Backstep

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One does not simply write a book about severe mental illness.

Ja, ich bin der Ansicht, dass es dem Einmarsch nach Mordor gleicht, ein Buch über schwere psychische Erkrankungen zu schreiben, ohne nicht mindestens selbst davon betroffen oder auf dem Gebiet studiert zu sein. Zwar bietet das Internet eine Reihe an Fakten, die teils wirklich gut strukturiert dargestellt sind, sodass man sie zweifelsfrei korrekt wiedergeben kann, doch eine angemessene Darstellung der Thematik garantieren sie keinesfalls.

So ist es auch E_Mngrl in ihrem Buch »Backstep«, welches zum aktuellen Zeitpunkt vierzig Kapitel umfasst, nicht gelungen, Schizophrenie und dissoziative Identitätsstörung ihrer beiden Protagonisten ernstzunehmend darzustellen, auch wenn sie sehr bemüht war.

Payton ist die Ich-Erzählerin, aus deren Sicht die meisten Kapitel des Romans verfasst sind. Sie ist 22 Jahre alt, Anthropologiestudentin in Vancouver und leidet schon seit Jahren an Schizophrenie. Obwohl sie schwer mit den Symptomen du Auswirkungen ihrer Krankheit zu kämpfen hat, verweigert sie ihre Therapie mehr oder weniger, redet nicht offen über ihre Probleme und nimmt auch das mit der Tabletteneinnahme nicht sonderlich ernst. Beschweren tut sie sich dennoch zur Genüge und versinkt immer mal wieder in Kaskaden an Selbstmitleid.

Außer, sie bekommt die Gelegenheit Harry anzuschmachten, der ebenfalls ein paar Kapitel den Ich-Erzähler mimen darf und Optik, Namen und Nationalität von Harry Styles geliehen bekommen hat. Was allerdings vollkommen irrelevant für den Plot ist, ganz im Gegensatz zu seiner DIS (er hat – zusätzlich zu seiner eigenen – zwei abgespaltene Persönlichkeiten), die beim Kennenlernprozess mit Payton für einige Schwierigkeiten sorgt.

Die gesamte bisherige Handlung besteht im Grunde genommen aus einem Hin und Her zwischen Payton und Harry. Sie laufen sich immer wieder über den Weg, was in den meisten Situationen von der Autorin erzwungen wirkt, mit Ausnahme vielleicht der ersten Begegnung als die ständig rauchende Payton den ihr bis dahin unbekannten Lockenkopf nach einem Feuerzeug gefragt hat. Solche gut arrangierten Momente, die dem Leser vorgaukeln, sich in einem realen Szenario zu befinden, sind allerdings äußerst selten.

Bis jetzt verläuft der Plot nämlich äußerst platt, ohne Spannungsaufbau, dafür aber mit jeder Menge Unlogik und Stereotypen, die sowohl die beiden Hauptcharaktere, als auch die Nebendarsteller betreffen, welche ausnahmslos wie skurrile Karikaturen von den Charakterklischees eines amerikanischen Highschool-Films wirken, jedoch unbeabsichtigt und jede Menge unfreiwillige Komik hervorrufend. Sie fallen lediglich durch ihre Zweidimensionalität auf.

Das Pappaufstellertum kann man den beiden Protagonisten zwar nicht nachsagen, denn dafür sind sie viel zu inkonsistent. Payton hat immer mal wieder wechselnde Symptome, die jedoch in keinem Zusammenhang zu dem stehen, was sich in ihrem Umfeld gerade abspielt. Die tauchen nämlich nur auf, wenn der flache Plot nach etwas Drama verlangt. Dabei sollten es die Charaktere sein, die die Handlung vorantreiben und nicht umgekehrt. Dadurch wird natürlich auch das Krankheitsbild verzerrt.

