Kapitel 9 - Willkommen in der alten, chaotischen Welt

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Liv Lowell:

Die Flammen erhoben sich wie Tentakeln aus den Fenstern des kleinen Schlosses und schlossen es ein. Das Feuer loderte und glich einem Feuerwerk aus roten Farben.
Die Hitze hatte ihre Haut versenkt und die Brandwunden waren bereits gekommen. Aber Liv konnte nicht ihre Verletzungen inspizieren, stattdessen starrte das Mädchen wie gebannt auf das verbrennende Schloss, welches den Hügel vor ihr schmückte.
Ihr Herz zog sich Stück für Stück immer enger zusammen.
Sie hatte es nicht gewusst. Sie war unbedacht gewesen. Sie hatte diesen Ort doch bloß verlassen und nie wiedersehen wollen.
Aber hatte sie das nicht längst?
Sie war nun in Hogwarts und war dem Schrecken entkommen. Nur sich und ihrem Gewissen konnte sie nicht entfliehen, wusste Liv.

Ich muss aufwachen.

Der Gedanke war ihr plötzlich gekommen. Irgendetwas wollte diesen Satz in ihrem Kopf ersticken, spürte sie, wie die Luft die Flammen.
Das Feuer.
Sie war daran Schuld und sie hatte Menschenleben genommen und dies würde nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Erst jetzt nahm Liv wahr, dass sie geweint hatte. Natürlich hatte sie geweint. Der Schmerz und ihre Schuldgefühle fraßen das Mädchen auf.
Sie wollte hier weg. Sie wollte aufwachen...

Wach auf!

Dann wurde das Mädchen aus ihrer persönlichen Hölle gerissen.
Die Farben vermischten sich und durch die Szenerie vor ihr zogen sich das Rot des Feuer, das Schwarz des dunklen Himmels und das Braun des von den Flammen versengten Grases. Wie in einem Ölgemälde, welches abstrakt gemalt worden war, brach alles zusammen.
Ich habe alles zerstört, schoss es ihr durch den Kopf.
Selbst, als diese Welt sich auflöste, versuchte sie dem Mädchen ihre Ängste und die Untiefen ihrer Seele aufzuzeigen. Im nächsten Moment fuhr Liv ein ungebändigter Windstoß durch das ausgemergelte und zerfurchte Gesicht, der sie mitnahm und wegzog.

Sie schreckte hoch und augenblicklich durchzuckte ein Schmerz ihre Glieder, als hätte sie sich eine Ewigkeit nicht bewegt. Liv fühlte sich aufgewühlt, verstört und zerklüftet. Es fühlte sich so an, als wäre etwas in ihr tiefstes Inneres eingebrochen und hätte auf den bereits zertrümmerten Fragmenten noch weiter herum getrampelt. Das Mädchen versuchte Luft in ihre Lungen zu lassen und spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte.

Wie konnte man so viel verlieren und immer noch etwas zu verlieren haben?

Nachdem sich eine eisige Ruhe über sie gelegt hatte, bemerkte das Mädchen mit den dunkelbraunen Haaren und den Sommersprossen erst, was sich vor ihren Augen abspielte. Sie befand sich wieder in Hogwarts und zwar im Krankenflügel und langsam schlich sich der Gedanke in ihren Kopf, dass sie die ganze Zeit über hier gewesen war.
Es war alles so absurd und einfach so verschreckend zugleich.

Überall im Krankenflügel waren Schüler, die sich um die Betten drängelten und die Personen, die darin lagen in den Arm nahmen. Doch das war nicht die Tatsache, die sie überraschte oder gar verwunderte.

Irgendetwas war mit ihr und... und der Teegesellschaft geschehen. Etwas hatte sie in die dunkelsten Abgründe ihrer Seelen blicken lassen.

Was ihr wirklich seltsam vorkam, war, dass sich nicht nur Schüler, Madame Pomfrey und McGonagall hier herumtrieben, sondern auch Ministeriumsbeamte!
Es waren nicht wenige und mit strengen Blicken begutachteten sie die Lage, stolzierten zwischen den Betten umher und stellten Fragen. Ein Schauer lief Liv über den Rücken. Sie konnte das Ministerium einfach nicht ausstehen. Niemand hatte ihr damals geholfen, nicht einmal die Regierung.
Ein paar weitere Betten entfernt konnte sie sogar den berühmten Harry Potter erkennen, der nun ein Auror war. Er tuschelte gerade besorgt mit einer riesigen Sorgenfalte und mit einer leicht verrutschten Brille im Gesicht mit McGonagall. Daneben flößte Madame Pomfrey Hermine Granger einen Trank, die leichenblass im Gesicht aussah.
Um sie selbst kümmerte sich natürlich niemand. Doch Liv ermahnte sich, dass sie das Selbstmitleid schon längst hinter sich gelassen hatte.
Außerdem hatte sie etwas Bessers zu tun. Fieberhaft suchte sie mit ihren Augen nach Anthony, ihren besten Freund. Als dies nichts half, kroch sie behutsam unter der Bettdecke hervor und erhob sich aus dem Bett. Im ersten Augenblick wankte sie leicht, aber Liv konnte sich wieder fangen.
Ein weißes Krankenkleid fiel ihr locker an ihrem Körper hinunter. Sie schreckte zurück und fiel auf ihr Bett. Mit verstreckten Augen musterte sie den Stoff an ihrem Körper. Sie hasste solche Lacken. Sie hasste es, weil es sie an das Schloss erinnerte und ihre Zeit darin. Bestimmt schluckte sie die Erinnerungen hinunter und stand noch einmal auf.
Als ein paar Schritte sicher auf den nackten Füßen hin und her getreten war, beschloss sie wirklich nach Anthony zu suchen.
Doch, nachdem sich Liv an zwei Ministeriumsbeamten vorbei gestohlen hatte, sah sie bereits sein Bett, welches umringt von unzähligen Ravenclaws war und ihr keine Gelegenheit boten zu ihrem Freund zu gelangen.
Das Mädchen verspürte etwas wie bittere Ernüchterung und wandte sich ab.

Die Teegesellschaft - DramioneHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin