eighteen

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In der Nacht schlafe ich kaum. Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken, was mein Vater gesagt hat. Es ist nichts Neues, dass ich solche Vorträge bekomme.

Was ist, wenn Hary wirklich nur so nett ist, weil er Informationen von mir will. Kein Chef nimmt seine Angestellten mit zu sich nach Hause, lässt sie dort schlafen. Es ist nicht normal.

***

Als ich am nächsten Morgen aufwache, regnet es. Der Himmel ist grau und düster und am liebsten würde ich die decke wieder über mich ziehen und weiter schlafen. 

Meine Mutter sitzt noch in der Küche, als ich diese betrete. Ohne sie weiter zu beachten hole ich mir eine Flasche Wasser und einen Apfel.

Gerade als ich die Küche wieder verlassen will, beginnt meine Mutter zu reden. "Tamara du weißt, dass er es nicht so meint. Er, wir wollen doch nur dein bestes.", auch das, höre ich immer wieder. Ohne darauf zu antworten, verlasse ich dann den Raum und nachdem ich mir meinen Rucksack geholt habe, auch das Haus.

Es ist mir egal, dass ich zu früh dran bin, ich halte es nur keine Minute länger zu Hause aus. Ich spiele schon länger mit dem Gedanken mir eine eigene Wohnung zu suchen, doch bisher ergab sich noch keine Möglichkeit.

Die kalte Luft die mir entgegenkommt als ich den Weg zum Gartentor gehe, beschert mir eine Gänsehaut und ich ziehe meine Jacke ein Stückchen mehr zu.

"Guten Morgen Tammy.", Harry fährt mit seinem Auto neben mir her, das Fenster heruntergefahren.

"Guten Morgen.", sage ich knapp, mein Kopf ist weiterhin gesenkt und ich gehe einfach weiter.

"Steig ein, dann fahre ich dich zur Uni.", bietet er an und bleibt stehen. Ich schüttele den Kopf, murmele ein "Nein danke" und gehe weiter. Harry drückt wieder aufs Gas, bis er wieder langsam neben mir herfährt.

"Ich fahre doch eh an der Uni vorbei.", er legt einen Arm aus dem Fenster und sieht abwechselnd zu mir und nach vorne auf die Straße.

"Tust du nicht.", ich biege in eine andere Straße ab, Harry braucht einige Sekunden ehe er wieder neben mir fährt.

"Steig einfach ein Tammy.", er wird ungeduldig, genauso wie ich. "Harry, fahr einfach zu Arbeit und lass mich jetzt verdammt noch mal in Ruhe. Ich will nicht dass du mich zur Uni fährst, ich will nicht in deinem Bett schlafen, ich will nicht einmal ausserhalb der Arbeit oder der Vorlesungen in deiner Nähe sein. Lass mich einfach mein Leben leben und fahr jetzt.", wir sind jetzt beide stehen geblieben, Harry ist aus dem Auto gestiegen und steht jetzt neben mir auf dem Gehweg.

"Ich will dich nur zu Uni fahren Tammy.", sagt er, Augenbrauen zusammengeschoben und ein unverständlicher Blick in seinem Gesicht.

"Und das sollst du nicht. Du bist mein Dozent und mein Chef du solltest mich nicht mit meinem Spitznamen ansprechen, nicht einmal mit meinem Namen du solltest mich nicht privat treffen.", ich weiß nicht wieso ich so reagiere. Vielleicht hat es damit zu tun, was mein Vater gesagt hat, vielleicht bin ich auch einfach nur überfordert mit der ganzen Situation.

Harry sieht mich nur fragend an, sagt nichts mehr und nickt nur als ich mich umdrehen und weitergehe. Kurze Zeit später rast der weisse Range Rover an mir vorbei.

***

Die Woche vergeht schleppend. Wenn ich zu Hause bin, verbringe ich die meiste Zeit in meinem Zimmer, will nicht mit weiteren Vorwürfen von meinen Eltern konfrontiert werden.

Meine Mutter hat immer wieder versucht mit mir zu reden, doch ich habe abgeblockt. Ich will mir ihre Ausreden und Erklärungen nicht mehr anhören. Ich will nicht mehr hören, dass alles für mein bestes ist. Ich will gar nichts mehr hören.

