eins

415 7 3
                                    

Und so saß ich an dem großen Panoramafenster in meinem neuen Zimmer und betrachtete das Unwetter das sich davor abspielte. Und ich weinte. Aber nicht weil ich Angst vor dem Wetter hatte, sondern weil der Sturm, der Regen und das Gewitter genau die Gefühle, die das Chaos in mir anrichteten widerspiegelten. Schon seltsam, ich hatte zwar damals wegen dem Tod meiner Mutter geweint, aber ich hatte nie wirklich die Zeit dazu gehabt zu realisieren wie sehr sie mir fehlte. Und jetzt, da ich viel mehr Freizeit hatte und mich nicht mehr um alles kümmern und für meine Familie stark sein musste, konnte ich auch endlich meine Gefühle zulassen.

Einerseits war es gut, es fühlte sich an als würde sich den ganzen Druck um mein Herz wie in Luft auflösen. Andererseits war der Schmerz und das Chaos das in mir herrschte einfach unerträglich. Und als ich so dem Regen zuschaute, wie er langsam mein Fenster runter rannte bemerkte ich ihn. Er stand am Fenster gegenüber von mir und musterte mich mit seinen grünen Augen bedrückt. Schnell wischte ich mir die Tränen von den Wangen und lächelte ihn etwas beschämt an.

Hatte er mich etwa die ganze Zeit beim weinen beobachtet? Ich spürte wie sich ein Gefühl von Wut und Verwirrung in mir anbahnte. Aber ich war nicht wütend auf ihn sondern auf mich. Wie konnte ich so doof sein und mir meinen Rotz an meinen Ärmeln abwischen und mir die Seele aus dem Leib weinen wenn ich davor nicht überprüfte ob jemand in dem riesigen Fenster direkt gegenüber von mir war?

Ich dachte das ganze könnte eigentlich nicht noch seltsamer werden, doch als er mir direkt in die Augen schaute drehte er sich plötzlich ruckartig um und verschwand. Natürlich, es war knapp 1 Woche seitdem wir hier wohnten und schon verschreckte ich meinen Nachbarn!
Da das Unwetter etwas nachgelassen hatte und ich keine Taschentücher mehr hatte beschloss ich meine Gedanken etwas anderem zu widmen.

Verzweifelt suchte ich nach irgendetwas interessantem, doch mein Blick wanderte immer wieder rüber zum Fenster des Jungen. Grinsend tauchte er mit einem Block und einem Stift wieder auf. Was hatte er vor? Verwirrt beobachtete ich ihn wie er was auf den Zeichenblock kritzelte. Zufrieden drehte er den Block um und hob ihn ans Fenster.

Hi :)

Mehr stand nicht auf dem Block. Nur Hi, und trotzdem brachte es mich irgendwie zum lächeln. Schnell hastete ich zu meinem Schreibtisch und zog ebenfalls einen Block aus der Schublade und griff nach einem Stift. Sofort lief ich wieder zum Fenster und setzte mich hin. Ich schrieb ebenfalls ein simples Hey :) auf das Blatt Papier und drehte es zu ihm.

Er lächelte mich ehrlich an und zeigte dabei seine weißen Zähne. Sofort blätterte er eine Seite um und beschrieb eine neue. Und so begann unser Gespräch..

Hast du Angst vor dem Wetter?

Nein. Ich mag Regen.

Wieso weinst du dann?

Oh es ist ihm wohl wirklich nicht entgangen.. eine Weile überlegte ich was ich schreiben wollte und entschied mich fürs erste dafür, dass ich mich heute nicht nochmal mit dem Thema auseinander setzten wollte.

Lange Geschichte..

Wegen dem Umzug? Vermisst du jemanden?

Ich nickte nur und lehnte meinen Kopf an die kühle Scheibe. Es war zumindest die halbe Wahrheit. Irgendwie hatte ich von dem ganzen Weinen Kopfschmerzen bekommen.

Tut mir sehr leid..

Dann beschrieb er eine neue Seite.

Ich muss jetzt gehen aber ich hoffe wir sehen uns wieder trauriges Mädchen.

Als ich das las musste ich schmunzeln. Das war echt ein schrecklicher Spitzname.

Okay bye Stalker ;)

The Boy Next DoorWhere stories live. Discover now