Schokolade macht glücklich

203 22 14
                                    

Fan-Fictions sind für mich eigentlich eine heikle Angelegenheit und ich habe in genug reingeschnuppert, um mir eine gewisse Angst vor ihnen anzulesen. Ganz besonders kritisch wird es dann, wenn ich die Originalgeschichte auch noch mag – nein, abgöttisch liebe.

Trotzdem haben mich diese Vorbehalte nicht davon abgehalten »Schokolade macht glücklich« von  @Descaladumidera zu rezensieren, einer Geschichte aus der Rumtreiber-Zeit, die sich auf canonferne Pfade begibt, indem Remus Lupin und Lily Evans sich zum Traumpaar des Jahrgangs mustern könnten, während James Potter leer ausgeht.

Das Grundprinzip, nach welchem die Handlung aufgebaut ist, ähnelt dem der Harry-Potter-Bücher. Das siebte und letzte Schuljahr beginnt, der erste Krieg gegen Voldemort wütet und spitzt sich immer weiter zu und ein neuer Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste darf natürlich auch nicht fehlen. Erzählt wird das Ganze aus der Sicht von einem Remus, der natürlich noch nicht der Mann ist, der dem geneigten Leser von JK Rowlings Werken bekannt ist und der bei Weitem mein Lieblingscharakter ist. Das ist allerdings eine Bedingung, die mir das Fällen eines objektiven Urteils, das nicht von massivem Fangirling beeinflusst wird, sehr erschwert. Andererseits hat es mir das Lesen aber auch deutlich erleichtert.

Die Handlung setzt mit Beginn der Sommerferien ein und wird im Prolog in Briefform geschildert. Die Rumtreiber und auch Lily Pott... ähm Evans schreiben sich gegenseitig und es ist alles noch sehr amüsant und locker gehalten. Ich finde, das könnte auch als eigene FF für sich stehen, denn ich musste einige Male herzlich lachen.

Beim alljährlichen Besuch in der Winkelgasse gibt es dann allerdings ein Kontrastprogramm, den eine Attacke der Todesser fordert ihren Tribut und das Dunkle Mal schwebt über London. Und in dieser tragischen Situation kommen sich auch die beiden Turteltäubchen to be näher.

Dass der Zaubererkrieg eine so große Rolle spielt und trotz angekündigtem Augenmerk auf dem Shipping nicht untergeht, finde ich ausgezeichnet. Hier werden andere Seiten der Charaktere gezeigt, als man sie im Schulalltag in Hogwarts bemerken würde und es gibt dem Plot natürlich viel mehr Spannung und einen Rahmen.

Mein einziges Problem hierbei war tatsächlich, dass die Grausamkeit nicht immer greifbar genug war. Ich habe an manchen Stellen die Atemlosigkeit vermisst und irgendwie auch das flaue Gefühl im Magen. Beides könnte aber durch kleine Änderungen hervorgerufen werden.

Die Handlung geht spannend weiter, diesmal mit mehr Fokus auf dem Schulleben und der Tatsache, dass in Remus Gefühle für Lily aufkeimen, wo er doch weiß, dass sein bester Freund James auf sie steht. Diese eigentliche Problematik der Handlung wird allerdings nicht plakativ in den Raum gestellt, sondern entwickelt sich langsam. Den Charakteren wird viel Raum gelassen, um sich zu etablieren, sowohl jenen, die von Rowling selbst stammen, als auch den OCs.

Allerdings kam es mir so vor, als sei vor allem bei den Rumtreibern sehr penibel darauf geachtet worden, dass sie nicht out of character sind. Das hat sie szenenweise etwas eindimensional wirken lassen. Der einzige, bei dem das nicht so war, war Remus, aber von dem ist ja auch am meisten bekannt. Ich fand es vor allem schade, da die OCs wie Marlene, Sirius' Jugendliebe, wunderbare Figuren sind und ich es der Autorin auch zutraue, den Charakteren Rowlings etwas mehr Leben einzuhauchen und diese zu erweitern. Gerade bei Wurmschwanz hätte mich das sehr gefreut.

Der weitere Handlungsverlauf ist recht simpel, Remus hadert mit sich selbst, James versucht Lily aufzureißen und zwischendrin ist auch immer mal wieder Vollmond, was den sich selbst bemitleidenden Werwolf natürlich jedes Mal aus der Bahn wirft und der Krieg ist ja auch noch da.

