The Lions of Africa - Verstoßen

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Das Buch »The Lions of Africa-Verstoßen« (oder wie es richtig geschrieben sein müsste »The Lions of Africa – Verstoßen«; mit Halbgeviert- anstatt Bindestrich und Leerzeichen) von Juwelherz verlagert das Grundprinzip der »Warrior Cats«-Bücher nach Afrika zu größeren Vertretern derselben Tierfamilie, den Löwen.

Davon merkt man allerdings nicht viel (außer durch die Bilder, welche als Header vor jedem Kapitel platziert sind), denn wie Löwen verhalten sich die Akteure nicht ansatzweise, selbst wenn man ihnen einen hohen Grad an Vermenschlichung zugunsten differenzierter Kommunikation und abstrakten Denkens zuspricht. Hierin liegt meiner Meinung nach auch der größte Schwachpunkt des Buchs (wenn es auch noch einige andere gibt), da auf diese Weise jegliches Alleinstellungsmerkmal genommen wird. Oberflächliche Konflikte, die nicht durch Charaktere oder Umstände, sondern aus reinem Verlangen nach Drama heraus befeuert werden, kann ich genauso gut oder sogar besser mit Menschen darstellen, weswegen das wenigstens scheinbare Einbauen der Sozialstrukturen und Lebensbedingungen der Tiere notwendig ist, um eine Erzählung bereitstellen zu können, die immerhin Fans der »Warrior Cats« zufriedenstellt.

In »The Lions of Africa« werden jegliche Fakten über Löwen oder die afrikanische Geografie jedoch absichtlich gemieden, wieso auch immer. Das weiße Löwenjunge Eis wird aufgrund seiner Fellfarbe vom Rudel vertrieben – nicht jedoch, weil sie für fehlende Tarnung und somit potenzielle Gefahr sorgt, sondern lediglich, weil er anders ist – von Wilderern geschnappt und nicht gehäutet, sondern an einen Zirkus verkauft, wo er innerhalb weniger Wochen und mit für die Sicherheit der Trainer fragwürdigen Methoden für die Manege ausgebildet wird. Von dort aus geht sein Überlebenskampf weiter, treibt ihn durch die Großstadt und andere fremde Terrains, während seine Rudelgefährten Wettkämpfe veranstaltet, um einen neuen Anführer zu bestimmen, anstatt der primären Direktive »Überleben« zu folgen, die ihn ihrem genetischen Code verankert sein müsste.

Wie schon erwähnt, ist es aber nicht die absurde Handlung, die das vorliegende Buch zum missglückten Nachahmversuch eines aktuell gehypten Phänomens macht. Auch abseits des Inhalts kann es mich nicht überzeugen.

Diverse Ich-Erzähler, die sich ständig und ohne erkennbaren Grund abwechseln, ein fehlender Spannungsbogen aufgrund offensichtlicher Planlosigkeit, und stereotypisierte Charaktere, die sich durch nichts weiter zu definieren scheinen als ihre ohnehin größtenteils gleiche Fellfarbe haben es mir nicht leichtgemacht, die Geschichte zu lesen. Lediglich die Bezeichnungen für manche von Menschenhand gefertigte Artefakte wie den »Todesast« haben mich positiv zum Schmunzeln gebracht, obgleich die meisten dieser keine für Löwen durchführbaren Assoziation entspringen.

Aber zurück zum Ursprung allen Übels, der Planlosigkeit. Ich selbst bin keine Plotterin, die ihre Handlung von Beginn an durchstrukturiert, aber ich habe ein Ziel und Charaktere mit Motivationen, aus denen sich gepaart mit äußeren Einflüssen zwangsläufig eine Abfolge von Ereignissen entwickelt, die absolut logisch ist, über die ich nicht lange nachdenken muss und die meinem endgültigen Abschluss zugutekommt, den ich mir als Zielflagge gesetzt habe. Wie ich aber aus dem, was ich den über dreißig Kapiteln und den angefügten Autorenanmerkungen entnehmen konnte, ist in »The Lions of Africa« nicht ein Paragraph ohne längerfristige Planung oder ein zweites Überdenken geschrieben worden. So springt die Handlung einfach von Punkt zu Punkt, viele Aktionen wirken wie Lückenfüller und schlichtweg adynamisch, erzwungen und fehl am Platz. Viele wollen, dass ein Buch sie »in fremde Welten entführt«, aber das ist nicht gleichzusetzen mit dem Ausmerzen dessen, was der Mensch kennt und für natürlich erachtet. Der Autor sollte vielmehr die Illusion vermitteln, er bilde eine Realität ab, doch dafür ist Konsistenz unabdinglich und diese ist nicht gegeben, wenn spontane Ereignisse eingebaut werden, damit überhaupt irgendwas geschieht.