Ich habe wenig bis keine Ahnung von Krankheiten dieser Art, aber genug, um zu erkennen, wenn etwas nicht stimmen kann. So ist es meines Wissens nach nicht möglich mit seinen anderen Identitäten zu kommunizieren, wenn man eine DIS hat. Wie denn auch, denn das Gehirn ist ja vollkommen damit ausgelastet, eine der Persönlichkeiten walten zu lassen. Das wäre ein schlichtweg nicht zu bewältigender Workload und zudem widerspräche es dem Hintergrund dieser Störung, nämlich des Abkapselns einer anderen Persönlichkeit um des Selbstschutzes Willen. Deswegen erachte ich es auch als merkwürdig, dass Harrys andere Persönlichkeiten sich Harold und Edward nennen, was sein voller und sein Zweitname sind.

Ich könnte hier jetzt noch weiter darüber dozieren, wo Schwachstellen im Porträtieren beider Krankheiten liegen, doch es nicht meine Aufgabe einem Autor da zu servieren, was er selbst durch reflektierte Recherche herausfinden sollte, was gar nicht mal so schwierig ist. Aber gut, Payton und ihr ebenfalls pseudolabiler bester Freund Kyle sind auch zu blöd, um den Wikipediaeintrag zur DIS zu verstehen, was sie immerhin offen zugeben.

Mein Tipp zum Charakterdesign: Sich das eigene Umfeld angucken und bei Wahl der Ich-Perspektive überlegen, ob man selbst eine ähnliche Art der Wahrnehmung und des Denkens hat oder nicht. Grundlegend funktionieren schließlich alle Menschen gleich. Dann geht man Inkonsistenz schon mal ein bisschen besser aus dem Weg.

Doch das Fehlen einer ansprechenden Handlung und angemessener Charaktere ist nicht das größte Problem, das sich bei »Backstep« auftut. Die Sprache der Autorin ist sowohl was Rechtschreibung und Grammatik als auch Wortwahl und abwechslungsreiche Satzkonstruktion angeht, ist unheimlich schlecht. Zwar ist eine Besserung im Verlauf des Buches zu erkennen, doch das Niveau, das eine mindestens Dreizehnjährige durch ihre Schulbildung erlangt haben sollte, ist nicht ausreichend erfüllt.

Ich werde jetzt im Detail nicht auf Rechtschreibung und Grammatik eingehen, denn da gibt es nicht, was besonders hervorgestochen ist, außer vielleicht der fehlende Dativ und die völlig falsche wörtliche Rede. Nachholbedarf besteht allerdings an allen Ecken und Enden.

Gravierender als das ist aber der unzureichende Wortschatz, welcher sich in daraus entstehenden Stilblüten offenbart und einem logischerweise kleinen Pott an genutztem Vokabular. Die Geschichte ließ sich aufgrund dessen nur unheimlich schleppend lesen, da ich mich immer wieder motivieren musste, weiterzulesen und die immergleichen Satzmuster zu ertragen.

Ich erwarte von niemandem, der nächste Oscar Wilde zu sein doch im Zweifelsfall kann man immer den Thesaurus oder ein anderes Synonymwörterbuch aufsuchen.

Bei »Backstep« handelt es sich wohl um ein Erstlingswerk, das wohl alle Fehler, die man beim Schreiben eines Romans machen kann, aufweist und das in großer Ausprägung. Ich kann gar nicht genau sagen, ob mich die Darstellung psychischer Krankheiten oder die mangelhafte Ausdrucksweise mehr stört, aber in Kombination hat mich das Ganze an einigen Stellen doch hysterisch lachen lassen, weil ich nicht glauben konnte, was ich da lese.

Gegen solche Momente hilft neben dem Schreiben üben übrigens das Lesen guter Bücher. Da kann man allein durchs Lesen einiges mitnehmen und wenn man dann noch reflektiert umso mehr.

»Backstep« wird nie ein Meisterwerk werden, ich bezweifle sogar, dass es jemals gut werden wird, aber ich schätze es hat immerhin genützt, damit die Autorin Erfahrungen sammeln kann und der ein oder andere anständige Moment war ja sogar dabei. Sich Mühe geben reicht aber einfach nicht aus und ich denke dieses Buch ist das beste Beispiel dafür. Aber wie gesagt, man kann daraus lernen.

Buchbewertungen - Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die WahrheitOnde histórias criam vida. Descubra agora