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Meine Mutter ist nicht meine leibliche Mutter, ebenso wenig wie mein Vater mein leiblicher Vater ist. Sie hatten ein gemeinsames Kind vor knapp 19 Jahren. Max hieß er. Er hatte eine Muskelkrankheit und hat nicht einmal seinen zweiten Geburtstag erlebt. Weil meine Mutter danach keine Kinder mehr bekommen konnten, entschieden sie sich eins zu adoptieren, mich zu adoptieren. Auch wenn ich nicht so ganz verstehe, wieso sie es gemacht haben. Sie sind kaum zu Hause und auch als ich noch jünger war, verbrachte ich die meiste Zeit bei meinen Großeltern. Die Liebe, die ich als Kind nicht bekommen habe, haben sie versucht mit Geld auszugleichen. Ich bin ihnen nicht böse oder ähnliches, nur traurig.

Marc's Eltern arbeiten mit meinen Eltern zusammen, das ist auch der Grund weshalb ich ihn kenne. Doch Marcs Familie ist mir lieber als meine. Oft haben sie mich und Marc zusammen aus dem Kindergarten abgeholt, später dann aus der Schule und ich habe vermutlich mehr Zeit mit den Eltern meines besten Freundes verbracht, als mit meinen eigenen.

Wie eigentlich jedes Mal, wenn ich alleine zu Hause bin, Sitze ich mit einer Tüte Gummibärchen und einer Tasse Tee auf dem Sofa. Innerlich rechne ich schon wieder aus, wie lange ich dafür Trainieren muss. Vor ein paar Jahren habe ich angefangen mit Kickboxen. Einerseits um mich selbst verteidigen zu können und weil ich einen Sport machen wollte. Ginge es nach meinem Vater würde ich jedes Wochenende auf einen Reitturnier sein und Ballett tanzen. Aber das war nie das, was ich wollte. Ich stand lieber mit Marc und seinen beiden Brüdern auf dem Fußballfeld oder habe mit Tina in dem Wald hinter ihrem Haus gespielt.

Mein Laptop steht neben mir auf dem Sofa, nebenbei läuft der Fernseher. Schon immer habe ich ihn einfach nur angeschalten um die Stille zu verscheuchen. Es war mir nie geheuer in einem leeren, leisen Haus alleine zu sein. Als der Benachrichtigungston ertönt und eine kleine Eins über dem E-Mail Postfach erscheint, setze ich mich im Schneidersitz davor. Ich gehe davon aus, dass es wieder eine der unnötigen Spam Mails von irgendwelchen Online Versandhäusern ist aber als ich die E-Mail Adresse lese, runzle ich die Stirn.

"Guten Abend Mrs. Lane.", steht ganz oben auf der E-Mail. Wieso schreibt Styles, der Gastdozent eine E-Mail an mich. Normalerweiße verschicken die Professoren Rundmails oder man muss sich einfach selbst erkundigen was ansteht. Niemand würde uns mit Namen anreden und auch der CEO scheint mir nicht eine der Menschen zu sein, der gut mit jedem seiner Mitarbeiter ist, geschweigedenn sich darum kümmert wie er zu ihnen ist. Außerdem sagte er doch, er würde uns Freitag mitteilen wo wir eingeteilt werden würden.


"Wie ich Ihnen mitgeteilt hatte, habe ich noch einen Platz in meiner Firma gefunden. Da Sie allerding nicht mehr eingeplant waren, wird dies etwas chaotisch sein, da ich niemanden habe, der sich speziell um Sie kümmern kann. Deswegen habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich diese Aufgabe persönlich übernehmen werde.", meine Augen werden größer, bei jedem weiteren Satz und dann schüttele ich nur noch den Kopf. Das kann doch nicht sein ernst sein. Er kann es nicht ernst meinen, dass er sich persönlich um mich kümmern wird und mir seine Firma zeigen wird. Am Ende werde ich noch stündlich zum Kaffee holen geschickt und soll seine Hemden Bügeln.

"Ich werde Sie in die Position meiner Assistentin setzen. Sie werden mich bei wichtigen Meetings begleiten und meinen Terminkalender im Auge behalten. Ich erwarte höchste Diskretion und ich muss mich auf Sie verlassen können. Sie werden Einblicke in den Firmenalltag bekommen und sehen, dass es viel Arbeit benötigt eine Firma wie meine zu leiten. Bis Freitag würde ich gerne von Ihnen hören, ob sie die Stelle antreten möchten, da diese ja nicht zur Auswahl stand. Sollten Sie sich allerding dafür entscheiden, dieses Angebot abzulehnen, sehe ich mich dazu gezwungen, Sie in diesem Kurs durchfallen zu lassen. Einen schönen Abend wünsche ihnen noch. Harry Styles.", ich kann nicht fassen, was ich da gerade lese. Ich soll also für den Chef der Firma arbeiten, der nebenbei arrogant bis zum Himmel ist, die Assistentin spielen. Gerade noch habe ich mit dem Gedanken gespielt, einfach abzusagen, dass er mich dann allerdings durchfallen lässt, macht mir Sorgen.

"Guten Abend Mr. Styles,Weil ich anscheinend keine andere Wahl habe, werde ich die Stelle als ihre Assistentin annehmen. Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen und hoffe, dass wir gut zusammenarbeiten werden. Ihnen auch einen schönen Abend, Tamara Lane.", ich schreibe ihm nur eine kurze Antwort, bin immer noch etwas verwirrt. Ist das überhaupt erlaubt? Ich meine, die anderen Studenten arbeiten mit seinen Angestellten, die vermutlich einmal ein Auge zudrücken, falls etwas schief läuft. Außerdem werden sie unterstützt und ich wage zu bezweifeln, dass es einfach wird mit dem Chef einer so großen Firma zu arbeiten.

Ich schließe meinen Laptop und lasse mich in die weichen Kissen fallen, sehe mir den Film an, von dem ich nur die Hälfte mitbekommen habe. Ich weiß schon jetzt, dass die nächste Zeit nicht einfach werden wird und ich viel zu tun haben werde. Einerseits freue ich mich darauf, anderseits habe ich auch Respekt davor, in genau dieser Firma zu arbeiten, immerhin macht es die Hälfte meiner Gesamtnote aus und wenn diese Note schlecht sein sollte, kann ich mein Studium vergessen. Das widerum bedeutet, dass die einzige Möglichkeit zu tun was meine Eltern möchten, verschwendet ist. Nicht, dass sie mich gezwungen hätten Betriebs- und Medienwissenschaften zu studieren, aber es war immer ihr Wunsch und irgendwann habe ich auch gefallen daran gefunden. Ohne sie wäre das auch nicht möglich, immerhin wohne ich mit fast 19 noch zu Hause und habe auch sonst kaum Einkommen. Mein Minijob in dem kleinen Cafe in der Nähe des Campus, reisst da nicht wirklich viel raus.



Memories | H.S.Where stories live. Discover now