Die Perspektivwechsel wurden für denselben Zweck missbraucht. Doch nur, weil sich mal nicht zwei Figuren streiten, prügeln oder etwas anderweitig Gefährliches geschieht, muss nicht direkt zu einem anderen Charakter gewechselt werden, der dann für zwei Absätze lang seine Meinung zu einem Geschehen kundtut. Das hat vor allem gar keinen Sinn, wenn die Charaktere gut konzipiert sind und der der Protagonist eine durchschnittliche Wahrnehmung von ihnen hat, denn dann weiß man, was sie sich wohl denken und was ihr nächster Schritt sein wird, sollten sie sich dafür entscheiden, in die Handlung einzugreifen. Ist das nicht der Fall, sollten sich Gedanken darüber gemacht werden, ob wirklich alle nötigen Informationen durch den Text vermittelt werden.

Ohne große Umschweife kann ich sagen, dass auch das hier nicht der Fall war. Innere Handlung, die vor allem bei der Ich-Perspektive ein notwendiges Mittel und der Grund ist, diese überhaupt zu wählen, suchte ich vergeblich, ebenso wie individuelle Merkmale der verschiedenen points of view (obwohl ich hier sagen muss, dass die Figuren allgemein nicht mehr als eine einzige Charaktereigenschaft besitzen). Wozu dann das Ganze? Wahrscheinlich der Versuch, möglichst viele Wörter zu generieren und schnell zu updaten. Nicht gerade die geeignetste Motivation, ein Buch (oder besser gesagt Abschnitte dessen) zu verfassen.

Der Schreibstil an sich tut sich ebenfalls nicht positiv heraus. Die immergleichen Satzkonstruktionen, eine Mangel an Hypotaxen und eine unflexible Wortwahl lassen den Text eintönig wirken. Da möchte ich auch gar nicht weiter ins Detail gehen, denn erstens ist es schon einige Zeit her, dass ich das Buch gelesen habe, andererseits handelt es sich um einen Kritikpunkt, den man am ehesten selbst analysieren und verbessern kann, auch durch Fachliteratur.

Alles in allem kann ich eigentlich kein gutes Haar an »The Lions of Africa« lassen. Doch auch wenn diese Formulierung in mir eher das Bild einer räudigen Nacktkatze hervorruft, muss ich sagen, dass auch diese das Potenzial hab, wenigstens im Rahmen ihrer Möglichkeiten anständig auszusehen. Das Löwenthema an sich möchte ich also nicht prinzipiell verurteilen, erwarte aber, dass sich so weit wie möglich am Verhalten der Art orientiert wird und das Buch mindestens nach Schema F verfasst ist. Dann ist es zwar nicht originell, aber man kann der Autorin so nicht völlige Gedankenlosigkeit, Faulheit und vor allem Ignoranz vorwerfen.

Schreiben ist Handwerk und Kunst und als eines von beidem sollte man es behandeln, was hier nicht geschehen ist. Du willst unterhalten? Was bringt dich dazu, ein Buch unterhaltend zu finden? Selbes kann man für jede andere Eigenschaft versuchen, die man in seiner Geschichte wissen möchte.

Alles, was man in der Schule in den Sprachfächern und Gesellschaftswissenschaften lernt, läuft auf Reflexion heraus. Man soll diese Fähigkeit nicht erwerben, um gute Klausuren zu schreiben, sondern sich selbst und andere hinterfragend durchs Leben zu gehen, wo auch das Schreiben dazugehört.

Durch reflektierten Umgang mit den eigenen Texten könnten viele der hier aufgeführten Mängel kinderleicht vermieden werden und würden nicht ein Manuskript zurücklassen, das eine Komplettüberholung nötig hat. Und wenn man sich schon so von den »Warriors« inspirieren lässt, ist es vielleicht gar keine so schlechte Idee, sich auch abseits vom Inhalt daran zu orientieren. Dann ist es immerhin eine Schreibübung.

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