Kapitel 19

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Ein, nein mindestens fünfzehn Bildern von Jason und mir kamen mir entgegen.
Jason und ich, so wie wir mit Mister und Misses Collins von eben dieser Misses Collins drapiert worden waren.
Jason und ich, wie wir uns im Arm hielten und ich ihn leicht verunsichert ansah.
Jason und ich, wie wir uns tief in die Augen sahen.
Und schließlich Jason und ich, wie wir uns leidenschaftlich küssten.
Wie konnten wir nur so leichtsinnig sein! Diese Fotos hätten nie gemacht werden dürfen! Wenn das in der Firma rundgehen würde, würde ich als Schlampe betitelt werden und egal, wie hart ich auch in Zukunft arbeiten würde, wenn ich aufsteigen würde, würde es immer heißen, ich hätte mich hochgeschlafen!
Was Charles wohl von mir wollte?
Mir wurde im Wechsel eiskalt und glühendheiß. Meine Hände begannen zu zittern.
Das Ekelpaket rückte näher und legte mir seine schmierige Hand auf den Oberschenkel.
"Wenn du ganz brav bist und tust, was ich dir sage, werde ich die Bilder für mich behalten. Aber wenn du dich mir widersetzt, werde ich die Bilder in der ganzen Firma und in allen anderen Verlagen, wo du Arbeit suchen könntest, verbreiten. Diese Bilder," er deutete auf den Umschlag, "werden entweder dein Glück oder dein Untergang sein. Entscheide."
Allein die Vorstellung, alles machen zu müssen, was Charles von mir verlangte, veranlasste mich dazu, ein Stück von ihm wegzurutschen. Seine Hand glitt dabei von meinem Oberschenkel und ich fühlte mich wieder etwas freier. Doch meine Freiheit währte nicht lange.
"Komm schon, Süße," raunte das Ekelpaket.
Er beugte sich über mich und mir wurde unwillkürlich schlecht.
Ich musste das hier tun, wenn ich mir nicht meine Chance auf eine berufliche Karriere oder wenigstens einen Job verbauen wollte. Und ich musste Jason schützen, seinen Ruf. Wenn das hier rauskommen würde, hätte er nicht nur den Ruf, arrogant und eiskalt zu sein, sondern auch korrupt. Ich musste ihn und mich schützen. Wie sollte ich mir ohne Geld meine Wohnung leisten können und meine kleine Schwester Amy unterstützen! Sie wollte doch gerade anfangen zu studieren! Wie sollte ich mit der Schuld, Jasons Leben verbaut zu haben, weiterleben!
Charles befand sich nun über mir und drückte mich mit dem Rücken auf das Sofa, bis er halb auf mir lag. Am liebsten hätte ich ihm eins der hässlichen Bilder, die an der Wand hingen, gegen den Kopf geknallt, doch stattdessen biss ich die Zähne zusammen und bekämpfte die in mir aufsteigende Übelkeit.
Ich spürte seinen schwieligen Atem im Gesicht und mein Körper versteifte sich unwillkürlich. Sein Gesicht kam immer näher.
Jason, ich liebe dich verdammt nochmal! Verzeih' mir!
Und schon hatten sich die Lippen des Ekelpakets auf meine gedrückt.
Noch nie hatte ich einen Kuss so abscheulich gefunden. Noch nie hatte ich mich so geekelt und mir am liebsten regelrecht die Haut vom Leib gekratzt. Noch nie hatte ich mir an einem Tag so oft die Zähne geputzt und war das Gefühl des Ekels nicht losgeworden.
Ich konnte mich glücklich schätzen, dass Charles es bei diesem Kuss beließ und mich nicht zu schlimmerem drängte, denn ich wusste nicht, ob ich jemals wieder in den Spiegel hätte schauen können, wenn ich mit ihm geschlafen hätte.
Stürmisch und völlig verängstigt stürmte ich aus dem Büro und lief prompt in eine andere Person.
"Oh. Entschuldigung. Tut mir leid. Äh. Habe ich Ihnen wehgetan?" Ich stammelte vor mich hin.
Zwei starke Arme packten mich an den Schultern und drückten sie leicht.
"Lynn, was ist los?"
Ich schaute hoch und erblickte zwei eisblauen Augen. Jasons Augen.
Was sollte ich ihm nur sagen? Ich war eine verdammt schlechte Lügnerin.
"Äh. Nichts. Alles okay, Jason. Entschuldigung ich meinte Mister Clark."
Super gemacht, Lynn. Jetzt hält er dich bestimmt für geisteskrank.
Jason legte zwei Finger an mein Kinn und zwang mich so, ihn anzusehen. In Kombination mit seinem ernsten Blick, wäre ich fast schwach geworden und hätte ihm alles erzählt.
"Lynn. Lüg mich nicht an!"
Seine Augen huschten zur offen stehenden Bürotür und dem in ihr stehenden, grinsenden Charles.
