Kapitel 17 Cecilia

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Mir blieb nichts anderes übrig. Ich musste mit ihm gehen. "Cecilia, was wolltest du überhaupt? Außerhalb von Hallernfeste." "Das geht dich nichts an!" "Ach ja?" Ich blickte ihn durchdringend an, aber er hielt meiem Blick stand. Seine Haare wurden vom Wind verweht, doch er lies sich nicht beirren. "Ich habe dich aufgenommen, dir von meinen Plänen erzählt, dir vertraut. Da kannst du nicht einfach weglaufen!" "Genau. Und deswegen hast du mir auch in deinem Brief geschrieben, du wärest mein Feind!", sagte ich ironisch, "du wolltest mich ausnutzen!" "Was für ein Brief bitteschön?" Am liebsten hätte ich ihn geohrfeigt. Musste er so tun, als hätte er von nichts eine Ahnung? Ich löste mich von seiner Hand und ging schneller. "Cecila, jetzt warte doch!", rief er, "ich weiß nichts von einem Brief ehrlich!" "Natürlich. Ich habe ihn in den Kartenraum gelegt!" Er schien wütend zu werden: "Denkst du ich bin der einzige, der da hinein darf?" Ich zuckte mit den Schultern. Den restlichen Weg legten wir schweigend zurück.

Bei Hallernfeste angekommen, brachte Vincent mich auf mein Zimmer. Als er ging, hörte ich wie er, immernoch schweigend, den Schlüssel drehte. Verdammt, das war doch nicht sein Ernst! Ich lies mich auf mein Bett fallen. Wer hat den Brief dann entdeckt, wenn nicht Vincent? Und warum ist Vincent mir so schnell gefogt, das würde ja heißen, dass er den Zettel gefunden hat, kurz nachdem ich gegangen war! Diese Fragen würden wohl erstmal ungeklärt bleiben. Und vor allem waren sie jetzt erstmal unwichtig. Viel wichtiger war, dass ich raus aus diesem Zimmer komme und Hensk warnen kann. Ich ging zu einem der Fenster und blickte hinab. Es waren knapp sieben Fuß. Und der Boden schien außerhalb der Festung zu sein. Die Frage ist: wie komme ich da runter? Ich könnte springen, aber vermutlich würde ich mich dabei stark verletzen. Ich könnte mein Bettlaken als Seil verwenden, aber vermutlich würde das reißen. Ich könnte klettern. Ich hatte zwar wenig Erfahrung, aber es war die einzige Möglichkeit. Also schwang ich mein rechtes Bein über den Fenstersims und stützte mich auf meine Arme. Dann holte ich auch mein anderes Bein auf die Außenseite. Jetzt kam der schwierigere Teil. Ich suchte festen Halt mit meinen Füßen, ging dann in die Hocke und griff mit meinen Händen, zuerst mit der linken, dann mit der rechten ein paar Steine tiefer. Zum Glück war die Festung ziemlich alt und nicht sorgfältig gebaut. Daher gab es viele große Ritzen zwischen den Steinen. Mit neuem Halt setzte ich die Füße tiefer und dann wieder die Hände. Mein Kleid war an einigen Stellen ein wenig hinderlich, aber ich wiederholte die Hände-Füße-Prozedur trotzdem. Nach ein bisschen Anstrengung und aufgerissenen Häden und Knien war ich auch schon unten. Ich holte nocheinmal tief Luft. Ich hatte beschlossen über die Wiese zu rennen - sicher ist sicher. Langsam spähte ich um die Ecke der Mauer. Es war niemand da. Ich bückte mich und nahm den Saum meines Kleides in die Hand und rannte los.