Mehr passiert allerdings nicht und wenn etwas geschieht, dann nimmt das auch immer einen längeren Zeitraum ein. Dadurch kam es teilweise zu Längen, vor allem vor dem Angriff auf Hogsmeade, die sehr melodramatisch und zeitweise redundant wirkten. Da hatte ich dann auch meine Zweifel, ob die Geschichte jetzt ihren Reiz verloren hat, aber der kam dann mit ein bisschen Action sofort wieder zurück.

Alles in allem also ein Auf und Ab, wenn auch immer eines, das den Charme und die Magie der Zaubererwelt erhalten hat, was ich jedem Autor von Fan-Fiction hoch anrechne.

Noch höher rechne ich der Autorin allerdings an, dass es bei dem Shipping nicht bloß um Sex geht oder darum, dass die beiden ein paar sind. Vielmehr wird die Geschichte einer unglücklichen Liebe erzählt, denn James ist ja auch noch da und will Lily erobern – und sein bester Freund will ihm dabei natürlich nicht im Weg stehen, immerhin ist er eher unsicher und zurückhaltend und kann sowieso nicht verstehen, wie ihn jemand lieben kann. Es wird sich wirklich genug Zeit gelassen und auch wenn ich immer noch glaube, dass die beiden nicht zusammengehören, weil sie keine Personen sind, die sich in der Art Beziehung gut tun, war es glaubhaft. Mission erfolgreich würde ich sagen.

Ich war während des Lesens übrigens auch ganz arg verliebt und zwar in die kleinen Details, die eingebaut wurden. Zum einen ist da Mary, die zukünftige Mrs. Cattermole, eine Muggelstämmige, deren Anhörung das Goldene Trio im siebten Buch platzen lässt, dann Snape und Regulus, die sich beide schon von ihrer guten Seite zeigen und dem Dunklen Lord nicht restlos ergeben sind und natürlich so Charaktere wie Peeves, die einfach zu Hogwarts dazugehören. Und die Wolfstar-Anspielungen sowie einige andere Referenzen zu beliebten FF-Themen waren auch sehr amüsant, auch wenn ich bezweifle, dass Homosexualtität bei den Zauberern Ende der 70er anders gehandhabt wurde als bei den Muggeln.

Vermisst habe ich allerdings die Streiche, den Unterricht, denn ich habe Professor Dearborn nach der Einführung seines Charakters sofort wieder vergessen, was ich als nicht so gut erachte und Berichte aus dem Tagespropheten, denn ganz abgeschirmt sind sie nicht von der Außenwelt.

Oder das ganze Drumherum ist manchmal einfach in Remus' Selbstmitleid ertränkt worden. Häufig war er nämlich eine echte Heulsuse, was ich an einigen Stellen zu viel fand. Er ist niemand, der direkt zu einem Häufchen Elend wird. Eher wird er wütend und ist dann passiv-aggressiv, wie im siebten Buch, nach seinem Streit am Grimmauld Platz mit Harry. Aber diese Gefühlsduselei kam auch bei den anderen durch also denke ich, dass das eher das Problem einer Autorin ist, die ihre Feels in den Griff bekommen muss und da ein bisschen zu sehr emotional involviert ist.

Zusammenfassend muss ich einfach sagen, dass Descaladumidera eine Fan-Fiction geschrieben hat, die diesen Namen verdient und die äußerst. angenehm zu lesen war, auch wenn vor allem am Anfang der Wortschatz in einzelnen Abschnitten (wahrscheinlich pro Schreibeinheit) eher begrenzt schien und sich viele Wörter permanent wiederholt haben. Meistens war der Stil jedoch flexibel und angemessen, sodass man es kaum besser hätte machen können.

Ich kann nicht sagen, ob ich die Handlung weiterverfolgen werde, denn bei aller Liebe zu Remus, kann ich mich persönlich für das Pairing nicht begeistern. Dieses Schiff fährt wohl ohne mich ab. Dennoch gehört diese Geschichte zu den besten FFs, die ich je gelesen habe und ist auch abseits dessen ein netter Text. Und ich stimme Remus zu: Schokolade macht wirklich glücklich!


Buchbewertungen - Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die WahrheitΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα