Kapitel 3 - Die Ankunft

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Wortlos stehe ich vor der großen Eingangstür von Hogwarts und blicke mich um.

Es sieht tatsächlich alles aus wie immer, als wäre die Schlacht von Hogwarts nie passiert. Irgendwie erscheint mir das unpassend zu sein – müsste man nicht sehen können, was hier stattgefunden hat? Sollte das Schloss nicht auch Narben tragen, so wie jeder von uns, der an der Schlacht beteiligt war?

Niemand sollte den Krieg mit Voldemort und die Opfer, die er gefordert hat, je vergessen, aber genau das scheint schon zu geschehen.

Ich schwöre mir in diesem Moment, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um die nachfolgenden Generationen an die Verstorbenen zu erinnern.

Genug jetzt mit den traurigen Gedanken.

Entschlossen betrete ich die Eingangshalle. Auf dem Weg zum Gryffindor-Schlafraum treffe ich einige bekannte Gesichter, denen ich zulächle. Es sind allerdings weniger von meinen Mitschülern zurückgekommen, als ich gedacht hätte. Offensichtlich ist es für viele noch zu schmerzhaft, auch nach einem Jahr.

So weit ich weiß, sind von uns „Achtklässlern" insgesamt nur ca. 30 hier, allerdings ist es ja auch ein zusätzliches freiwilliges Jahr und nicht alle haben sich entschieden, ihre Ausbildung in Hogwarts zu beenden.

Vor dem Portrait der fetten Dame bleibe ich stehen und mir fällt mit einem Mal ein, dass ich das neue Passwort noch nicht kenne.

„Verfluchter Mist! Warum habe ich nicht gleich daran gedacht? Machst du heute eine Ausnahme für mich?" frage ich die fette Dame. Diese blickt mich jedoch nur hochnäsig an und schüttelt verstimmt den Kopf über meine Unverschämtheit.

Ich will mich gerade umdrehen und zur großen Halle gehen, da höre ich Ginnys Stimme hinter mir. „Flitterkram" sagt sie zur fetten Dame und das Portrait schwingt kichernd zur Seite.

„Danke Ginny, du bist meine Rettung!" sage ich lächelnd zu ihr und umarme sie.

Wir haben uns schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Ich mochte Ginny schon immer gerne, aber im letzten Jahr hat sie sich zu meiner besten Freundin entwickelt. Natürlich sind Ron und Harry immer noch die wichtigsten beiden Menschen in meinem Leben, aber manchmal tut es ganz gut, mit einer weiblichen Person abzuhängen. Die Jungs verstehen manche Dinge einfach nicht. Bei dem Gedanken daran, was Ron und Harry wohl zu den Gesprächsthemen von mir und Ginny sagen würden muss ich leise lachen.

„Wenn du mich nicht hättest" reißt Ginny mich aus meinen Gedanken. „Ich habe noch mehr gute Neuigkeiten. Da ihr zu wenig Achtklässlerinnen für einen eigenen Schlafsaal seid, wirst du in meinem untergebracht! Wir werden Bettpartnerinnen!"

Sie tanzt durch den Gemeinschaftsraum und ich werde von ihrer guten Laune angesteckt.

„Das ist wirklich super Ginny! Ist mein Gepäck schon angekommen?"

„Natürlich. Und ich habe es direkt neben mein Bett stellen lassen. Dieses Schuljahr wird der Wahnsinn!"

Ich würde ihr gerne zustimmen, aber in diesem Moment höre ich plötzlich Malfoys Stimme, der mir verspricht, dieses Schuljahr zu meiner persönlichen Hölle zu machen.

Ach Quatsch! Ich sollte echt nicht auf diesen Idioten hören. Mit einer positiven Einstellung kann bestimmt nichts schief gehen. Und unser letztes Jahr lasse ich mir bestimmt nicht verderben!

Ein paar Minuten später verlassen Ginny und ich den Gemeinschaftsraum zusammen, um zum Abendessen in die große Halle zu gehen. Ich freue mich schon unglaublich auf die Zeremonie des Sprechenden Hutes, das ist jedes Schuljahr wieder ein Highlight. Und mittlerweile habe ich auch wirklich Hunger. Das Festmahl, das auf uns wartet, kann ich deshalb kaum noch erwarten.

