinem Rücken aus, dort müsste er mein Gewicht tragen können und ich könnte die Prothese irgendwie während des Fluges steuern... Das ist es! Ich müsste einen Sattel basteln und einen Weg finden, wie ich die Steuerung bewerkstelligen könnte! Schnell verabschiede ich mich von Ohnezahn und mache mich auf den Weg zur Schmiede. Dabei überlege ich bereits wie ich die Steuerung hinbekommen könnte. Deshalb merke ich auch nicht, dass mich auf dem Weg dorthin unnatürlich viele Menschen grüßen. Erst als ich dem zehnten Wikinger ein Hallo zurufe, fällt mir auf, dass die Leute mich irgendwie mehr als sonst beachten. Komisch, aber vielleicht liegt es daran, dass sie noch über die Sache mit Lydia reden. Mehr denke ich mir nicht dabei und mache mich gutgelaunt an die Arbeit. Nach und nach nimmt der Sattel Gestalt an und ich habe mir auch ein System zur Steuerung einfallen lassen, auf das ich besonders stolz bin. Zum Glück ist Grobian heute nicht da, denn den Sattel hätte ich ihm wohl kaum erklären können. So aber kann ich ungestört in der geschlossenen Schmiede Arbeiten und gegen Abend ist der Sattel fertig. Leider muss ich aber vorher zum Abendbrot, bevor ich noch einmal zu Ohnezahn gehe und den Sattel bei ihm deponiere. Nicht auszudenken, wenn Grobian ihn morgen früh hier finden würde!

Lydia

Auf dem schnellsten möglichem Weg laufe ich zu der Lichtung, auf der ich in meiner ersten Nacht hier mein Lager hatte. Es ist nur so ein Gefühl, aber ich glaube, dass ich Lyra dort antreffen werde. Schon unglaublich, wie stark unsere Verbindung inzwischen geworden ist. Ich würde ohne zu zögern für sie sterben und ich weis, dass es ihr genauso geht. Ohne sie ist es, als würde ein Teil von mir fehlen und dieses Gefühl macht mir während meiner Zeit im Dorf echt zu schaffen. Auf der Lichtung ist sie allerdings nicht, das merke ich als ich auf dem Weg fast von ihr umgerannt werde. Sie lässt sich auf mich fallen, reißt mich dabei zu Boden und schleckt ersteinmal mein Gesicht ab. Meine Proteste überhört sie dabei gekonnt. Immerhin ist das nicht die erste solcher Aktionen. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich wegen diesen Flecken in Erklärungsnot gekommen bin. Zum Schluss waren sie sogar einer der Gründe, weshalb ich gehen „musste". Aber daran möchte ich jetzt eigentlich nicht denken, die Sonne scheint und es ist fast Windstill. Es ist quasi das perfekte Flugwetter. Genau das scheint sich auch Lyra zu denken, denn sie lässt mich endlich aufstehen und stupst mich mehrmals ungeduldig an. Manchmal kann ich echt nicht glauben, dass sie schon so alt ist. Was ihr aber nicht gefallen zu scheint, denn als ich ihr das sage befördert sie mich mit einem gekonnten stoß in den Sattel. Sobald ich dort angekommen bin steigt sie auch schon in die Luft und ich habe mühe nicht hinunter zu fallen. Erst, als ich mein Gleichgewicht wieder gefunden habe fange ich an den Flug zu genießen. Es ist ein erhabenes Gefühl, wenn man auf einem so majestätischen Tier durch die Luft segelt. Die Sonne scheint auf uns hinunter und es ist kaum eine Wolke zu sehen. Eigentlich ist das ein Nachteil, da es so auch keine Deckung gibt. Aber wir sind bereits weit genug von der Insel weg, als das wir entdeckt werden könnten. Automatisch schlägt Lyra den Weg in Richtung Liliengebirge ein, was ich auch nur merke, weil wir an einer ziemlich abstrakten Felsformation vorbeikommen. Sie hat wahrscheinlich Heimweh, auch wenn sie aus dem Norden kommt, so waren die Wälder auf Fönen für drei Jahre ihr Zuhause. Drachen sind Reviertreu und es ist meistens schwer sie umzusiedeln. Das ist bei einem Fortunenflügler nicht anders als bei einem Nadder. Ich weis, dass wir wieder zurück nach Berk kommen müssen. Irgendwie hängt das Schicksal aller von uns ab. Ich bin mir zwar sicher, dass Hicks die Verbindung zu den Drachen allein hinbekommt, aber gegen Viggo hat er keine Chance. Nicht, wenn er das Ganze noch nie gemacht hat nicht, wenn sich die düstere Vorahnung in meinem Kopf bewahrheitet. Wenn das geschehen sollte, dann ist er auf jede Unterstützung angewiesen. Diese Gedanken schießen mir durch den Kopf, während wir dem Liliengebirge immer näher kommen. Doch plötzlich stellen sich Lyras Ohren auf und sie geht unerwartet in den Sturzflug über. Wenn ich den Sattel nicht im letzten Moment zu fassen bekommen hätte wäre ich wahrscheinlich abgestürzt. Der Schreck sitzt noch tief in meinen Knochen, als sich Lyra in mehrere scharfe Kurven legt. Dann sehe ich den Grund für dieses Manöver und wäre fast noch einmal aus dem Sattel gekippt. Direkt vor uns liegt Viggos fast vollständige Flotte auf dem Wasser. Sie ist vielleicht zwei/drei Tage von Berk entfernt. Die Information von Lana kam nicht rechtzeitig an. Wir haben nicht mehrere Wochen Zeit, sondern nur wenige Tage!

