5. Kapitel: Abend

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Hicks

Auf dem Rückweg sind wir alle sehr schweigsam. Nach unserem Gespräch mit Rotzbacke und Gustav ist unsere Stimmung am Tiefpunkt und so kommt es, dass wir erst wieder sprechen, als es unbedingt nötig ist. „Also dann, bis Morgen." Meint Astrid und verschwindet in der Dämmerung. „Wohin muss ich eigentlich?" Fragt Lydia nun, ihren Blick kann ich im fahlen Licht nicht richtig erkennen. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich vergessen habe, ihr das zu erzählen. Ist das Zufall oder habe ich es verdrängt? „Wir haben den gleichen Weg," sage ich nun. Noch immer kann ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, was mich nervöser macht als ich sein sollte. Ich weis eigentlich immer ganz gerne, was mein Gegenüber von dem Gespräch denkt.„War der Mann dein Vater?" Die Frage kommt nicht überraschend und doch zucke ich zusammen. „Ist das so schwer zu glauben?" Meine Stimme ist sarkastischer als geplant, doch Lydia's Antwort ist ernst. „Eigentlich nicht, ich wollte nur sicher sein." Das überrascht mich noch mehr. Ich dachte immer, dass mein Vater und ich uns nicht sehr ähnlich sind. „Ja, Haudrauf der Stoische ist mein Vater." Antworte ich ihr wahrheitsgemäß und beantworte ihre nächste Frage gleich mit. Zumindest glaube ich, dass sie so etwas in der Richtung gefragt hätte. Schweigend gehen wir weiter in Richtung der Hütte, die ich mit meinem Vater bewohne. Kurz davor bleibt sie plötzlich stehen. „Glaubst du, dass er das nur macht, weil er ein schlechtes Gewissen hat?" Ihre Augen glitzern im Mondschein, es sieht aus, als würden sich dort Tränen sammeln. Doch zu einer Antwort komme ich nicht mehr. Gerade, als ich etwas sagen will explodiert etwas ganz in der Nähe. Das Horn ertönt kurz darauf und es bricht ein riesiger Tumult aus, in dem ich Lydia aus den Augen verliere. Suchend schaue ich mich um, der Hauptangriff scheint bei der Anlegestelle zu sein, alle Wikinger, die mir entgegen kommen, sind auf dem Weg dorthin. Schließlich sehe ich eine rote Haarsträhne hinter einer Ecke verschwinden. Das muss Lydia sein, auf Berk gibt es sonst niemanden mit langen roten Haaren. Obwohl, ich glaube meine Mutter hatte rote Haare. Was hat sie bloß vor? Ohne nachzudenken laufe ich ihr hinterher. In einer ruhigeren Seitengasse ertönt ein Schnauben hinter meinem Rücken. Als ich mich umdrehe steht dort ein Drache.

Lydia

Ich bin schon fast aus dem Dorf raus, als hinter mir ein Schnauben ertönt. Ich drehe mich um und erkenne die Lage sofort. Von einem Moment auf den Anderen ist alles egal, jetzt zählt nur noch die Situation, die sich mir bietet: Am Anfang der Gasse steht Hicks, er ist zu einer Salzsäule erstarrt, oder zumindest kenne ich keine Kampftaktik, die so etwas vorsieht. Vor ihm steht ein Wahnsinniger Zipper und beäugt ihn neugierig. Schnell drehe ich mich um und laufe zu ihnen. Das mit dem Wald war sowieso nur eine Kurzschlussreaktion. Auch mich schaut der Zipper neugierig an. Er spürt, dass ich ihm nichts tun will, denn obwohl manche etwas Anderes behaupten sind auch Zipper feinfühlige Drachen. Jetzt kommt der schwierige Teil: Ich schließe die Augen und leere meine Gedanken. Dann strecke ich meine Hand aus und berühre den Bauch des Zippers. Einen Moment später ist er verschwunden und Hicks starrt mich entgeistert an, dass kann ja noch heiter werden. „W... Wie hast du das Gemacht?" Stottert er, so einfach wird das nicht werden. In dem Moment höre ich schritte auf uns zu kommen. „Hör zu, du hast mich bis jetzt nicht verraten, also tue es auch jetzt nicht." Flüstere ich, die Schritte kommen noch näher. Ich habe das Gefühl zu wissen, zu wem sie gehören. „Ich erkläre es dir später." Zische ich noch. Dann kommt eine Person um die Ecke, wie ich vermutet hatte ist es Astrid.

