Betrüger? ✓

3.7K 177 54
                                    

Alle Schüler schauten sich beängstigt und verärgert zugleich an. Man merkte jedem einzelnen die Angst an, die sich von innen einen Weg zum Herz bahnte um sich so in desjenigen Gesichtes widerzuspiegeln. Der Mann, dessen Namen wir immer noch nicht erfahren haben, schaute uns nacheinander an, als würde er uns überprüfen, wie es ein Botaniker bei Pflanzen tat. Nachdem er sich wieder hinsetzte und einige Minuten weiterfuhr, kam mir eine Idee. Nachdem dieser Mann anscheinend nicht ganz dicht war, da er uns einen Schrecken eingejagt hatte, oder aber auch eine minimale Chance bestand, dass er das alles ernst meinte, zückte ich mein Handy aus meiner kleinen Tasche, gut bedacht darauf, keine lauten Geräusche damit zu machen. Ich entsperrte mein Smartphone und tippte schnell die Notrufnummer für die Polizei ein. Nachdem es einmal gepiepst hatte, brach der Empfang ab. "Scheiße, der dumme Empfang will nicht funktionieren," flüsterte ich Hazel zu. "Warte eine Sekunde, ich versuch's auch mal!" erwiderte sie sofort und holte ihr Handy aus der Hosentasche. Nach einigen Sekunden des Wartes, zeigte auch ihr Handy, dass es so nicht klappte. Wir tauschten verwirrte Blicke miteinander. Nur einen Atemzug später stoppte der Bus prompt und alle Insassen schleuderte es ein paar Zentimeter nach vorne. Blöde Trägheit. Der mysteriöse Busfahrer stand auf und drehte sich abrupt genau zu mir um. Dann trat er mit festen Schritten zu uns in die hinterste Reihe und schaute uns böse an. "Handys weg. Ihr habt keine Chance, kapiert das!" sagte er mit fester Stimme und war gerade dabei sich wieder umzudrehen, als er nochmal zu uns schaut und sagte: "Ich sehe und höre alles." Damit drehte er sich weg und nahm wieder an seinem Fahrersitz platz. Nachdem wir ungefähr eine weitere halbe Stunde gefahren waren, stoppte der Bus endgültig und unser Chauffeur stieg aus seinem Sessel empor. Dann schrie er mit eisigem Zorn: "Geht raus, ihr werdet schon sehen wie euch geschieht!"

Wir tapselten alle nacheinander, ohne ein Wort zu sagen aus dem Bus, tauschten aber entsetzte Blicke miteinander. Draußen angekommen sahen wir nur Baustelle. Also zumindest sah es so aus. Überall lag Sand herum und dieser staubte durch die Gegend. Ich hustete, weil anscheinend etwas von dem Sand durch den Wind in meinen Mund gelangt war. Ich fühlte eine Hand leicht gegen meinen Rücken klopfen. Ich drehte mich um und blickte direkt in Jonas' Gesicht. Noch immer ein wenig hustend röchelte ich halb ein "Danke." Jonas nickte nur und nahm dann seine Hand von meinem Rücken. Kälte bereitete sich in mir aus. Der Wind wehte mein fliederfarbenes Kleid wild umher. Ich hob meinen Kopf und blickte in die Ferne. Sand, Sand, Sand...ein Bagger?... Sonst nichts. Dann schaute ich zu Hazel, die ein paar Meter von mir entfernt stand. Sie blickte umher, genau so wie ich es gerade getan hatte und ihr Blick blieb irgendwo hängen. Sie rannte an die Stelle, die sie eben noch mit ihren Augen fokussiert hatte und bückte sich. Perplex schaute ich meine beste Freundin an und erkannte, dass sie etwas aufhob. Zuerst konnte ich nicht erkennen, was es war, doch je näher sie kam, desto mehr konnte ich erahnen was es zu sein schien. Es war ein Zettel. Beziehungsweise ein Umschlag. Also wenn ich es richtig erkannte ein Brief. Als mir dieser Gedanke durch den Kopf flog, drehte ich mich um und blickte zum Bus. Wir standen immer noch alle nur wenige Meter von unserem Gefährt entfernt. Mike saß an seinem Fahrersitz und ich beobachtete wie er sich unter seinem Sitz bückte und verlor ihn dann aus meinem Sichtfeld. Ich konzentrierte mich wieder auf Hazel und den Brief den sie zu uns trug. Also eigentlich schon getragen hatte. Alle standen in einem Kreis um sie herum. Ich erschauerte, als ich mir vorstellte, was wohl in diesem Brief stehen konnte. Musste wirklich jemand sterben? Oder sprang gleich ein Moderator aus einer schlechten Talkshow hinter dem Bagger hervor und erklärte uns, dass dies bloß ein Scherz gewesen war? Ich konnte es nur hoffen. So sehr hoffen. Einige um mich herum fingen an zu weinen. Paul, ein Junge mit Polo Hemd und ordentlich zurecht gemachten Haaren, den ich zuvor noch nicht gesehen hatte, weinte sich die Augen raus. Also, er tat das nicht wirklich. Man konnte es sich nur gut vorstellen, wenn er so weiter machen würde. Er hörte einfach nicht auf. Seinen Namen kannte ich nur, weil Hazel mich angestupst hatte und ein stummes "Paul" geflüsterte hatte. Ich verstand sofort was sie mir sagen wollte. Ich konnte mit Paul fühlen. Auch ich war bestürzt. In den letzten Minuten... Oder sollte ich besser sagen Stunden...war viel passiert. Hazel hatte den Brief immer noch in der Hand, aber wir alle waren erschöpft und wollten einfach nicht noch eine schlechte Nachricht an diesem Tag verkraften müssen.

Der Bus zur Hölle *Abgeschlossen*Where stories live. Discover now