Kapitel 16

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Nervös zwirbelte ich an meinem dunkelgrünen, mit Steinchen besetzten bodenlangen Ballkleid herum.
Da Mister und Misses Collins darauf bestanden hatten, ein paar Erinnerungsfotos zu schießen, sollten wir schon eine halbe Stunde vor den anderen Gästen dort eintreffen.
Ich war nicht mehr ganz so begeistert von dem Ball, da ich Fotos hasste. Naja, ich hasste sie nicht direkt. Ich war eher gesagt total unfotogen. Auf meinen ganzen Klassen- und Abschlussfotos hatte ich entweder geschielt, geblinzelt oder den Kopf weggedreht. Obwohl auf meinen Abiturabschlussfoto und dem von meinem Studium sah ich recht passabel aus, was wahrscheinlich daran lag, dass der Fotograf gefühlte tausend Fotos gemacht hatte, bis eins dabei war, auf welchem keiner in die Luft guckte.
Ich schaute in den Spiegel und zwei smaragdgrüne Augen starrten mir entgegen. Meine langen braunen Haare hatte ich zu Locken gedreht und um meine Schultern drapiert. In aller Ruhe legte ich noch etwas Kajalstift und Wimperntusche auf.
Ich hatte das Hotelzimmer für mich alleine, da Jason schon aufgebrochen war, um Mister Collins helfen wollte, bevor die Gäste sein Haus überrennen würden.
Ein letzter Blick in den Spiegel - fertig.
Ich griff nach meiner zum Kleid passenden Handtasche, die Misses Collins mir unbemerkt in die Tüte geschmuggelt hatte und ließ mir ein Taxi rufen.

Draußen war es mittlerweile dunkel geworden und ich schaute den vorbeihuschenden Straßenlichtern nach. Am liebsten hätte ich die Wagentür aufgerissen und wäre davongerannt.
Ich hatte Angst.
Angst davor, ob ich mich gleich wieder total blamiren würde.
Angst davor, dass Jason mich auslachte, wenn er mich in diesem so für mich untypischen Kleid sehen würde.
Und am meisten Angst hatte ich vor meinen immer stärker werdenden Gefühlen.
Jason schien mich mit seiner bloßen Anwesenheit magisch anzuziehen, wie ein positiv geladener Magnet einen negativ geladenen. Und das waren wir. Zwei vollkommen unterschiedliche Menschen. Er war der unberechenbare, knallharte und dennoch liebenswürdige Geschäftsmann und ich, nun ja, ich war das tollpatschige, rundliche, verträumte Etwas, das so gar nicht in diese Firma zu passen schien. Doch heißt es nicht, Gegensätze ziehen sich an? Ich fühlte mich definitiv mehr als angezogen von meinem Chef und war fest entschlossen, ihm all seine kleinen und großen Geheimnisse zu entlocken, mochten sie noch so verboten sein.

Das Taxi hielt an und ich stieg nicht gerade anmutig aus. Genauer gesagt verschüttete ich sogleich meinen ganzen Tascheninhalt auf der Straße. Der Taxifahrer düste an mir vorbei und ich begann etwas ungestüm meinen ganzen Krimskrams einzusammeln.                                           

Ich stellte mich aufrecht hin und sah mich nach allen Seiten suchend nach dem Eingang um. Wo war er nur?  Natürlich war er direkt vor meiner Nase. Warum kompliziert, wenn es auch so einfach ging. Ein fetter Wegweiser rechts von mir zeigte auf die zwei Flügeltüren und bezeichnete sie doch tatsächlich als Eingang.
Also stöckelte ich auf den so offensichtlich beschilderten Eingang zu und fand mich in einem kleinen oder eher großen Durchgang wieder. Ein Page nahm mir meine Jacke mit der Frage nach meinem Namen ab und hing sie an eine der vielen Gaderoben.

