52. Die Wahrheit

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"VERDAMMT!"
Aufgeschreckt springe ich aus dem Bett.
Es ist Wochenende und nun eine Woche her seit Henry versucht hat mich zu töten, aber seitdem ist nichts passiert. Zum Glück.
Ich habe heute bei Jim übernachtet, weil bei mir zu Hause momentan Bauarbeiten in der Straße stattfinden und es relativ laut ist. Außerdem war die Nacht... sehr angenehm.
Doch Jims wütender Schrei hat mich aufgeweckt und nun tapse ich müde die Treppe hinunter und zu ihm ins Wohnzimmer. Jim läuft dort unruhig auf und ab, in ein weißes T-shirt und eine karierte Pyjama-Hose gekleidet, und sieht verärgert aus.
"Was ist denn los?", frage ich und gähne.
"Sh!", macht Jim und hebt eine Hand in meine Richtung.
"Wieso?"
"Sei still!"
So habe ich Jim noch nie gesehen und es gefällt mir nicht.
"Ist ja schon gut, ich geh ja."
"Du sollst ruhig sein!", schreit Jim mich an und ich zucke zusammen. Eindeutig nicht gut.
Schnell verschwinde ich wieder nach oben und hole meine Sachen um mich unten zu duschen. Was auch immer mit Jim los ist, wenn er so drauf ist will ich nicht das Wochenende verbringen. Dass er mich anschreit ist noch nie passiert, und so wütend war er bisher auch nicht. Es verletzt mich und für einen winzigen Moment habe ich das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, doch das schiebe ich schnell weg. Stattdessen kommen mir Henrys Worte in den Sinn: Jim ist wahrscheinlich der gefährlichste Mann von ganz London. Und der kaltblütigste auch. Er hat Dutzende Herzen gebrochen, noch mehr Leben zerstört und etliche andere Dinge getan.
Zu so einem Mann würden Stimmungsschwankungen und seltsames Verhalten passen, oder nicht? Hoffentlich ist es nicht wie in so Filmen, wo der Mann erst perfekt scheint und sich am Ende als gewalttätiger Mistkerl entpuppt. Das würde ich nicht aushalten.
Nachdenklich gehe ich, als ich fertig mit duschen bin, wieder ins Wohnzimmer und finde Jim auf dem Sofa sitzend vor. Langsam nähere ich mich ihm und versuche zu erkennen ob noch immer so seltsam ist, oder ob er sich wieder eingekriegt hat.
"Jim?", frage ich sanft und er hebt ruckartig den Kopf. Sein Gesichtsausdruck ist ernst, seine Lippen sind zu einem dünnen Strich zusammengekniffen und er wirkt kaum noch wie mein Freund Jim.
"Was ist los mit dir?", frage ich weiter und komme ihm noch näher.
"Nichts was du verstehen könntest", gibt er kühl zurück, steht auf und geht ohne ein Wort zu sagen ins Bad. Perplex schaue ich ihm hinterher, da vibriert ein Handy. Es ist Jims, es liegt auf dem Sofa, mit dem erleuchteten Bildschirm nach oben, und eine Nachricht ist angekommen:

C: Mission gescheitert, Ziel entkommen. Erwarten weitere Anweisungen.

Wer ist C?
Schnell vergewissere ich mich dass Jim nicht wiederkommt, dann nehme ich sein Handy und verschwinde in der Küche. Ich weiß, das hier ist fast illegal, aber ich muss es wissen. Ich muss wissen ob Henry recht hatte.
Beim Entsperren verlangt das Handy nach einem Code, und ich halte es schräg gegens Licht um Jims Fingerabdrücke auf dem Display zu sehen. Nach zwei Versuchen habe ich seinen Code richtig eingegeben und habe nun kompletten Zugriff auf Jims Handy und alle Daten darauf. Irgendwie komme ich mir mies vor, einfach seine Nachrichten zu lesen.
Doch meine Neugierde siegt und ich scrolle durch die geöffnete Konversation.

C: Wie lautet der Auftrag?

Me: Adrian Kirschbaum. Big Ben, 10:50 Uhr. Schnell und leise.

C: Wird erledigt.

Ich gehe aus dieser Konversation und öffne die zwischen Jim und Sebastian.

Seb: Hey Boss, du solltest heute nicht zur Arbeit kommen. Gibt ein paar Probleme hier.

Me: Mensch Seb, krieg das auf die Reihe!

Ich scrolle weiter nach unten, zu einer anderen Stelle.

Seb: Geht es dir noch gut?! Du hättest draufgehen können!

Moriarty In Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt