《16》

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"Ich frage mich manchmal wirklich, was in deinem Kopf so vorgeht."

"Der ist gut", unterbrach ich nach einer halben Ewigkeit die erdrückende Stille zwischen uns und nippte leicht an der Teetasse.

Die letzten Weingläser wurden von dem kleinen Sohn einer guten Freundin von mir kaputt gemacht, sodass uns nichts anderes übrig blieb, als den köstlichen Wein in Teetassen zu trinken.

Dafür saßen wir einigermaßen bequem auf der Couch, Seite an Seite und wussten irgendwie beide nicht, was wir jetzt sagen sollten.

Ich hatte tausende Fragen an ihn, brachte sie jedoch irgendwie nicht wirklich übers Herz.

Viel zu sehr fürchtete ich mich vor den Antworten.

"Mhh. Hat mir mal ein guter Freund, der mal Sommelier war, zu meinem Geburtstag geschenkt", erzählte er nur und hob dabei verschmitzt einen Mundwinkel.

Statt etwas darauf zu erwidern, betrachtete ich seine Gesichtszüge nur eingehend. Egal, wie sehr ich es versuchte, Hunter war und blieb ein einziges Rätsel. Ich hatte noch nicht mal eine Ahnung, was gerade in ihm vorging, so sehr verwirrte er mich. Manchmal war er kalt, wie eine schon längst zu Eis verzauberte Skulptur und dann grinste er schon wieder, so strahlend, dass selbst die Sonne eifersüchtig wurde.

Insgeheim genoss er es wohl, dass ich so unwissend war und er mich im Gegensatz einfach wie ein offenes Buch lesen konnte.

"Wo warst du?"

Die Frage klang zu meiner eigenen Überraschung betonend gleichgültig und nicht so angespannt, wie ich mich in meinem Körper fühlte.

Noch nicht mal jetzt, konnte er mir eine klare Meinung geben, aber wie aus dem Nichts verschwand sein Lächeln - und zurück blieb eine erschreckende Menge an Desinteresse.

"Bei meinem Bruder",  erklärte er mir schließlich resigniert und zuckte bloß mit den Schultern.

Aber so einfach wollte ich ihn nicht davon kommen lassen.

"Bei dem Kerl, der auch letztens auf der Party war? Mit diesem Piercing in der einen Augenbraue?"

Wie hieß er denn noch gleich? Caleb, Cameron?

"Meinst du Cole? Ach was, der lebt noch bei Rafael, zu dem würde ich niemals gehen. Ich war bei Ash. Der Typ mit der Cap. Du weißt schon. Der stumme Kerl, der kaum noch etwas hört und somit auch nicht redet."

Bei seinen Worten klappte mein Mund gleichzeitig zum Weiten meiner Augen zu einem großen O auf.

Also hatte er an der Tür nur meine Lippen lesen wollen, um mich zu verstehen.

Und ich hatte ihn gleich als Perversling abgetan. Über andere Menschen sollte man wohl nicht frühzeitig urteilen.

"Wie viele Brüder hast du eigentlich?", fragte ich die nächst beste Frage, obwohl mein Mund fiel lieber ein 'Warum?' geformt hätte.

"Vier Halbbrüder. Cole, Ash und die Zwillinge Kyle und Keith."

Perplex blinzelte ich ihn an, erinnerte mich noch ganz genau an jeden anderen.

Alle fünf könnten unterschiedlicher nicht sein. Cole jagte mir auf jeden Fall die meiste Angst ein. Auch wenn Hunter nicht gerade ungefährlich wirkte, so war er es auf eine manipulative Weise, in dem er einfach ein schiefes Grinsen aufsetzte und niemand eine Ahnung hatte, was in seinen Gedanken gerade vorging. Bei Cole konnte ich mir noch nicht mal vorstellen, dass seine Mundwinkel sich jemals zu einem echten Lächeln gehoben haben. Der Cappy-Boy aka Ash hörte also kaum noch etwas und redete auch nicht. Dafür waren seine Augen warm und freundlich gewesen - außerdem trug er ein amüsiertes Grinsen auf den Lippen, als würde er ziemlich zufrieden sein mit seinem Leben. Ich hatte zwar keine Ahnung, wer von den Zwillingen Kyle oder Keith war, aber eins war sicher - selbst die unterschieden sich in jeder inneren Hinsicht.

Dark SoulWhere stories live. Discover now