Kapitel 13

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Ludmilas Sicht

Im Laufe der Jahre hatte ich mir auf dem Dachboden mein eigenes, kleines Reich erstellt. Ich hatte ein paar der kaum genutzten Möbel meiner Mutter abgestaubt und mir einige Trainingselemente hier oben aufgestellt. Wenn ich mal wieder einen Streit mit meinen Eltern hatte oder sonst irgendein Problem, hatte ich mich hier oben so lange versteckt, bis Diego sich zu große Sorgen gemacht hatte. Und jetzt hatte ich ein Problem. Sogar ein großes Problem. Wieso habe ich diesen verdammten Kuss nur erwidert? Das wollte ich nicht! Das hab ich nicht geplant! Ich wollte mich nicht verlieben. Ich hab so schon genug Probleme, mit denen ich klart kommen muss. Es ist nicht so, als hätte ich noch nie einen Jungen geküsst. Als ich mich einmal mit Diego gestritten hatte, habe ich seinen Erzfeind geküsst, damit er wütend wird und nicht immer so verdammt ruhig bleibt. Natürlich waren wir da gerade mal 13 Jahre alt gewesen, aber ich hatte auch in der Schattenjägerschule einige Verehrer gehabt. Aber nie hatte ich mich so gefühlt, wie in diesem Moment. Ich berührte mit der Fingerspitzen meine Lippen. Was hatte sich geändert? Wieso fühlte ich plötzlich so? Es machte mich verrückt, das ich auf keine der Fragen eine Antwort kannte, egal wie lange ich darüber nachdachte.  Es hat sich so richtig angefühlt. So, als wäre ich dafür bestimmt, bei ihm zu sein. So, als wäre da diese Anziehungskraft zwischen uns, die dafür sorgte, das ich immer bei ihm blieb. >>Ludmi?<< Diego betrat den Raum und setzte sich in den zweiten Sessel, der auf dem Dachboden stand. >>Lass mich bitte in Ruhe.<< sagte ich kühl und drehte mich weg. Ich hatte keine Lust darauf, mich mit ihm zu unterhalten. >>Bitte sei nicht gleich so abweisend. Es gibt Abendessen, auch wenn es schon ziemlich spät ist, also sollte man wahrscheinlich eher Nachtessen sagen.<< Diego lächelte und legte mir eine Hand auf den Arm. >>Du weißt, du kannst über alles mit mir sprechen.<< Ich sah ihn unsicher an. >>Du würdest es nicht verstehen. Ich bin so verwirrt und fühle mich hilflos.<< Diego nahm mich in den Arm. >>Morgen kommen Mutter und Vater zurück nach Buenos Aires.<< Mir war nicht bewusst, worauf er hinaus wollte. >>Na und? Sie waren doch schon oft in Idris und sind wieder zurück gekommen. Was soll an morgen so besonders sein?<< Diego biss sich auf die Lippe. Ein Zeichen dafür, wie nervös er war. >>Wir wussten beide, das es eines Tages so weit sein würde, aber mir war nicht bewusste, wie bald es sein würde.<< sagte er und strich mir übers Haar. >>Wovon redest du bitte?<< fragte ich und setzte mich aufrecht hin. Irgendetwas verheimlichte er mir doch! Diego zögerte nach einen Moment, dann nahm er meine Hand in seine. >>Von deinem zukünftigen Ehemann. Sie haben sich in Idris mit vielen jungen Männern getroffen, die um deine Hand anhalten möchten.<< Meine Eltern haben mir so oft gesagt, das sie mich verheiraten wollen, aber ich hatte sie nie wirklich ernst genommen. Vielleicht wollte ich einfach nicht wahrnehmen, dass meine Eltern niemals blufften, sondern alles vollkommen ernst meinen. Und natürlich wusste ich auch, das es in Idris viele Söhne reicher Schattenjägerfamilien gab, die vorhatten mich zu heiraten. Nicht weil sie mich liebten, sondern weil sie mich brauchten. Unser Name musste reingewaschen werden, so konnten meine Eltern ihre Tochter eher verheiraten als ihren Sohn, da ich meinen Nachnamen bei einer Hochzeit eh wechseln musste. Außerdem war ich jung, hübsch und eine angesehene Schattenjägerin. Ein verheirateter Mann hatte bessere Chancen auf einen Sitz im Rat. Also würde es für beide Familien ein fairer Diel werden. Früher hätte ich wahrscheinlich laut protestierend herumgeschrien und versucht, meine Eltern davon zu überzeugen, mir noch eine Chance zu geben. Aber jetzt war es anders. Wenn ich heirate, müsste ich Federico nicht mehr sehen. Ich müsste mir keine Gedanken mehr darüber machen, ob ich ihn liebe oder ob er mich liebt. Nein, ich werde einen Mann heiraten, der mich nicht liebt und den ich nicht liebe. Da gibt es keine Fragen, keine Unsicherheiten, keine Ängste. Vielleicht habe ich diesen kleinen Anstoß gebraucht, um mir klar darüber zu werden, was ich will.

Fedemila und Diecesca-Schattenjäger LiebeskampfWhere stories live. Discover now