Als wir die große Halle betreten, sind die vier Haustische schon relativ voll besetzt.

Wir gehen zu Harry und Ron, die am vorderen Ende des Gryffindor-Tisches sitzen und lassen uns ihnen gegenüber nieder. Ich lächle den beiden zu, obwohl mir bei Rons Anblick etwas flau im Magen wird. Und auch er sieht irgendwie angespannt aus, als er mich begrüßt.

Oh Merlin, das kann ja heiter werden. Hoffentlich will er nicht direkt heute schon mit mir sprechen, der Tag war schon anstrengend genug.

„Äh Hermine..." setzt Ron an und innerlich stöhne ich auf. Verdammter Mist!

In diesem Moment werden wir glücklicherweise von Professor McGonagall unterbrochen, die aufsteht, um die alljährliche Rede zu halten. Ich muss schlucken, als mir klar wird, dass dieser Part dieses Jahr nicht von Dumbledore übernommen wird.

Während sie die neuen Erstklässler begrüßt und ihnen die wichtigsten Regeln von Hogwarts erklärt, lasse ich meinen Blick über die versammelten Schüler schweifen.

Der Slytherin Tisch sieht leerer aus als sonst, aber das war zu erwarten. Viele Slytherin Schüler und ihre Familien haben sich in der Schlacht auf die Seite von Voldemort geschlagen und mussten sich nach ihrer Niederlage dafür verantworten. Nur wenige wurden begnadigt, viele Erwachsene sitzen nun ihre Strafe in Askaban ab.

Die Schüler wurden natürlich weniger hart bestraft, aber ihren Status, ihre Macht und ihr Ansehen haben sie eingebüßt. Viele konnten das nicht ertragen und haben deshalb mit ihren Familien das Land verlassen. So weit ich weiß sind einige nach Russland und Frankreich gegangen, um in Durmstrang und Beauxbatons zu Hexen und Zauberern ausgebildet zu werden.

Natürlich musste Malfoy hierbleiben!

Bei diesem Gedanken verdrehe ich die Augen. Warum denke ich überhaupt über ihn nach? Ein schneller Blick zum Slytherin Tisch bestätigt mir, dass außer ihm nur zwei weitere Mädchen für das achte Jahr zurückgekommen sind, Pansy Parkinson ist auch dabei.

Als ich ihn erblicke verengen sich meine Augen. Offensichtlich hat ihn wirklich jemand gefunden, bevor der Hogwarts Express wieder abgefahren ist.

Bei der Erinnerung an den gelähmten Draco Malfoy auf der Zugbank muss ich leise kichern. Ich schaue ihn nochmal an und dabei fällt mir auf, dass er ganz allein am Tisch sitzt. Seine beiden Kumpel Crabbe und Goyle sind ja nicht mehr da und offensichtlich hat er noch keine neuen Anhänger gefunden, die den großen Malfoy verehren.

Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glatt denken, Malfoy wäre einsam. Er sitzt da so...ich weiß auch nicht. Traurig?

Äh, Stop! Ich verpasse mir eine gedankliche Ohrfeige. Das darf ja wohl nicht wahr sein! Malfoy ist der letzte Typ auf Erden, der mir Leid tun sollte! Er hat bei der Schlacht um Hogwarts bewiesen, dass er kein guter Mensch ist, sondern ein lächerlicher kleiner Mitläufer.

Ich zwinge mich dazu, meinen Blick wieder auf Harry und Ron zu lenken und versuche, Professor McGonagalls Rede zu folgen. Sie ist fast fertig wie es aussieht und schon wird der sprechende Hut hereingetragen, der sein übliches Lied anstimmt.

Als nacheinander alle Erstklässler aufgerufen und auf die vier Häuser verteilt werden, stellt sich bei mir endlich ein Gefühl der Zufriedenheit ein.

Wir sind wieder Zuhause!

Ich grinse vor mich hin und mein Blick begegnet erst dem von Harry und dann dem von Ron. Die beiden haben denselben glückseligen Gesichtsausdruck aufgesetzt und plötzlich weiß ich: Egal was kommt, dieses Schuljahr wird etwas ganz Besonderes! Nicht mal Draco Malfoy wird daran etwas ändern.

Every Blonde needs a BrunetteWhere stories live. Discover now