Astrid

Drachenangriff! Schon wieder. Kann man sich eigentlich nie entspannen? Ja, ja, war eine rhetorische Frage. Es ist trotzdem nervig. Ich bin auf dem Weg zur Anlegestelle, wo der Hauptangriff stattfindet, als ich Stimmen aus einer
Seitengasse höre. Ich gehe darauf zu und stehe wenige Minuten später vor Hicks und Lydia, die sich wohl dort hin in Sicherheit gebracht haben. Oder so... „Wie viele Drachen sind es?" Lydia schaut mich an, als würde ich sowas wissen. Doch woher Bitteschön? Weis man da wo sie Herkommt den genau über alles Bescheid? Gut, ich reagiere vielleicht etwas über, doch ich wollte eigentlich einfach mal in Ruhe schlafen. Ist das den zu viel verlangt? Aber genau dann müssen ja die Drachen auftauchen. „Ist ja gut, kein Grund gleich auszuflippen." Meint Hicks beschwichtigend, man muss mir wohl ansehen, dass ich nicht die beste Laune habe. Ich konzentriere mich kurz und im nächsten Moment kann ich fast schon wieder lächeln. Lydia nickt mir währenddessen anerkennend zu, mein Pokerface ist zwar nicht so gut wie ihres aber trotzdem. In dem Moment tönt das Horn erneut, der Angriff ist vorbei und ich habe es nicht einmal bis zur Angriffsstelle geschafft. Das will ich den beiden gerade an den Kopf werfen, als hinter Lydia ein zischen ertönt. Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet, doch ich bin mir fast sicher in dem Moment einen Zipper hinter ihr gesehen zu haben.

Hicks

Der Drachenangriff und die Tatsache, dass Lydia nun bei uns wohnt machen es mir deutlich schwerer am Abend aus dem Haus zu kommen. Doch ich möchte ihn auf jeden Fall noch einmal treffen, bevor das Drachentraining Morgen losgeht. Irgendwie schaffe ich es schließlich tatsächlich, aus dem Haus zu kommen und zwei Fische aus dem Lagerhaus zu stibitzen. Auf der Lichtung wartet jedoch ein Anderer Drache, er sieht ihm ähnlich, doch seine Schuppen sind viel rötlicher. Zumindest glaube ich das, denn sobald ich die Lichtung betrete ist er auch schon verschwunden. Und waren da nicht auch rote Haare? Nein, ich glaube, ich habe heute einfach zu viel rot gesehen. Eine Weile bleibe ich auf der Lichtung stehen, doch erst, als ich mich auf den Stein setzte höre ich ihn. Dann taucht er plötzlich auf dem Weg auf. Seine grünen Augen leuchten fast ein wenig bedrohlich in die Nacht. Vor schreck lasse ich die Fische fast fallen. Dann aber, nehme ich mir ein Herz und werfe ihm den ersten Fisch hin, danach den zweiten. Auch als ich mich kurz darauf umdrehe und zurück gehe höre ich noch sein schmatzen. Auf dem Rückweg muss ich noch einmal besonders aufpassen, um nicht von einer der Wachen entdeckt zu werden. Zudem nehme ich aus Angst, dass mein Vater noch am Tisch sitzt, das Fenster um in mein Zimmer zu kommen.
Als ich schließlich im Bett liege, kann ich trotz der netten Erfahrung mit der Außenwand nicht schlafen und mir fällt auf, dass ich das erste Mal seit Jahren nicht mehr in mein Notizbuch geschrieben habe. Aber nicht das ist es, was mich Wachhält, sondern der Gedanke an das erneute Drachentraining. Auch diese Lydia bereitet mir Kopfzerbrechen, was verbirgt sie? Ich schlafe ein, bevor ich zu einer vernünftigen Erklärung gekommen bin.

Fünf Jahre Where stories live. Discover now