《17》

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"Wen beobachten wir denn hier?"

"Der Anzug steht dir unglaublich gut, Liebling!"

Total verzaubert klatschte Mom in die Hände und betrachtete Dad mit funkelnden Augen.

Den ganzen Tag schon hatte er miese Laune - immerhin hasste er Shopping - aber wenigstens in diesem Moment konnte man sehen, wie seine Gesichtszüge langsam weich wurden und er meiner Mutter ein liebevolles Lächeln schenkte.

Seit genau 25 Jahren waren sie schon miteinander verheiratet und noch immer hatte ich das Gefühl, es wäre erst der Anfang ihrer Beziehung, so verliebt sahen sie sich manchmal an.

Ich glaube, sowas fand man nur einmal im Leben und dann nie wieder.

Ich wünschte, ich hätte so jemanden als Partner. Jemanden, der auf mich Acht gab und mich doch respektierte. Jemanden, der sich mal auch mit mir streiten würde, aber mit dem ich mich auch danach immer wieder vertragen könnte, weil wir beide wissen, wir können nicht ohne einander.

Na ja, sowas gab es jedoch bestimmt nur in Büchern oder miesen Hollywood Filmen.

"Den nehmen wir!", meinte Mom begeistert und sah danach zu mir. "Wir wären dann langsam fertig. Wenn du willst, kannst du dich noch kurz umschauen. Wir müssen ja eh noch bezahlen, aber dann können wir endlich essen gehen."

Eigentlich wollten wir ja nur zu Mittag essen gehen, doch meine Mutter verspürte unwiderruflich den lästigen Drang, uns zuvor noch gleich in einer beliebten Boutique nach einem Anzug für Dad umzugucken. Er hätte bestimmt einen ganz leicht bei sich zu Hause finden können, so viele besaß er schon, aber Mama bestand darauf, da sie fand, für die Hochzeit ihrer ältesten Tochter brauchte man einen Schönen, Außergewöhnlichen und vor allem Neuen.

"Okay, ich wart' auf euch am Ausgang", erwiderte ich mit einem kleinen Lächeln und erhob ich dann auch schon von einem der weichen Sofas, die bei den Umziehkabinen standen.

Ich hatte gar keine Lust auf Bummeln, aber ich konnte ja auch nicht einfach nach Hause gehen. Wer weiß. Vielleicht tat mir dieser gewisse Abstand von meiner Wohnung gut. Oder eher von Hunter.

Die Erinnerungen von gestern Abend überkamen mich und ich spürte, wie sich mein Herz schmerzhaft zusammen zog.

Ich bekam die ganzen Wunden nicht mehr aus meinem Kopf. Wie stark musste ein Mensch bloß sein, wenn er schon so etwas schreckliches ertragen konnte? Wieso hatte er mir aber nichts gesagt? Wer hatte ihm das angetan?

Meine Gedanken schweiften ab, blieben an der Umarmung hängen. Ich hatte mich fest an ihn gedrückt - und er hatte noch nicht mal das kleinste Anzeichen von Schmerz gezeigt. Wieso? Wieso quälte er sich selbst und hatte mich nicht einfach von sich geschubst?

Erst als ich heftig gegen jemanden lief, wurde ich ruckartig wieder zurück in die Gegenwart gezogen.

"Oh, entschuldigen Sie! Ich habe Sie nicht gesehen!", kam es sogleich von einer nur allzu bekannten Stimme, nachdem sich noch schnell Hände um meine Oberarme gelegt hatten, um mich vor einem bösen Fall zu retten.

"Ich fasse es nicht!", gab ich überrascht von mir und strahlte dann bis über beide Ohren.

"Grace! Was machst du denn hier?"

Die sanften, grünen Augen vor mir weiteten sich kurz, als sie mich endlich erkannte, ehe sich auch schon auf ihrem Gesicht ein bezauberndes Lächeln selbstständig machte.

"Ally! Mit dir hatte ich ja gar nicht gerechnet!", meinte sie nur allzu erfreuchlich über unser zufälliges Treffen.

Wie es von so einer treuen Seele wie ihr zu erwarten war, zog sie mich in ihre Arme und drückte mich erstmal ganz fest.

Dark SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt