Hopeless

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Im Leben begegnet man vielen Menschen. Manche kommen und gehen sofort wieder, während andere eine Weile oder sogar bis zum Ende bleiben. Und häufig scheint es so, als hätten wir nicht den geringsten Einfluss darauf, wie es letztlich kommen mag. Ich denke das ist die Grundaussage, die die Novelle »Hopeless« von LadyLavinia vermitteln möchte.

In dreiundzwanzig kurzen Kapiteln berichtet sie von der zufälligen Begegnung der achtzehnjährigen Studentin Valenzia, genannt Vale, mit dem nur ein Jahr jüngeren Hiro, welcher jedoch aussieht als wäre er noch ein Kind. Und während es ihr lieber wäre, den Jungen nicht weiter kennenzulernen, scheint er alles daran zu setzen, sich mit ihr anzufreunden.

Als ich begann, »Hopeless« zu lesen, hatte ich zunächst Schwierigkeiten mich einzufinden, denn offenbar ganz bewusst, wurden einige Elemente in die Handlung gebaut, die ein wenig skurril wirken sollen. Zum einen wäre da Devi, Vales beste Freundin, eine Chinesin, welche aber fast ihr ganzes Leben in Island verbracht hat und nun ein Jahr als Au-pair in Dänemark verbringt, Vales Heimatland, in dem die Handlung auch spielt. Ein genauerer Ort wird nicht erwähnt, aber es handelt sich um eine Hafen- und Universitätsstadt. Desweiteren ist da auch der Hang der Protagonistin zu englischen Sprache, mit der sie aufgewachsen ist, da ihr Vater aus den USA stammt und die sie nicht nur nutzt, wenn sie Gedichte schreibt, sondern auch, wenn sie mit ihrem Zwillingsbruder redet, der ebenfalls nach einer Stadt benannt wurde, Toulouse.

Das, gepaart mit dem in seiner physischen Entwicklung zurückgebliebenen Hiro, ergibt eine Mischung, die ohne weitere Erklärungen Verwirrung stiftet, auch wenn alles sehr authentisch wirkt, da wir es in der ersten Person geschrieben durch Vales Augen betrachten. Leider schafft es die Geschichte nicht, alle ihre Elemente gegen Ende aufzugreifen, ist aber der Mitte äußerst schluderig geschrieben und wirkt so, als wolle möglichst schnell zu irgendeinem Ende gekommen werden, indem ein wichtiger Plotpunkt abgearbeitet und Charakterentwicklung und Schreibstil in den Wind geschossen wurden.

Das ist schade, denn zumindest in den ersten Kapiteln findet sich ein schöner Stil, der sehr ausschweifend ist und einen in Vales Welt eintauchen lässt. Man merkt ihr an, dass sie Hiro merkwürdig findet, er ihr erst einmal wirklich suspekt ist, was im Sumpf der Badboy-Literatur eine willkommene Abwechslung ist und mit der kommenden Ausweisung Devis, die nur einen chinesischen und keinen europäischen Pass besitzt, kommt auch ein erster Konflikt ins Spiel, aus dem sich durchaus ein lesenswertes Drama hätte entwickeln können, denn durch Devis baldige Abwesenheit braucht Vale jemanden, der ihr bei einem ominösen Filmprojekt hilft, über dessen genaue Natur wir leider im Unklaren gelassen werden. Und dieser Jemand ist Hiro, dessen Eltern zufälligerweise Produzenten einer wahrscheinlich unhistorischen Historienserie sind, welche einzig existiert, um den Mainstream zu bedienen. Eine gute Gelegenheit, um die Filmbranche überspitzt darzustellen, aber da die Geschichte zu dem Zeitpunkt schon im Zeitraffermodus war, ist nichts oder nur skizzenhaft etwas davon zu erkennen.

Dann passiert auch schon ein Unglück, ein Brand um genau zu sein, in dem die beiden Hauptfiguren fast ersticken (geschildert auf etwa einer Normseite) Vale nimmt das aus irgendeinem Grund sehr mit, sie schottet sich ab, nach etwa fünfhundert Wörtern lässt ihr Bruder aber Hiro zu ihr, er offenbart ihr einen Gendefekt namens Kallmann-Syndrom zu haben, der dafür sorgt, dass die Pubertät nicht einsetzt und angeblich auch, dass er in etwa zwei Jahren sterben wird.

Das war's. Von einer Entwicklung der Beziehung der beiden keine Spur, nicht einmal Hiro ist anständig charakterisiert. Er wirkt auf mich einfach wie dieser stereotype junge Asiate, der ziemlich schlau ist und das auch offen zur Schau stellt. Allerdings ist seine Klappe ziemlich groß.

Vales aber auch, hingegen dem, was der Klappentext suggeriert, wo behauptet wird, sie sei introvertiert, was allerdings nicht im Geringsten stimmt. Sie eckt einfach nur an, wenn etwas nicht exakt in ihren Lebensentwurf passt und das trifft beispielsweise auf Hiro zu. Umso ärgerlicher ist es, dass sie ihn grundlos doch hinnimmt und sich ja sowas wie Freundschaft zu entwickeln beginnt.

Auch wenn der Plot nur eine Zeitspanne von drei Tagen umfasst, will ich bitte alles nachvollziehbar dargestellt bekommen und nicht einfach nur schnell dahingeschriebene Zeilen, die mir per »tell« anstatt »show« weismachen wollen, es hätte sich etwas bei den Figuren getan. Gerade wenn man sieht, dass es eigentlich besser geht, ist es noch tausendfach ernüchternder.

Wie schon erwähnt, geht es auch mit dem Stil bergab, wenn man es am Ende überhaupt noch so nennen kann. Die Wortwahl der Autorin bleibt gut, keine Frage, ihr Ausdruck fehlerfrei, aber es steht in großem Kontrast zu dem, was am Anfang abgeliefert wurde. Dadurch wirkt Vale auch ganz anders, nämlich für den Leser nicht mehr greifbar, was bei einer Geschichte, die sich vor allem auf das Innenleben seiner Protagonistin konzentrieren will, äußerst kontraproduktiv ist.

Zudem ist mir negativ ins Auge gesprungen, dass die Dialoge, die Vale und Toulouse auf Englisch geführt haben, auch auf Englisch dastehen. Prinzipiell habe ich mit Zweisprachigkeit kein Problem, wenn ich beide Sprachen beherrsche, aber das funktioniert nur, wenn der Autor beide gleichsam authentisch nebeneinander schreiben kann. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die erste Unterhaltung der beiden hat mich noch hoffen lassen, alle weiteren sind extrem hölzern formuliert, enthalten teils sprachliche Unstimmigkeiten, vorrangig, was die Verwendung der Zeitformen angeht und sind schlichtweg nicht umgangssprachlich genug.

Immerhin gibt es bis auf ein paar Fehler bei der wörtlichen Rede keine auffallenden Rechtschreibfehler.

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was ich über »Hopeless« genau sagen soll. Es sind Ansätze da, es hätte vielleicht gut sein können mit ein bisschen mehr Planung und dementsprechend auch Ausarbeitung. Es kann nicht gut gehen, wenn man eine Handlung, die in etwa 250 Seiten bräuchte, um erzählt zu werden, auf ein Fünftel davon herabbricht.

Die meiste Zeit über war ich völlig ratlos, habe mich gefragt, was das hier eigentlich soll, was ich da gerade lese und das Ende hätte fast schon eine Parodie auf alle Geschichten der Sparte »Nicholas Sparks« sein können. Ich hatte keinen Spaß beim Lesen dieser Novelle, aber hey, immerhin war es nach etwa einer halben Stunde vorbei.

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