Am Ende vom Tag (Les Miserables)

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Warnung. Dieses Kapitel ist möglicherweise nicht für alle Altersklassen geeignet.

Ich bin Jungfrau, und damit meine ich nicht das Sternzeichen. Ich hatte noch nie Sex. Ich hatte auch noch nie eine authentische Beziehung. Ich finde Männer höchst abstoßend. Und Sex an sich auch. Ich bin lesbisch.

Und ich bin Hobbynutte. Dieser Begriff existiert, er bezeichnet die Gruppe derjenigen Frauen, welche sexuelle Gefälligkeiten für Geld anbieten, aber dies nur als Nebenverdienst oder Nervenkitzel tun. Und ich gehöre dieser Gruppe an. Obwohl ich Männer und Sex ekelhaft finde. Vermutlich weil ich Männer und Sex ekelhaft finde.

Schon mit 14 eignete ich mir eine gewisse Form der sexuellen Interaktion an. Auf partyfans, dem Facebook der frühen 2000er, postete ich regelmäßig Updates, die meist aus drei Wörtern bestanden: „Lust auf CS?". CS bedeutet Cybersex und den hatte ich definitiv.                                   Weil ich wusste, dass da genug alte, geile Männer waren, die nur darauf warteten, dass irgendjemand ihre Fantasien befriedigte, tat ich genau das. Ich tauschte Nachrichten und Bilder per Online-Chat oder SMS und MMS aus und half so den Herren beim masturbieren.

Für mich war das normal. Der harte Umgangston, die sexuellen Begriffe, die Unterwerfung – ich wusste recht schnell, was ich schreiben musste, um mein Gegenüber zufriedenzustellen und auch das Feedback zu bekommen, welches ich wollte. Da die meisten Männer mich als ihr Eigentum ansahen, war das auch oft genug der Fall - mir wurde bestätigt, dass ich ekelhaft und wertlos sei. Eine Schlampe eben.

Meinen ersten Porno hat mir mein Cousin gezeigt, da war ich schätzungsweise 10. Und danach war ich fast schon regelmäßig auf Pornoseiten unterwegs und habe mir die Videos angeschaut. So habe ich dann auch recht schnell gemerkt, dass ich anders bin. Denn mich zog es immer wieder zu einer bestimmten Sorte dieser Videos. BDSM. Eine Frau, die gefesselt und wehrlos ihrem Meister ausgeliefert ist, welcher dann mit ihr machen kann, was er will. Ich weiß nicht, warum, und vermutlich will ich es auch nicht wissen, aber jegliche Art des Liebesspieles, bei dem sich die Frau unterwarf, schien für mich das einzig Richtige und Erstrebenswerte zu sein. 

Und so unterwarf ich mich im Internet den Fantasien der Männer und jetzt, 5 Jahre später, lasse ich mich in der realen Welt dafür bezahlen, ihnen einen zu blasen, mich auszuziehen und sie an mir rumspielen zu lassen. Und viele dieser Männer würden am liebsten noch viel weiter gehen.

Immer, wenn ich darüber nachdenke, schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: Ich werde vermutlich mein erstes Mal mit einem wildfremden Mann auf einem Klo oder in einem Auto haben und er wird mir dafür Geld oder Drogen geben. Wie tief ich doch gesunken bin.

Mir bedeutet mein Körper nichts, aber wenn er anderen von Nutzen sein kann, dann sollen diese ihn auch nutzen können.

Ich weiß, dass ich so noch tiefer in den Strudel aus Scham, Ekel und Hass für mich selbst gezogen werde. Aber genau das will ich ja.

Als ob mein Gehirn nach Möglichkeiten sucht, die Gedanken, die ich habe, zu erklären.
Ich hasse mich. Ich habe keine Ahnung, warum.
Aber indem ich mich praktisch den Typen an den Hals werfe, lässt sich der Hass durch "Mein Körper wurde benutzt, ohne dass ich es wollte." erklären.
Denn natürlich will ich nicht angefasst oder angegafft werden. Aber irgendwie komme ich davon nicht los. Warum hab ich das Gefühl, dass ich das tun müsste?

Ich will mir wohl beweisen, dass ich wirklich verabscheuungswürdig bin. Und wenn ich mich dafür prostituieren muss, dann ist das eben so. Hauptsache, ich muss mich selbst nicht ertragen.







GedankenrauschWhere stories live. Discover now