Jasons Blick verwandelte sich in Entsetzten.
"Was hast du getan? Hat er dir was getan?"
Er wandte sich wutentbrannt an seinen Onkel.
"Was hast du ihr angetan!?!"
Das Grinsen des Ekelpaketes wurde noch breiter.
Er trat einen Schritt vor und legte mir einen Arm auf die Schulter. Sofort setzte mein natürlicher Schutzmechanismus ein und ich verkrampfte mich. Jason merkte es und sah mich an.
"Ich habe nichts getan, was Lynn nicht auch wollte. Stimmt's, Lynn?"
Er warnte mich mit seinem Blick davor, ihm zu widersprechen und erinnerte mich an die Fotos.
"N... Ne.... Nein." Brachte ich zitternd zustande.
Der Eisprinz sah zwischen mir und ihm hin und her.
Dann legte er mir eine Hand auf den Rücken und sagte zu Charles:
"Ist es okay, wenn ich Lynn jetzt wieder mit an ihren Arbeitsplatz nehme? Sie hat schließlich einen Job zu erledigen."
Zuckersüß antwortet Das Ekelpaket:
"Aber sicher doch. Wir sind fertig," er zwinkerte mir pervers zu. "Zumindest für heute."
Igitt. Am liebsten hätte ich geschrien und wäre aus dem nächsten Fenster gesprungen, doch ich versuchte ruhig zu bleiben. Ich tat das hier für meine kleine Schwester und für den Mann, den ich liebte.
Verdammt. Wie hatte es nur so weit kommen können.
Doch anstatt mich zu meinem Büro zurückzubringen, steuerte mein Boss sofort auf sein Büro zu. Er befahl mir mit einer Geste auf dem Sofa Platz zu nehmen, dabei hatte ich eben bei Charles beschlossen, Sofas zu hassen.
Nur war dieses Sofa nicht das weiße eines Ekelpakets sondern das Schwarze eines atemberaubenden Eisprinzen.
Ich tat, wie befohlen und nahm Platz. Am liebsten hätte ich mich an Ort und Stelle zusammengerollt und wäre nie mehr aufgestanden. Wer hätte gedacht, dass meine Situation noch schlimmer werden konnte.
"Lynn. Was hast du mit Charles zu tun? Und jetzt sei ehrlich," kam Jason ziemlich schnell auf den Punkt.
Was sollte ich antworten?
Ich konnte es ihm nicht sagen.
"Nichts."
Nun begann er aufgebracht hin und her zu laufen, was mich noch mehr verunsicherte.
"Du bist nicht wie die anderen. Du würdest nicht mit Charles schlafen, um Karriere zu machen! Ich weiß nicht, was zwischen euch läuft, aber deiner Reaktion nach zu urteilen beruht es nicht auf beidseitigem Einverständnis."
Ich sah stur auf meine Hände.
Wenn ich es ihm sagte, würde ich ihm mit dort hereinziehen, also schwieg ich.
Mit einem Seufzen ließ er sich neben mir nieder, was mich sofort an das Ekelpaket erinnerte und meine Muskeln einfror.
"Verdammt, Lynn. Ich will dir doch nur helfen."
Er sah mich eindringlich an.
Am liebsten hätte ich geschrien, dass ich ihn verdammt nochmal nur beschützen wollte.
Seine Stimme senkte sich zu einem kaum wahrnehmbaren Flüstern.
"Du bist mir zu wichtig, um dich an meinen Onkel zu verlieren."
Hatte ich gerade richtig gehört oder litt ich seit neustem unter Halluzinationen?
Ehe er oder ich genauer auf diesen Satz eingehen konnten, kam Amanda herein.
"Ah. Hier treibst du dich also rum."
Amanda erblickte mich.
"Hallo, Lynn, schön, Sie wiederzusehen."
Sie wusste nicht, dass sie mich gerade davor gerettet hatte, in Erklärungsnot zu kommen.
"Hallo, Amanda. Ich lasse Sie beide dann mal alleine. Auf Wiedersehen."
Und schon rauschte ich aus dem Büro und vergrub mich in meinen Rechnungen. Wenn mir jemand heute morgen gesagt hätte, dass ich mich später über diese Arbeit freuen würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Doch nun fühlte ich mich wie eine Verrückte, gefangen in meinem eigenen Leben.

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Als ich damit begonnen habe, Geschichten zu schreiben, hätte ich nie gedacht, dass sie tatsächlich jemand außer meinen Freunden lesen würde. Ich freue mich über jeden einzelnen von euch, der das Leben von Lynn und Jason und allen anderen meiner Charaktere verfolgt. Ich hoffe, auch ihr könnt durch meine Geschichte die Welt um euch herum für einen kurzen Moment vergessen, so wie ich sie beim Schreiben vergesse.
Danke für unglaubliche 2tsd Reads, ihr seid echt unglaublich.❤️❤️❤️
Liebe Grüße
Eure nessy199 😘

Love the Boss or not Where stories live. Discover now