Gestern habe ich Harry wieder gesehen. Er hatte gerade Tyler abgeholt und mich nur angesehen. Sein Blick war kalt und es scheint als würde es ihn überhaupt nicht interessieren was ich vor einigen Tagen gesagt habe.

Wenn ich ehrlich bin, weis ich gar nicht wieso ich so gehandelt habe. Im nachhinein bereue ich es. Harry hat mir nur geholfen, er war nett und hat sich um mich gekümmert und ich habe es ihm dann vorgehalten.

Ich mache mir auch ständig gedanken darüber, wie es werden wird, wenn ich ihn am Montag wieder sehen werde. Wird er mich jetzt anders behandeln oder ist es ihm einfach egal? Ich werde mich aufjedenfall bei ihm entschuldigen.

"Tamara?", die Stimme meines Vaters ertönt von der anderen Seite der Tür. "Geh.",ich sitze an meinem Schreibtisch und lerne, so wie immer. Ich kann es mir nicht leisten schlechte Ergebnisse zu bekommen. "Tamara mach die Tür auf.", er wird ungeduldig und seine Stimme lauter. "Ich sagte du sollst gehen.", ich schlage mein Buch zu und lehne mich zurück. Mit meinen Handflächen fahre ich über mein Gesicht und durch meine Haare. "Du machst jetzt diese Türe auf sonst trete ich sie ein. Tamara das ist meine letzte warnung.", wie die zwei male zuvor stehe ich nicht auf. Ich drehe mich zum Fenster und öffne es. Die kühle Luft strömt in mein Zimmer.

Die Ruhe wird durch einen Knall gestört. Meine Zimmertür geht mit einem schwung auf, schlägt gegen die Kommode hinter ihr. Mein Vater steht im Türrahmen, erschrocken sehe ich ihn an.

"Wenn ich dir sage dass du etwas tun sollst, dann tust du das verdammt nochmal auch!", die Ader an seinem Hals tritt heraus und sein Gesicht wird rot als seine Wut immer größer  wird.

"Du hast mir nichts zu sagen!", schreie  ich genauso laut zurück, habe es satt mir immer alles vorschreiben zu lassen.

"Ich habe dir sehrwohl etwas zu sagen. Du solltest viel dankbarer sein und nicht jedes verdammte Mal gegen  uns, gegen deine Eltern sein!", er kommt mir näher und automatisch gehe ich einige Schritte nach hinten.

"Dankbar für was? Dankbar dafür, dass ich jeden verdammten Tag vorträge bekomme was ich tun darf und was nicht?!", ich habe die Arme vor der Brust verschränkt und sehe ihn noch immer genauso wütend an, wie er mich.

"Ohne uns, ohne mich und deiner Mutter wärst du ein Nichts Tamara. Einfach nur ein Nichts! Und weisst du wieso? Weil dich niemand wollte! Wir haben dir dieses Leben ermöglicht, wir sind dafür verantwortlich dass du in die Schule gehen konntest, wir sind dafür verantwortlich dass du jetzt studieren kannst. Ohne uns hättest du nichts also sei verdammt nochmal dankbar für das was du bekommst und fange endlich an uns zu respektieren, sonst kannst du zusehen wie du weiter leben wirst.", er steht jetzt direkt vor mir, ich spüre die Wut, seine Augen durchbohren mich und als er die Hand hebt zucke ich kurz zusammen.

"Du bist ein Nichts Tamara. Ein naives, dummes, nichts.", sagt er noch bevor er sich umdreht und geht.

Starr stehe ich mit dem Rücken zum Fenster, kann mich nicht bewegen und nicht verhindern, dass Tränen über meine Wangen laufen. Mit zitternden Finger wische ich über meine Wangen, versuche normal zu atmen.

Als ich mich wieder einigermaßen gesammelt habe, drehe ich mich um, die Sonne scheint direkt auf mich. Doch etwas anderes, jemand anderes zieht meine aufmerksamkeit auf sich.

Harry steht mit geweiteten Augen und offenen Mund auf dem Gehweg vor unserem Haus und sieht direkt zu mir.

Memories | H.S.Where stories live. Discover now