Vor mir befand sich ein gigantischer Saal mit einigen Stühlen und Tischen am äußeren Rand und einer riesigen Tanzfläche in der Mitte. Ein exklusives Büffet erstreckte sich an der gesamten linken Wand un ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Ich trat ins Licht und sah Jason.
Er trug einen eleganten, schwarzen Smoking, der ihm wie auf den Leib geschneidert war und ein bordeauxrotes Hemd mit einer Kravatte. Er war in ein Gespräch mit Mister Collins vertieft und sah mich nicht. Ich wollte mich gerade wieder umdrehen und mich aus dem Staub machen, als Misses Collins mich entdeckte und meine Flucht ruinierte.
"Lynn. Da sind sie ja endlich. Sie sehen großartig aus."
"Danke, sie auch."
Nun hatte auch Jason mich bemerkt und seine stahlblauen Augen richteten sich auf mich.
Ein Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus.
Er ließ seinen Blick über meinen ganzen Körper gleiten und schien seine Augen gar nicht mehr von mir nehmen zu wollen.
Er kam auf mich zu und ich hielt  automatisch die Luft an.
Er wirkte wie ein Gott aus Eis mit seinem starrem eisblauem Blick und diesem zielgerichteten Gang. Sein Auftritt gerade berechtigte definitiv meine betrunkene Annahme, er sei ein Gott.
"Lynn?" seine Stimme brach. "Du sieht hinreißend aus."
Ich stieß die Luft aus.
"Du auch."
"Fotos." Misses Collins wedelte mit einer Kamera vor unserer Nase herum.

Sie beschloss, dass wir zuerst ein paar Fotos alle gemeinsam machen sollten. Mit alle meinte sie sich, ihren Mann, meinen Boss und mich. Sie reichte ihre Kamera an einen ihrer Angestellten weiter und drapierte uns. Wir wurden hin und hergeschoben wie Marionetten. Das wir nicht alle Handstand machen und dabei klatschen sollten war alles.
"Und jetzt ein paar Fotos von unserem süßen Paar. Ich werde Ihnen beiden natürlich die Bilder zukommen lassen."
Ich stellte mich mit einigem Abstand neben Jason, was sofort mit einem "Nicht so schüchtern" von Misses Collins quittiert wurde.
Jason legte einen Arm um meine Taille und schoss somit winzige elektronische Blitze durch meinen Körper. Mir wurde ganz warm und mein Herz lief Marathon.
"Bringe ich Sie so sehr aus dem Konzept Miss Hoover? Vergessen Sie nicht zu lächeln." Flüsterte er in mein Ohr.
Was bildete sich dieser Arsch eigentlich ein! Nichts, denn er hatte gerade genau ins Schwarze getroffen.
"Und jetzt bitte einen Kuss."
"Was?" Ich klang leicht hysterisch.
"Na los. Sie werden sich doch wohl schon öfter geküsst haben. Was ist denn schon dabei?"
"Natürlich," antwortete Jason.
Ein Kuss. Klar. Was war schon dabei. Es hatte schließlich nichts zu bedeuten. Leider war ich noch nie der Typ für unbedeutende Bekanntschaften und Küsse gewesen.

Jason sah mir tief in die Augen und zog mich näher zu sich heran. Ich wollte in seinen Armen versinken. Mein Herz pochte wie verrückt und als ich seine Brust an meiner spürte, spürte ich, dass seines ebenfalls zu schnell schlug. Seine bloße Berührung raubte mir den Atem, brachte mich um den Verstand. Ich empfand zu viel für diesen Mann. Sein Gesicht näherte sich dem meinen. Ich konnte seinen Atem spüren, sein männliches Aftershave riechen. Seine Lippen trafen auf meine und die Welt explodierte. Er zog mich, die Hände an meinem Rücken, näher an sich heran. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und meine Hände wanderten automatisch zu seinem Haar. Unsere Lippen bewegten sich im Einklang und seine Zunge glitt in meinen Mund. Ich vergrub meine Finger tiefer in seinen seidig weichen Haaren, durchwühlte sie geradezu. Unsere Zungen umspielten einander. Es war als wären sämtliche Dämme gebrochen und wir ließen uns voll und ganz von der Leidenschaft mitreißen. Ein leises Stöhnen entwich meinen Lippen, welches Jason mit einem wohligen grummeln erwiderte. Mein Körper schmiegte sich enger an ihn und....
"Jason?!?"
Wir sprangen erschrocken auseinander. Jasons Haare standen in jegliche Himmelsrichtungen ab als hätte ein Tornado darin gewütet. Ich drehte mich um und sah sie. Ich hätte nicht erwartet, die Frau, der ich bedenkenlos meine Sorgen anvertraut hatte, jemals wiederzusehen.
"Amanda?"
"Lynn?"

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Danke für 1.17 tsd reads, ihr seid die besten❤️
Was haltet ihr von meiner Story bis jetzt, habt ihr irgendwelche Verbesserungsvorschläge?
Über Votes und Kommis würde ich mich freuen.
Liebe Grüße,
Eure nessy199

Love the Boss or not Where stories live. Discover now