Astrid

Im Dorf versucht Rotzbacke mal wieder sich an mich heran zu machen. Ich will Lydia gerade fragen, ob sie mir Bogenschießen zeigen kann, (dann müsste ich nichts mit Rotzbacke machen) aber sie ist nicht mehr da. Auch Hicks fehlt und wenn ich es mir genau überlege war er bereits bei Lydias Ausbruch in der Arena nicht mehr dabei. Ob die beiden zusammen sind? Ich weis nicht, aber aus irgendeinem Grund versetzt mir dieser Gedanke einen Stich. Was ist nur los mit mir? Früher habe ich mich doch auch nicht darum gekümmert, was Hicks macht! Im Gegenteil, ich habe ihn X Mal herumkommandiert. Aber seit diese Lydia hier ist hat sich einiges schneller verändert als mir lieb ist und ich muss schleunigst herausfinden wieso! Deshalb lehne ich Rotzbackes Angebot mit mir zu joggen auch höflich ab, zumindest für meine Verhältnisse, und mache mich stattdessen auf den Weg in den Wald. Ich glaube nicht, dass die Beiden es wissen, aber ich habe sie gestern beobachtet, als sie dort heraus kamen.
Nach gefühlten zwei Stunden habe ich nichts bis auf einige komische Linien gefunden. Der letzte Weg führt mich an eine Klippe und ich bleibe so dicht am Abgrund wie möglich stehen. Wenn man so nah am freien Fall ist, dann fühlt es sich ein bisschen wie fliegen an. Seit ich meinen ersten Drachen gesehen habe träume ich heimlich davon durch die Luft zu gleiten. Es muss ein tolles Gefühl sein, so durch die Luft zu segeln und alle Gedanken hinter sich lassen zu können. Doch sowas ist leider Unmöglich und so stelle ich mir vor wie dieser Wunsch erst in den Himmel steigt und dann zerplatzt. Während ich dort stehe und den Bruchstücken meines Wunsches zuschaue, wie sie vom Wind davongetragen werden, komme ich endlich zu Ruhe. Ich besinne mich wieder auf mein Ziel, den Riesenhaften Albtraum zu töten und gehe vermeintlich gut gewappnet zurück ins Dorf.

Fünf Jahre Where stories live. Discover now