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Montagmorgen beginnt für mich im Badezimmer, knieend neben der Toilettenschüssel. Ich habe kaum geschlafen letzte Nacht und fühle mich als wäre ein Lastwagen über mich gerollt. Müde ziehe ich mich am Waschbecken hoch, erschrecke mich vor meinem eigenen Spiegelbild und hoffe dass ich irgendwas mit Makeup retten kann.

Meine Mutter meinte ich solle heute nicht zur Arbeit gehen, aber es ist kurz vor den Prüfungen und ich kann es mir nicht leisten Fehlstunden zu haben. Nachdem ich meiner Meinung nach wieder einigermaßen in Ordnung aussehe, kämme ich meine Haare und suche nach meinen Klamotten.

Den Becher Tee den meine Mutter schon auf den Tisch gestellt hat, umschließe ich mit beiden Händen, hoffe dass meine Tasche nicht von meiner Schulter rutscht. Marcs Auto steht schon vor der Hofeinfahrt und er lächelt mich an als ich einsteige. "Du siehst scheisse aus.", stellt er fest als er den Gang einlegt und losfährt. "Hab kaum geschlafen.", murmele ich, trinke einen Schluck des zu heißen Tees. "Hattest du etwas Spaß?", er lacht leise auf. Am liebsten hätte ich ihm in den Arm geboxt aber ich bringe nicht die Kraft und Lust auf, meinen Arm zu heben. Selbst Atmen ist mir zu anstrengend im Moment. "Spaß neben der Kloschüssel.", antworte ich, lehne meinen Kopf gegen die Autoscheibe, was ich allerdings sofort wieder bereue.

Im Eingangsbereich der Firma trennen sich unsere Wege. Die Frau am Empfang kommt lächelt auf mich zu und drückt mir einen Stapel Akten in der Hand. "Mr. Styles kommt heute etwas später und er hat angefragt, ob sie diese Akten schon bearbeiten könnten.", ich nicke und setze mein bestes Lächeln auf, bevor ich mich auf den Weg in mein Büro mache.

Mitten auf der Vorderseite der obersten Akte prangt ein Stempel mit der Aufschrift "WICHTIG". Auch auf den anderen stehen Dinge wie "Wichtig", "Vertraulich", oder "Höchstvertraulich". Als ich anfange die erste Akte zu bearbeiten klappt mir die Kinnlade immer wieder nach unten und als ich die hohen Verkaufszahlen, Einnahmen und Gewinnsummen sehe, vergesse ich kurz zu atmen. Die Firma hat allein im letzten Monat so viel eingenommen, wie ich wahrscheinlich nie im Leben haben werde, auch wenn ich jeden Cent sparen würde.

Ich weiß gar nicht wieviel Zeit vergangen ist als mich jemand an der Schulter rüttelt. Verschlafen öffne ich meine Augen, sehe den Taschenrechner und Zettel vor mir, bevor ich bemerke, dass ich auf meinem Tisch eingeschlafen bin. Mr. Styles steht neben mir uns sieht mich besorgt an. "Alles in Ordnung?", frägt er nachdem er mich angesehen hat. Mein Blick fällt auf die Akten und als ich sehe, dass ich nicht einmal die Hälfte geschafft habe, nicke ich und will ich mich sofort an die Arbeit machen und entschuldigen. "Hey Tammy, lass das mal. Ist wirklich alles okay, du siehst nicht gut aus.", er tritt näher zu mir und nimmt die Papiere aus meinen Händen, bevor er seine Hand auf meine Stirn liegt. Ich lehne mich dagegen, genieße den Halt den er mir gibt, da ich das Gefühl habe, als würde mein Kopf gleich explodieren. "Komm mit.", er zieht mich nachoben, erschöpft lehne ich mich erneut gegen ihn und lasse mich in sein Büro ziehen. Er setzt mich auf die schwarze Ledercouch und setzt sich neben mich. "Wieso bist du denn hier wenn es dir schlecht geht und du krank bist?", er zieht eine Decke hinter der Couch vor und breitet sie umständlich über mich aus. "Ich bin nicht krank.", murmele ich, verstecke mich weiter unter der dunklen Decke. "Und ich bin König. Spaß beiseite, du solltest wirklich nach Hause gehen.", sagt er, zum Ende hin mit ernstem Ton und zusammengezogenen Augenbrauen. Wieder schüttele ich den Kopf. Ich war die letzten Jahre nie krank, war an jedem Arbeitstag da, war in jeder Vorlesung und ich werde nicht wegen einer kleinen erkältung diesen Verlauf unterbrechen.

"Tamara.", sagt er noch immer mit ernster Stimme und würde ich nicht so müde sein, würde ich vermutlich protestieren weil er mich bei meinem vollen Namen nennt. "Mr. Styles.", murmele ich, schließe meine Augen um sie von der Helligkeit zu schützen. "Harry.", erwidert er, "Tammy.", ziehe ich nach und als ich aufsehe, bildet sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen.  "Leg dich hin, ich bring dir Tee und etwas zu essen.", bevor ich überhaupt erwidern kann, ist er auch schon verschwunden und lässt mich alleine in seinem Büro zurück.

Da ich keine Lust mehr habe hier zu sitzen, stehe ich auf und stelle mich vors Fenster. Obwohl ich den gleichen Ausblick aus meinem Bürofenster habe, bin ich immer wieder erstarrt wenn ich über die Stadt sehe. Eine Wohnung mit solch einem Ausblick würde vermutlich ein Vermögen kosten. Als ich mich umdrehe sehe ich auf einem Schrank neben der Tür eine Reihe aufgestellter Bilderrahmen. Ohne darüber nachzudenken, gehe ich darauf zu und sehe mir die Fotos an. Zum Teil sind es gemalte Bilder von einem Kind und da auf einem der Bilder "Für Onkel Harry", steht, bin ich mir ziemlich sicher, dass es von seinem Neffen in meiner Straße ist. Auf den anderen sieht man Harry, mit einer älteren Frau und einer etwas jüngerem, die ihm ziemlich ähnlich sehen. "Das sind meine Mum und meine Schwester.", ertönt seine tiefe Stimme neben mir und ich spüre, wie nah er mir in diesem Moment ist.

"Ich habe dir Tee und ein Sandwich gebracht.", der minzige Geruch des Tees, gemeinsam mit Harrys Parfüm, steigt in meine Nase, das wiederrum einen Würgereiz hervorruft und schon kniee ich neben dem Mülleimer. Harry stellt die Tasse und den Teller auf seinen Schreibtisch und kniet Sekunden später neben mir, streicht meine Haare aus dem Gesicht und hält sie zurück. Ich schließe die Augen und möchte einfach nur noch im Erdboden versinken.

Memories | H.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt