《22》

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"Sie war ein einziges Wunder."

Zähne knirschend ballte ich meine Hände zu Fäuste.

"Al...du machst mir langsam Angst ", flüsterte mir Ty auf meiner linken Seite zu und sah mich dabei so aufrichtig und besorgt an, dass ich mich wenigstens bemühte, meine Hände etwas zu lockern.

"Ich habe auch das gute Recht dazu, angsteinflössend zu sein."

"Geht es etwa wieder darum, dass ich dir nichts davon erzählt habe, dass ich mitkomme?", seufzte er leise auf, was mich nur dazu veranlasste, ihn mit einem bösen Blick zu strafen.

"Weißt du...Freunde tun so etwas. Es nennt sich reden. Aber du hattest ja gar keine Zeit mehr für mich und hast nur auf die ganzen Nachrichten auf dem Handy geantwortet, als dein Eingang zu voll wurde."

Tyson gehörte zu meinem Leben - aber seit Hunter da war, schien sich das geändert zu haben. Es war schon fast so, als würde er mich unbewusst dazu zwingen wollen, mich zwischen ihm und meinem Nachbar zu entscheiden.

"Es tut mir leid. Wirklich."

Mehr hatte er nicht zu sagen?! Keine Erklärung, nichts?!

"Egal. Vergiss es", gab ich mich schließlich geschlagen.

Ich hatte keine Lust mehr drauf. Sollte Tyson meinetwegen machen was er wollte. Ich hatte es satt, dass mir andere Menschen immer viel mehr bedeuteten, als ich ihnen. Während ich verzweifelt probierte, ihm zu helfen, fand er noch nicht mal genug Zeit, sich kurz bei mir zu melden.

Gerade als Ty seinen Mund wieder öffnen wollte, stopfte ich mir ein paar Kopfhörer in die Ohren und machte schnell das nächstbeste Lied an.

Wenigstens jetzt konnte ich etwas entspannen, war mein letzter Gedanke, bevor ich einfach die Augen schloss und mich von der Melodie wegtragen ließ.

》♢《

"Und so wurde eine Modelagentur das erste Mal auf mich aufmerksam."

Victoria's Lachen ließ mich schmunzeln.

Sie hatte eine schöne, melodische Stimme, die einen fast schon zum Zuhören drängte.

Und trotzdem fühlte ich mich nicht wohl, wie ich hier einfach in einer Reihe mit Vicky und Shalby saß, während Alicia es sich etwas weiter hinten neben Tyson bequem gemacht hat.

Der Gedanke gefiel mir überhaupt nicht, dass sie noch so engen Kontakt mit ihm haben könnte - und das hatte nichts mit Eifersucht zu tun. Ich hatte gar keinen Grund eifersüchtig auf Tyson zu sein. Er war ein Loser. Jemand, der in der Nahrungskette ganz unten stand und sich selbst nicht zu helfen wusste. Die Tatsache, das auch noch er der Grund meiner Einbuchtung war, vergrößerte meinen Hass um ein vielfaches.

Bestimmt hatte er von dieser zierlichen Blondine davon gehört, dass auch ich zu diesem Abschied eingeladen wurde, und hatte kurzer Hand beschlossen, auch mitzukommen.

Er war erbärmlich. Bestimmt fürchtete er, dass ich mich vor Alicia verplappern und etwas von unserer gemeinsamen Vergangenheit erzählen könnte und spielte nun ihren Aufpasser. Ehrlich gesagt hätte ich das auch nur allzu gerne getan, aber ich war ja nicht dumm. Auch er könnte etwas erzählen und ich war noch nicht bereit, dass Alicia soetwas von mir erfuhr.

Sie war ein einziges Wunder. Manchmal hatte sie ihre Gefühle so sehr unter Kontrolle, dass man nur erahnen konnte, was in ihrem Kopf vor sich ging. Und dann wieder waren ihre Augen ein dunkles Meer geflutet mit so vielen Gefühlen, dass man sie kaum auseinander halten konnte. Aber das wichtigste war - egal, wie wütend sie  auch auf mich war, wie oft sie mich schon zur Hölle gewünscht hatte - so lag noch nie Hass oder Verachtung mir gegenüber in ihrem Blick. Aber das würde sich ganz schnell ändern, würde Tyson seinen hässlichen Mund nicht halten können.

Dark SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt