Chop Suey (System of a Down)

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Es gibt Tage, an denen bin ich einfach nur wütend. Rasend, schäumend vor Wut. So wie heute.

Ich habe in den letzten Wochen 10 Kilo zugenommen, größtenteils durch eine neue Medikation, die Appetitsteigerung als Nebenwirkung hat. Ich versuche ja wirklich, gegen die Bulimie zu kämpfen, aber unter diesen Umständen... Ich esse zu viel, und wenn ich nicht erbreche, nehme ich zu. Und das darf ich nicht. Also muss ich erbrechen.

Ein paar Tage hatte ich es noch unter Kontrolle, aber dann ging es bergab und jetzt geht es mir wieder echt mies. Und fett bin ich trotzdem. Ich habe mich letzte Woche so unwohl in meiner Haut gefühlt, dass ich den Abiball sausen ließ, weil ich mich wirklich nicht hübsch fühlen konnte. Ich habe meine Freunde im Stich gelassen, nur weil ich zu fett bin und mich dafür schäme.

Und jetzt muss ich mich auch noch mit meiner Mutter rumschlagen, die gerade jetzt wieder ständig mein Gewicht kommentieren muss. Oder insgesamt das Gewicht von Menschen. Als wir vorhin durch die Stadt gelaufen sind, kam uns ein unglaublich hübsches Mädchen entgegen, kurze Haare, alternativ gestylt, mit weiblichen Kurven. Und mit kurzer Hose. Der Kommentar meiner Mutter war: „Jetzt ist mir schlecht." Und das nur, weil das Mädchen ihre Oberschenkel nicht versteckt hat, sondern selbstbewusst und unabhängig durch die Straßen gelaufen ist. Ich bewunderte sie ja eigentlich, aber meine Mutter musste das wiedermal kaputt machen. Und gegen alle Versuche, ihr zu erklären, dass ihre Meinung wirklich kontraproduktiv sei, war sie resistent.

Und damit nicht genug, nur ein paar Stunden später setzte sie noch einen drauf. Sie kam zur Haustür rein und als sie mich mit einem Teller klappern hörte, rief sie: „Jetzt istaber Schluss mit Essen!". Nicht nur, dass ich nicht mal vorhatte zu essen, ich habe nur aufgeräumt, nein, es war zu dem Zeitpunkt 19.30 Uhr und im Laufe des Tages hatte ich noch nicht allzu viel zu mir genommen, was ihren Ausbruch rechtfertigen würde. Darauf verwies ich, und es war natürlich ihrer Meinung nach trotzdem schon zu viel. Wie immer. Sie muss mich immer runter machen.

Meine Mutter sagt, sie wolle mir nur helfen, weil ich mir ja mit meinem Körper nicht gefalle. Das stimmt zwar, aber was, wenn ich mir nur nicht gefalle, weil es mir die ganze Zeit eingeredet wird?

Es wäre ja legitim wenn sie durch ihre strenge Kontrolle Fressanfälle vermeiden wollen würde. Aber sie will hauptsächlich mein alltägliches und doch recht kontrolliertes Essen eindämmen, denn dass ich, wenn ich zu viel esse, es auch wieder erbreche, kommt ihr nicht in den Sinn.

Und ich kann noch so sehr versuchen, ihr Verständnis einzufordern oder es ihr zu erklären. Aber ich rede wie gegen eine Wand. Letzten Endes kommt es immer zum Streit und Sie wirft mir vor, wie undankbar ich sei und weißt mich darauf hin, dass sie keine Schuld an meinem Zustand hätte.

Natürlich bin ich dankbar dass meine Eltern mich finanziell unterstützen, aber darauf kommt es mir nicht an. Dann soll sie mir doch das Taschengeld kürzen oder mir das Internet sperren, es gibt Dinge, die wichtiger sind. Zum Beispiel Verständnis und Akzeptanz. Aber die gibt es in diesem Haus nicht.

Das bestätigt mir nur, was ich schon immer wusste. Dass meine Mutter und Ihre Erziehungsmethoden sehr wohl einen Teil zu meinem Zustand beigetragen haben. Ihre Ignoranz, Ihre Selbstgefälligkeit... Egal was ich tue, es kann nie genug sein.

Und wie könnte man sich selbst akzeptieren,wenn einem von klein auf beigebracht wurde, es nicht zu tun?

GedankenrauschWhere stories live. Discover now