Nach Luft ringend kam ich zur Waldlichtung. Im Schutz der Bäume machte ich eine Pause. Wieso tue ich mir das an?, dachte ich. Aber ich musste einfach den anderen helfen! Meine Muskeln schmerzten und ich kam nurnoch langsam vorran. Ich hörte die Vögel um mich herrum und bemerkte, wie die Sonne langsam unterging. Als sie verschwunden war, legte ich mich hin und schlief ein wenig, allerdings nicht lange, denn ich hörte Stimmen und schnell zog ich mich in die Bäume zurück. Das war nicht die beste Idee, denn aufeinmal packte mich jemand an der Schulter und drehte mich um. Ich blickte in ein Gesicht auf Augenhöhe. Es war dunkel und wirkte dürr. Auch der restliche Körper des Mannes war schlank. "Lasst mich los!", rief ich und versuchte ihn loszuwerden. Ich schaffte es und stolperte einen Schritt rückwärts - in die Arme des nächsten. "Wer seid ihr?" Keiner sagte etwas. Der Mann, der mich festhielt brachte meine Arme auf meinen Rücken und der andere fesselte mich mit einem Seil. Dann führten sie mich endlos lange quer durch den Wald. Ich stolperte über kleine Wurzeln, doch sie nahmen keine Rücksicht. Irgendwann kamen wir an einem Lager an. Dort banden sie mich an einen Baum. Jetzt war ich bewegungsunfähig, bis auf meinen Kopf, den ich nach links und rechts bewegen konnte. Ich entdeckte, dass hier noch ein halbes dutzend andere Männer waren und auch eine Frau. Ihre Haare waren fettig und ihre Augen lagen in tiefen Höhlen. Auch ihr restlicher Körper sah nicht gut aus. Sie bemerkte mich und kam zu mir. Sie setzte sich vor mich auf den Waldboden und sagte: "Hallo. Ich bin Greta. Du?" Ich kannte sie nicht. Ich vertraute ihr nicht. "Ich bin Nea", log ich. Zufrieden nickte sie. "Von wo kommst du?" "Ich... äh... komme von den... ähm...", stotterte ich. Reiß dich zusammen! "Ich komme von Hallernfeste." Wieder ein nicken. Dann ging sie. Vermutlich würde sie den anderen alles erzählen. Hoffentlich hat mich niemand erkannt.

Nach ein paar Stunden ging die Sonne auf. Meine Entführer banden mich los und setzen mich auf ein Pferd. Ich war lange nicht geritten, doch ich hatte es nicht verlernt. Wir ritten parallel zum eigentlichen Weg in Richtung Hensk' Dorf. Die Wandersleute sangen dabei ein bekanntes Lied:

Ich schwor, ich brach, ich floh.
Doch nicht ohne meines Weibes Liebe werd ich ruhn.
Ich kämpfte, ich fiel, ich starb.
Doch nicht ohne meines Weibes Liebe werd ich ruhn.

Nach der Schlacht leg ich mich schlafen,
Sie wärmt mein Bett, wärmt mich.
So macht sie mich glücklich.
Und ist des Mannes Zorn vergangen,
Zieht er in den nächsten Krieg.

Ich schwor, ich brach, ich floh.
Doch nicht ohne meines Weibes Liebe werd ich ruhn.
Ich kämpfte, ich fiel, ich starb.
Doch nicht ohne meines Weibes Liebe werd ich ruhn.

(...)

Es war ein Abschiedslied, wenn die Männer in den Krieg zogen. Ich hatte es oftmals schon gehört, aber nicht wegen des Krieges, sondern von Sejla. Sie liebte dieses Lied.

Wir erreichten Hensk' Dorf tatsächlich. Die Männer brachten mich in eine Schenke. Wir setzten uns an einen langen Holztisch an den länge Holzbänke gestellt wurden. Dann rief einer dem Ober zu: "Acht Bier!" Dieser nahm es wahr und verschwand in einem anderen Raum. Dann kam jemand anderes mit den Krügen wieder. Er stellte diese auf dem Tisch. Dann blickten mir die Augen von Hensk ins Gesicht. Ich war geschockt, doch langsam schüttelte ich den Kopf, um ihm klar zu machen, dass er unwissend sein sollte. Er zwinkerte. Auf einmal drehten sich die Männer in meine Richtung und stoppten ihr Gespräch. Sie mussten es mitbekommen haben.

Destroyed  [Abgeschlossen]Où les histoires vivent. Découvrez maintenant