Diary Of Jane (Breaking Benjamin)

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Ich habe ein außergewöhnliche Gedächtnis. Ich habe Hefteinträge von vor über sechs Jahren vor meinem inneren Auge. Gespräche sind mir fast im exakten ursprünglichen Wortlaut erhalten geblieben. Lieder aus meiner Kindheit, die ich seit Jahren nicht mehr gehört habe, kann ich immer noch auswendig mitsingen.

Einige Situationen spielen sich in meinem Kopf ab wie ein Film, den ich von außen betrachte.
Doch, wie sollte es anders sein, sind mir nicht nur positive Erinnerungen erhalten geblieben.

Ich weiss auch alle Beleidigungen, die mir je an den Kopf geworfen wurden. Und mein Gehirn sucht sich die schlechtesten Momente aus, um die Demütigungs-Schallplatte auf Endlosschleife zu stellen.

Walross. Du bist hässlich. Du nervst. Du bist fett. Du bist egoistisch. Du willst nur Aufmerksamkeit. Du bist wertlos. Du solltest dir was antun. Niemand will dich. Du warst ein Fehler. Deine Stimme klingt schrecklich. Ich will dich nie wiedersehen.

Noch unangenehmer, als diese Erniedrigungen, sind die Erinnerungen, die trotz aller Bemühungen, sie zu verdrängen, sich den Weg in mein Bewusstsein erschleichen.

Als ich auf der Türschwelle knien musste, mit dem Rücken zu meinem Vater, in stummer und starrer Erwartung der Schläge mit dem Gürtel. Als ich auf allen vieren Zeitschriften und lose Blätter aufsammeln musste, die über alle Stockwerke und Treppen unseres Hauses verteilt lagen, während meine Eltern lachend darauf warteten, dass ich fertig war und sie den Stapel erneut umstoßen konnten. Als ich mich weigerte, zu duschen, und mein Vater mich an den Haaren ins Bad zog um mich dann vollkommen bekleidet in der Badewanne unter den Wasserstrahl zu stellen, selbstverständlich erst, nachdem er sichergestellt hatte, dass das Wasser die kälteste Stufe erreicht hatte.

Oder als ich es eines morgens nicht schaffte, aufzustehen und in die Schule zu gehen, weil ich mich erfüllt von Angst und Antriebslosigkeit nicht aus dem Bett bewegen konnte, und mein Vater mir letztenendes einen Eimer kaltes Wasser überschüttete, „damit du dich endlich mal zusammenreißt".

Wenn ich jetzt an all das denke, zittere ich und mir wird übel. Ich hatte die Bestrafungen und Beleidigungen verdient, doch habe ich es auch verdient, dass sie mich immer wieder heimsuchen?

GedankenrauschWhere stories live. Discover now